Wenn man jene niedrigen Inseln der Bai von Rio de Janeiro betritt,
so erstaunt man über die Kraft und Ueppigkeit ihrer Vegetation,
welche durch die niedrige Lage, die umgebende Feuchtigkeit und die
beträchtliche Hitze hervorgebracht wird. Die W älder, in welchen grössten-
theils dieselben Baumarten, wie am festen Lande, zwischen ihnen aber eine
verhältnissmässig viel grössere Anzahl von Palmen, besonders der beliebten
Kohlpalme Vorkommen, werden durch ein dichtes Gehölz fast undurchdringlich
gemacht. Die Raschheit, mit welcher die Pflanzenwelt hier ihre
verschiedenen Entwicklungen durchlebt und endlich ihrem Untergange durch
Fäulniss entgegengeht, ist eben so gross als der Trieb, mit welchem sich
neue Bildungen aus und über den Resten der untergegangenen erheben.
Auf und neben den grössten Stämmen, die gleich ungeheuren Skeleten
hingestreckt, plötzlich in den Zustand vegetabilischer Erde zurückkehren,
sieht man hier ein Heer von vielfarbigen Pilzen ((*) **) entstehen-, eine unendliche
Zahl von Saamen zu gleicher Zeit keimen und sich mit unglaublicher
Eile entfalten. Die Bilder des Todes und des regsten Lebens stehen hier in
schneller Aufeinanderfolge vor dem Auge des Wanderers. Die wenigen vom
Urwalde freien unbebauten Gegenden dieser fruchtbaren Inseln bieten wahre
Marschländer oder Savannen dar. Das Gras wächst äusserst dicht und erreicht
eine unglaubliche Höhe und Vollsaftigkeit. Demungeachtet haben die
Bewohner dieser und der beiden grösseren Inseln Ilha grande und Maram-
b aya, welche in der Angra dos R e y s liegen und ähnliche Beschaffenheit
zeigen, sich bis jetzt noch wenig mit der Zucht von Mastvieh, sondern mehr
mit dem Anbau von Mais, Indigo, Zucker und Taback beschäftigt. An den
Ufern, wo das Meer die Granitfelsen hie und da von der Decke gute#Dammerde
entblösst hat, tragen diese Inseln nicht selten dichte Haufen von Agave
und stacheligen Cactus, deren steife blattlose Stämme wunderbar gegen
den formenreichen üppigen Urwald abstechen. Die ländlichen Hütten sind
grösstentheils an der Küste angelegt und mit Bataten, Wassermelonen und
einem Wald von Acajü, Guyaba, Pisang, Orangen, Jasmin und Rosen umgeben.
(*) Euterpe edulis nob. Die jungen Blätter (Palmito) werden von diesen Inseln und
aus den Wäldern des Continentes häufig nach der Stadt zu Markt gebracht. — (**) Boletus
sanguineus Sw. Trichia expansa nob. Stemonitis fasciculata. Sphaeria deusta , serpens Pers. etc.
Als wir Nachmittags Rio de Janeiro verlassen hatten, waren wir der
Meinung'gewesen, noch am späten Abend die entgegengesetzte Küste der
Bai zu erreichen 5 allein ein plötzliches Nachlassen des Windes , nachdem
wir uns fast in der Mitte derselben befanden, benahm uns die Hoffnung,
die Nacht am festen Lande zubringen zu können. Wir folgten daher
dem Rathe unseres freundlichen allzeit munteren Führers, uns das Nachtlager
auf den harten Bänken der Cajüte einigermassen bequem zu machen.
Scherzend wünschte er uns Glück zu den Erfahrungen einer mühseligen
Campagne, welchen wir von heute an in dem neuen Lande entgegengingen;
wir hatten jedoch Gelegenheit an der immer frohen Laune des Weltumseglers
das zweckmässigste Gegenmittel gegen die unangenehmen Erfahrungen, die
noch vor uns lagen, kennen zu lernen. Die Nacht verstrich schnell unter
Entwürfen über unsere Thätigkeit während de3 Aufenthaltes in der Man-
diocca und bei den exstatischen Lobpreisungen, in welche unser Freund
ausbrach, wenn er von der friedlichen Einsamkeit seines Landgutes und
von der Fülle und Schönheit der dortigen Natur redete. Zum Leidwesen
der trägen Neger blieben wir die ganze Nacht hindurch munter und ermahnten
sie zu rudern, da wir uns nur auf diese Art, obgleich äusserst
langsanf fortbewegen konnten. Die Nacht war feucht und trübe; einige Male
wurden wir von dichten Schwärmen kleiner Mosquiten besucht, die jedoch
abwechselnd wieder vorüberzogen. Der Morgen dämmerte, und wir sahen
uns endlich in der Nähe eines sehr niedrigen, sumpfigen Landstriches, mit
Mangle-, Avicennia- , Conocarpus- und anderen kleinen Seeuferbäumen
besetzt, zwischen denen der Inhumerim, ein unbeträchtlicher Fluss, ins
Meer herabschleicht. Wir verliessen nun die Bai, und das Canot ward
von den Negern mittelst langer Stangen aufwärts geschoben. Bald sahen
wir uns überall von dichtem Gesträuche umgeben und konnten uns an
dem mannichfaltigen Wechsel der schönsten Gruppen erfreuen, welche
die vom Wasser eingefassten Hecken, durchschlungen von blüthenreichen
Gardenien, Bignonien, Serianien und Echites, darbieten. Ein grosser
Theil der Ufer der Bai ist mit ähnlichen amphibischen Waldungen bedeckt
, welche sich tiefer ins Continent nur da erstrecken , wo dieses
sich gar nicht oder nur unmerklich über das Niveau des Meeres erhebt.
Gleichwie die Grenze, von wo aus die Vegetation den Charakter gewisser
Theil I. 20