Dass bei der in ganz Brasilien verbreiteten Gewohnheit, nur Wald-
plätze, nachdem die Bäume abgehauen und verbrannt sind, zum Feldbaue
zu benützen, die Agricultur besonders in der an Campos so reichen
Provinz von S. Paulo noch nicht die verdiente Ausdehnung erhalten habe,
ist schon oben erwähnt worden. Die Mandioccawurzel gedeiht in dem
schweren, thonigen und kälteren Boden der mit Waldung bedeckten Niederung
nicht vorzüglich gut und fault leicht; der Mais dagegen trägt fast
überall • reichlich grosse und mehlreiche Hörner. Eine Frucht, der das
Erdreich und Klima hier besonders Zusagen, ist die Ananas; sie stehen
oft wild in ausgedehnten Strecken beisammen, und erlangen in eigenen
Anpflanzungen zunächst den Fazendas eine ausgezeichnete Grösse und einen
vortrefflichen Geschmack. Häufig werden sie frisch oder in Zucker eingemacht
als Nachtisch auf die Tafel gesetzt, und sogar ein sehr angenehmer
und gesunder Wein aus ihnen bereitet. Auch aus den Früchten der Ja-
buticaba (Myrtus cauliflora no&.), welche aus den Wäldern am Tiete
und am Paraiba in die Gärten der Ansiedler verpflanzt wurde, und unter
die besten Früchte des Landes gehört, wirdein angenehmer leichter Wein
gekeltert. Unser Wirth rühmte sich in der Kunst sehr erfahren zuseyn,
americanischen Wein zu machen, auch ward das Mahl gewöhnlich unter
dem Klange mit vaterländischem Sect gefüllter Becher beschlossen. Ausser
allen Gliedern der patriarchalisch-glücklichen Familie des Hauses nahm an
dem Mahle auch jeder Nachbar oder befreundete Fremde Theil, den sein
Weg vorbeiführte. Auf der Tafel erschienen einfache, aber reichliche
Schüsseln mit gesottenem Rind- oder Schweinefleisch, ein Braten von der
Paca, Cutia, dem Tajassü oder Tatu, welchen die Söhne des Hauses aus
den Wäldern heimgebracht hatten, hierauf die beliebte Canjica, endlich
eine Menge in Zucker eingemachte Früchte, die in Europa Gegenstand
des höchsten Luxus gewesen wären. In der frohen Gesellschaft erhob
sich zuletzt nicht selten ein Gast, um durch einige Verse aus dem Stegreif
Jemanden, besonders den Frauen ein Compliment zu machen, und die
ganze Gesellschaft ergoss sich dann, ohne Metrum und Assonanz zu prüfen,
in das Lob des Dichters wie derer, die er durch seine zierliche
Anrede gefeiert hatte.
Senhor F e r r e ir a bot uns an,, seine Gemahlin auf einer Reise nach
Curitiba zu begleiten, wo sie in einer ihm gehörigen Fazenda häusliche
Einrichtungen treffen sollte. Dieser Antrag hatte viel Reizendes für uns.
Der südliche Theil der Provinz von S. Paulo ist längs der Küste grössten-
theils gebirgig, ward früher fleissig des Goldes wegen bearbeitet, und bot
uns nicht weniger als der weiter gegen Westen gelegene Theil, welcher nach
den Nachrichten der Paulisten alle Schönheiten der Campos in einem hohen
Grade entfaltet, Gelegenheit zu den interessantesten Untersuchungen dar. Der
Reichthum an den mannich faltigsten Pflanzen, welche überdiess in den
Fluren viel leichter zu sammeln und aufzubewahren sind als in den Urwäldern,
und die Menge von grossen Raubthieren, besonders aus dem
Geschlechte der Onzen, wovon man uns erzählte , endlich die Salubrität des
Klima hätten uns auch wahrscheinlich bestimmt, die Reise noch weiter nach
Süden, in noch unbekannte, von keinem europäischen Reisenden besuchte
Gegenden, auszudehnen; allein wir fürchteten, zu wenig Zeit für die Untersuchung
des eigentlichen Minenlandes und der Capitanie von Bahia übrig
zu behalten oder die dafür geeignete Jahreszeit zu versäumen. Ausser
diesem Grunde bestimmte uns auch noch vorzüglich der Wunsch, recht
bald mit den Ureinwohnern Brasiliens bekannt zu werden, ein Wunsch,
den wir auf der Wanderung nach jenen Gegenden nicht leicht befriedigen
konnten. Die Indianer nämlich, welche bei der Besitznahme von S. Vicente
und S. Paul durch die Portugiesen diesen Strich inne hatten, sind bis auf
wenige, die wir in der Mission von Aldea da Escada antrafen, oder die
in den Kirchspielen von Pinheiros, S. Miguel, Itapearica und Carapi-
cuyba (zu S. Paulo), von 5. Joäo de Peruibe (zu Itanhaem), oder endlich
von Tacoaquegetüba (zu Mogy das Cruces gehörig) leben, gänzlich verschwunden
, und die wilden Nationen, welche zwischen dem Tiete und dem
nördlicheren Rio grande wohnen, so wie die Cames in den Grasfluren
von Guarapuäva am Rio Curitiba, sind in sehr geringer Anzahl vorhanden,
und in beständigen Streifzügen durch die Wälder begriffen, wo sie
den aus Goyaz herkommenden mächtigeren Cajapös nur ungerne begegnen.
Diese unbedeutende Zahl der Ureinwohner wird um so weniger befremden,
wenn man bedenkt, welche schreckliche Verwüstungen die durch die
Europäer verbreiteten Krankheiten von jeher unter ihnen angerichtet haben.