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Paraiba war gegenwärtig durch den häufigen Regen auf hundert und sieben-
zig Fuss Breite angeschwollen und sehr reissend. Die Schiffahrt auf diesem
Flusse ist jetzt noch sehr unbedeutend, vermuthlich weil er vorzüglich in
seinem unteren Theile mehrere beträchtliche Wasserfälle hat, oder weil
der Handel in seiner Nähe noch geringe ist, und die Anwohner wegen
Mangels an Brücken ihre Producte sich nicht leicht zuführen können.
Am lebhaftesten wird er zwischen Aldea da Escada und Pendamhon-
gaba befahren. Unter den Einwohnern dieser Gegend bemerkt man eine
endemische Anschwellung der Halsdrüsen in einem so hohen Grade, als sie
vielleicht nirgends in Europa Vorkommen möchte. Oft ist der ganze Hals
von der grossen Geschwulst eingenommen, was diesen grösstenteils farbigen
Leuten, die ohnehin keine angenehme Bildung haben, ein scheusliches
Ansehen giebt. Doch scheint man hier zu Lande diesen Auswuchs mehr
für eine besondere Schönheit als für Verunstaltung zu halten; denn nicht
selten sieht man Frauenzimmer den ungeheuren Kropf mit goldenem oder
silbernem Schmucke geziert und gleichsam zur Schau tragend, mit einer
Tabackspfeife oder mit einer Spindel in der Hand, um Baumwolle zu drehen,
vor ihren Häusern sitzen. In unserem Atlas findet sich eine solche
Person in ihrer nationellen Tracht abgebildet. Neger, Mulatten und Abkömmlinge
von Weissen mit Indianern {Illamelucos), die den grössten Theil
der dortigen Bevölkerung bilden, sind diesem Uebel vorzugsweise unterworfen;
unter den Weissen trifft es mehr die Frauen als die Männer. Die
Ursachen dieser Missbildung scheinen hier ganz dieselben zu seyn, wie in
anderen Ländern. Es sind nämlich nicht die hohen, kälteren und luftigen
Gebirgsgegenden, sondern das tiefe, oft mit dichten Nebeln bedeckte Thal
. des Paraiba, wo die Krankheit vorkommt. Die Richtung der beiden Gebirgszüge
von S. nach N. erlaubt nämlich keinen hinlänglichen Abzug der
Dünste; dieselben Nebel, welche während des Tages von dem Flusse und
aus den benachbarten, zum Theile dicht bewaldeten Sümpfen aufziehen, fallen
bei Nacht wieder in das Thal zurück; dabei ist die Wärme beträchtlich, und
das oft sehr trübe, unreine und laue Wasser des Flusses muss die Stelle des
klaren Quellwassers vertreten; auch sind die Wohnungen unreinlich, feucht
und windig. Die Nahrung von rohem Maismehl, das hier häufiger als Man-
dioccamehl genossen wird, und zwar nahrhafter, aber auch schwerverdauheher
ist, und der Genuss von vielem Schweinespeck mögen zur Entwickelung der
Krankheit ebenfalls das ihrige beitragen; endlich dürften vielleicht die Excesse
im Geschlechtsgenusse, wie in Rio de Janeiro als Mitursache der Sarco- und
Hydrocele, eben so als solche des Kropfes anzusehen seyn. Man findet zwar
hier die traurigen Erscheinungen des Cretinismus nicht, welche in Europa so
oft mit dem Kropfe gepaart endemisch Vorkommen, doch zeigt das Aussehen
der Personen, bei welchen das erwähnte Uebel einen höheren Grad erreicht
hat, ebenfalls wie beim ersteren nicht blos Schlaffheit und Mangel an Energie,
sondern auch wohl selbst Stupidität im eigentlichen Sinne. Man pflegt die
Krankheit anfänglich mit Umschlägen von warmem Kürbisbrei und mit
dem Genüsse von Wasser, welches mehrere Tage lang über der gestampften
Masse von grossen Ameisenhaufen gestanden w a r, zu behandeln. Die Bestandteile
der fünf bis sechs Fuss hoch aufgethürmten Wohnungen der
Ameisen (Cupims), zu deren Erbauung sich das Insect eines eigentümlichen
tierischen Schleimes als Mörtels bedient , scheinen allerdings den
pathogenischen Verhältnissen des Kropfes entgegenwirken zu können. Vielleicht
hat auch die Ameisensäure einen wohltätigen Einfluss auf das erschlaffte
Nervensystem des Kranken sowohl, als auf die Schwäche des
lymphatischen Systems. Die Neger gebrauchen hier wie in Africa häufig
schleimige Substanzen, dort z.B. das Gummi arabicum, mit Erfolg gegen
den Kropf, welche Behandlungsart auf dessen Entstehung als Krankheit
der Ernährung hinzudeuten scheint.
Im Verlaufe des Weges von Jacarehy aus begegneten uns mehrere
spanische, zum Gefolge des Bischofs von Cordova gehörige Flüchtlingei Diese
Opfer politischer Parteien in Buenos -Ayres und Paraguay wurden von
den Paulisten mit der ungeheucheltsten Theilnahme aufgenommen und während
ihrer langen Reise menschenfreundlich verpflegt. Durch die Absendung
von Truppen aus S. Paul nach der Insel de S. Catharina und von da nach
Montevideo war das Intresse der Paulisten an die politischen Ereignisse
im Süden geheftet worden, und sie glaubten durch gastfreundliche Aufnahme
jener Flüchtlinge den Anspruch ihrer jetzt dort befindlichen Landsleute auf
gleich gute Behandlung gründen zu dürfen. Die portugiesische Expedition
nach Montevideo war der Provinz von S. Paul sehr schwer gefallen, denn es