Gewinde von Paullinien, Securid&ken, Mikanien, Passifloren in unglaublicher
Mannichfaltigkeit der^Blumen prangend, durch die üppigen Kronen
der Celtis, der blumenreichen Rhexien- und Melastomenbäume, frischer
Bauhinien, zartgefiederter Mimosen, glänzender Myrten; dort bilden buschige
.Solanen, Sebastianien, Eupatorien, Crotonen, Aegiphilen und unzählige
andere Pflanzengestalten ein undurchdringliches Dickicht, woraus sich ungeheure
Stämme von wolletragendem Bombax, von silberblättrigen Cecro-
pien, stacheligen Brasilienholzbäumen, der Lecythis mit ihrer wunderbaren
topfahnlichen Frucht, schlanke Schäfte der Kohlpalme und viele andere,
zum Theil noch namenlose Coryphäen der Wälder erheben. Der majestätische
Anblick, die sanfte Ruhe und Stille dieser Wälder, welche nur durch
das Schwirren der bunten, von Blume zur Blume fliegenden Colibris und
durch die wunderbaren Töne fremdartiger Vögel und Insecten unterbrochen
wird, wirken mit einer Magie von ganz eigener Art auf das Gemüth des
gefühlvollen Menschen, der sich hier im Anblicke des herrlichen Landes
gleichsam neugeboren fühlt.
Die Quelle, welche der Aquaeduct nach der Stadt führt, stürzt an
einer Stelle in schönen Cascaden über die Granitfelsen herab. Stauden
von schiefblättrigen Begonien , von schlanken Costus und Heliconien, deren
rothe Blüthenschäfte mit einem eigenen Glanz aus der Nacht des Waldes hervorschimmern
, baumartige Gräser und Farnkräuter, überhängende Gebüsche
von blumenschweren Vernonien, Myrten und Melastomen zieren die kühle
Umgebung. Gross - und kleinflüglige Schmetterlinge spielen mit dem dahinrieselnden
Gewässer, und Vögel von buntem Gefieder wetteifern Morgens
und Nachmittags das Geräusch des Baches durch ihre mannichfaltigen Töne zu
überstimmen. Diese Quelle heisst Caryoca (*), und von ihr haben die
Eingebornen der Provinz von Rio de Janeiro den Namen der Caryocas,
den sie sich selbst mit Stolz, die Bewohner der übrigen Provinzen aber ihnen
(*) Caryoca, eigentlich Caryb-oca, bedeutet in der Sprache der eingebornen Brasilianer:
Haus der Weissen, Haus von Stein, und war wahrscheinlich der Name, womit die Indianer
die Wohnungen bezeichneten, welche die Portugiesen zum Schutze wider die brennenden Pfeile der
Ersteren aus Stein erbauten. Ensaio economico sobre o commercio de Portugal por Azeredo
Covtinho. Edit. 2. Lisb. 1815. 8. p. 6.
mit einer satyrischen Nebenbedeutung beilegen. Von den Umgebungen dieser
Quelle begeistert haben sich schon einige talentvolle Dichter von Rio de
Janeiro beeifert, durch Lieder die Najade zu feiern , welche ein so wohl-
thätiges Geschenk in die Vaterstadt herabführt. Oft labten wir uns hier,
von Anstrengung und Hitze ermattet, an dem frischen Gewässer und musterten
, von den belebten Bäumen beschattet, im Angesichte der fernen See,
unsere reiche Ausbeute an Vögeln, Insecten und Pflanzen. Unvergesslich
bleiben uns die Gefühle, welche hier in uns erwachten, und nur der ruhige,
in der Natur sich glücklich fühlende Mensch kann den Umfang der Seligkeit
ermessen, welche wir Fremdlinge aus Norden in so prachtvoller Umgebung
genossen. Nicht weit von der Quelle senkt sich das Thal von Laranjeiras
gegen die Vorstadt von Catete hinab. Der Wanderer wird erfreut durch
die bunte Mannichfaltigkeit, in welcher Gärten, neue Pflanzungen, Urwald
und zerstreute Landhäuschen in demselben abwechseln. In der Mitte des grünen
Abhanges und unweit von dem Wege schimmerte uns aus dem Gebüsche
eine einsame Hütte entgegen. Sie gehört dem Grafen von H ogendorp, der,
bedrängt von den Schicksalen der letzten Zeit, hier fern von Menschen und
Politik, im Umgänge mit der freien Natur seine Tage verlebt, und es nicht
unter der Würde hält, seine Subsistenz durch Bereitung von Kohlen aus
Bäumen seines Landgutes für die Stadt zu sichern. Wir hatten ihn schon
früher kennen gelernt, und bewunderten die Standhaftigkeit und den Charakter
eines Mannes, der entfernt vom Geräusche unstäter Verhältnisse,
in der kleinen Behausung und im Anblicke des von S. Helena herwogenden
Meeres sich glücklich fühlte.
Bei der Cascade der Caryoca verlässt der Weg die Wasserleitung
und geht über eine trockene, mit niedrigen Bäumen und Gesträuchen
besetzte Anhöhe zu dem Urwalde , womit der Rücken des Corcovado
bedeckt ist. Der schmale und steile Pfad leitet über mehrere Waldbäche.
Die Vegetation ist von unglaublicher Frische und Kraft; je höher
man aber steigt, desto seltener werden allmälig die grossen Stämme, und
desto mehr treten Bambusen und Farnkräuter, darunter auch ein schöner
Farnbaum von fünfzehn Fuss Höhe (*), hervor. Hat man sich endlich
(*) Polypodium corcoyadense. Raddi Synopsis filic. bras. Bonon. 1810. 4. p. 10. n. 76.