Halme als in Saamen anschiessen, die einzelnen Halme selbst zu verschiedener
Zeit reifen, auch die Saamen plötzlich zeitigen und abfallen lassen,
Diesseits des Gebirges längs der Strasse war keine Spur von Agricultur
wahrzunehmen, sondern alle Campos lagen ausgetrocknet und Öde bis zur
Fazenda Canduahy, drei Meilen von S. Joäo, und bis zu dem eben so
fern liegenden Ort Lagoa doirada, in dessen Nähe mehrere, sonst sehr
reiche Gold Wäschereien betrieben werden. Es war an letzterem Orte gerade
das Kirchweih- oder ein Heiligenfest. Einige Standbuden stellten Kattune,
Baümwollenzeuge, Hüte, Eisenwaaren, Schiesspulver u. s. w. zum Verkaufe
aus; die anwesenden Neger gruppirten sich zusammen und Hessen auf einem
hölzernen, mit einigen gedrehten Seidenfaden überzogenen Instrumente in
Begleitung zweier durch Reiben knarrender Stöcke ihre klägliche Musik vernehmen.
Allmälig kamen die Nachbarn einzeln auf Maulthieren zur feierlichen
Messe an; sie schienen sich aber mehr an dem Ankäufe feilgebotener Waa-
ren zur Befriedigung häuslicher Bedürfnisse, als an gemeinschaftlichen Ergötz-
lichkeiten zu erfreuen. Nachdem der Gottesdienst vorüber w ar, setzten wir
unsere Reise fort, und gelangten zu unserem Vergnügen aus den, der Sonne
sehr ausgesetzten, trockenen Campos heraus in einen niedrigen, einige Meilen
langen Wald. Sobald wir aus demselben hervortraten, sahen wir uns in
einer romantischen Gegend. Die Campos, mit Gras, Gesträuch und einzelnen
kleinen Bäumen bunt besetzt, bald in anmuthige Hügel erhoben, durch
welche sich engeThäler labyrinthisch hinziehen, bald mit ruinenähnlich zertrümmerten
Felsenparthien gekrönt, nahmen immer mehr an Schönheit und
Eigenthümlichkeit zu. Nach zwei Tagmärschen über die Capelle de S. Eusta.
chio und die Fazenda de Camaboäo passirten wir den Fluss Paraöpebaaaf
einer hölzernen Brücke. Aus diesem Flusse haben die Gold Wäscher viel Eisensand,
von ihnen Zinnsand genannt, ausgeschlemmt, welcher, wie sich bei genauer
Prüfung ergab, auch Chrom und Mangan beigemengt enthält. Der Intendant
des Diamantendistrictes da Camara hatte die Güte, uns bei unserer
Anwesenheit in Tijuco eine ansehnliche Quantität hievon mitzutheilen. Zu unserer
Linken waren die Gebirge von Camaboäo, dann die Serra Negra, welche
die Grenze zwischen den Comarcas von Rio das • Mortes und von Sabard
macht. Der Granit geht auf diesem Wege an mehreren Orten wieder zu
Tage aus, und auf ihm liegt, inS.W. streichend, der weisse quarzige oder
talkartige Glimmerschiefer. Am Wege zerstreut findet man nicht selten
einzeln eine kleine Palmenart(*), die eben jetzt in Blüthe stand, und von
den mannichfaltigsten Bienenarten umschwärmt wurde.
Wir verliessen die kleine Hütte, die uns an der Ponte do Paraö-
peba aufgenommen hatte, schon vor Tagesanbruch, um der Hitze der
Mittagsstunden auszuweichen. Die Gegend um uns her nahm immer mehr
einen grossartigen Charakter an, der uns an die vaterländischen Alpen
erinnerte. Die ganze Natur war frisch und neu erquickt; wir ritten unter
frohen Gefühlen durch den Morgennebel hin, und athmeten eine feine, kühle,
mit den Düften jener lieblichen Alpenblumen erfüllte Luft ein, welche sich
so eben im Grase neben uns, vom Thaue beperlt, öffneten. Die mannichfaltigsten
Formen von Rhexien, Melastomen, Declieuxien, Lisianthen
Compositen u. s. w. standen um uns herum. Wir waren schon hoch an den
Seitenästen der Serra de Congonhas, die sich in schönen Umrissen westlich
vor uns erhob, emporgestiegen, als die Nebel allmälig unter uns
sanken und die mannichfaltigen Kuppen der Gebirge, von den ersten Strahlen
der Sonne geröthet, aus dem grauen Luftmeere hervortraten. Eine
Menge von Anus-brancos Hess nächst uns aus den Campos ihre schreienden
Töne vernehmen. Dieser Morgen bot uns eine herrliche Erscheinung
d a r; wir genossen hier einen Sonnenaufgang, ähnlich dem auf
unseren Alpen, aber verschönert durch den Reichthum und Reiz der
tropischen Natur. Von dem höchsten Puncte des Gebirges führte uns
der Weg in ein tiefes und enges Thal hinab, in welchem wir über
den kleinen Fluss Congonhas setzten, der von da aus nach Westen
in den Paraöpeba fliesst. Vor uns erhob sich dann quer ein noch viel
steileres Gebirge, der Morro da Solidade, den die .Maulthiere auf einem
schmalen, glatten Fusspfade nur mit Mühe erklimmten. Von der
Höhe desselben breitete sich vor uns eine erhabene Fernsicht über ein
weitläufiges Land, durchschnitten von hohen und niedrigen Bergen,
grösstentheils mit Grasfluren, hie und da auch mit dunkelnder Waldung
bedeckt, aus; das Arraial das Congonhas do Campo mit seinen
(*) Cocos flexuosa Mart. Palm. bras. Fol. t. 82.