V. Bemerkungen über den ersten Zwischenwirt sowie die
Verbreitung und Epidemiologie der Opisthorchiasis.
Bithynia leachi S h e p p . gehört innerhalb der Ordnung P r o s o h r a n c h i a der Familie
Hydrobiidae an. Ih re Schale (T. VIII, Abb. 45 a u. b) unterscheidet sich bekanntlich von der
unserer viel häufigeren Bithynia tentaculata (T.VIII, Abb. 45 c) vorwiegend durch stärker
gewölbte Umgänge, tief eingezogene Nähte und eine mehr oder weniger deutliche Durchbohrung.
Der Deckel und die Mündung sind bei Bithynia leachi rundlich-eiförmig, bei Bi-
thynia tentaculata dagegen in eine obere Spitze ausgezogen. An lebenden Exemplaren
fallen bei Bithynia leachi die meist schwärzlieh-pigmentierten Fühler auf, während Bithynia
tentaculata im allgemeinen hellgelbliche Tentakel besitzt. Es werden zwei Formenkreise
von Bithynia leachi unterschieden, eine kleinere Form Bithynia leachi s. str. von
5—7 mm Höhe und eine größere troscheli P a a sch (inflata H ansen), die ffl—13 mm hoch
wird. Ich habe meine Versuche bisher nur mit der großen Varietät- vorgenomiuen und
muß die Frage offen lassen, ob auch die kleine Form für eine Opisthorchis-Intektion
empfänglich ist. Junge und halberwachsene Exemplare scheinen etwas leichter infizierbar
zu sein als alte. In der in Abschnitt II, S. 11 genannten, erfolgreich infizierten Serie
waren von den 37 jüngeren Exemplaren (Schalenhöhe: 5,0—7,0 mm) 8Öp befallen, von
den 15 älteren (Schalenhöhe 7 , g ä , l mm) dagegen nur $ 3 jO ) i e gleiche Erscheinung
ist schon wiederholt bezüglich des Trematodenbefalles anderer Schnecken berichtet worden.
Bithynia leachi bevorzugt klare Pflanzenreiche Gewässer, die langsam fließen oder
still stehen. Sie meidet, wie aus der Hamburgischen Elbuntersuchung auf Mollusken von
LESCHKE (1909) hervorgeht, im allgemeinen die detritusreichen Abwässergebiete und
Hafenbecken, die gerade ein Lieblingsaufenthalt der Schwesterform Bithynia tentaculata
sind. In Nordwestdeutsehland findet sich Bithynia leachi vorwiegend in den kleinen und
größeren Entwässerungsgräben der Marschländer und Talsenken. Sie tritt hier gewöhnlich
gemeinsam mit Bithynia tentaculata auf und ist in der Regel viel spärlicher als diese, so
daß bei der Auszählung von Netzfängen meist n ur einige Prozent der Bithynien auf den
Opisthorchis-Zwischenwirt entfallen. Nur an vereinzelten Stellen, z. B. auf der Elbinsel
Altenwärder, sah ich sie sehr zahlreich und selbst in größerer Menge als die Schwesterform
Vorkommen. Außer in Wassergräben, die offenbar das Hauptverbreitungsgebiet sind,
tritt Bithynia leachi auch spärlich auf den Schlamm- und Sandbänken im Gezeitengebiete
der Unterelbe und ihrer Nebenarme auf. Sie findet sich auch in größeren Seen, wird z. B.
in der kleinen Normalform von S ch e rm er (1930) als ständiger, wenn auch nicht sehr
zahlreicher Bewohner der ostholsteinischen Seen angeführt, während die große troscheli-
Form, die wohl mehr eine Bewohnerin der Gräben ist, dort fehlt. Von SziDAT wurde
Bithynia leachi auch vereinzelt im Kurischen Haff in Ostpreußen beobachtet. Gey er (1927)
kennzeichnet Bithynia leachi in seiner Molluskenfauna Deutschlands als selten und vereinzelt
auftretend. F ü r die nordwestdeutsche Tiefebene trifft das aber wohl nur bis zu
einem gewissen Grade zu. B o r c h e r d in c (1882) bezeichnet sie hier geradezu als häufig.
Bithynia leachi ist nach Geyer eine Art, die der E b e n e angehört. Sie fehlt im
mitteleuropäischen Hügel- und Gebirgsland, z. B. in Schlesien, Sachsen, Böhmen, Österreich
und Süddeutschland, abgesehen vom oberen Rheingebiet. Bezeichnenderweise ist aus
diesen Teilen bisher auch noch kein Vorkommen von Opisthorchis berichtet worden.
Die V e r b r e i t u n g von Bithynia leachi erstreckt sich nach Geyer und nach K o b
e lt von West- und Nord-Frankreich, Irland und England, ostwärts nach Süd-Schweden
und Finnland, durch Rußland hindurch nach Sibirien und Ostasien bis zum nördlichen
Kaukasus, Baikalsee, Amur und Kamtschatka. Südlich kommt sie in der oberrheinischen
Tiefebene, in Italien, Ungarn, Siebenbürgen, der Balkanhalbinsel, Rumänien, Ostrumelien
und Kilikien (Kleinasien) vor. Sie fehlt abgesehen von den schon genannten mitteleuropäischen
Ländern nach K o b e l t in Nordafrika und auf der Iberischen Halbinsel.
Wenn wir jetzt vergleichsweise einen Blick auf das V e r b r e i t u n g s g e b i e t von
Opisthorchis fclhwns werfen, so fällt eine ziemlich weitgehende Übereinstimmung mit
dem Vorkommen von Bithynia leachi auf, abgesehen vigjeicht von Siam, Indochina und
Japan. 0. felineus ist bisher aus folgenden Gegenden berichtet worden: Frankreich (Toulouse,
Alfort), Holland (Utrecht), Norddeutsche Küstenländer (Ostpreußen, Danzig, Hamburg),
Schweden, Rußland, Ungarn (Budapest), Italien (Pisa, Brescia), Rumänien (Donaudelta),
Sibirien (Ob, Irtysch, Dnjepr), Tonkin, Siam und Japan.
Das Vorkommen in T o n k i n ist durch eine Mitteilung von V e r d u n und B r u y a n t (1908) bekannt geworden,
die in der Leber eines Annamiten neben Olonorchis sinensis stachellose Opislhorchiiden vom typischen Aussehen des „felineus“
fanden. P r o m m a s (1927) traf eine ebenfalls mit 0 . felineus übereinstimmende Form (mit glatter Haut) bei der
Sektion eines S i am e s e n an. In Indien leben aber noch einige O. felineus sehr ähnliche Arten, die sich dadurch auszeichnen,
daß ihre Haut auch im erwachsenen Zustande b e s t a c h e l t ist:
0. viv errini ( P o i r i e r , 1886), gefunden bei Felis viv errina und bei Menschen in Siam, offenbar auch ein häufiger
Menschenparasit Französisch-Indochinas (Mo y e n L a o s , nach B é d i e r und C h e s n e a u , 1929, falls e s sich hier nicht
um O. felineus handelt): Amphimerus n o v en a ( B r a u n , 1903), B a r k e r , 1911, beim Menschen in Calcutta angetroffen
und Paropisthorehis caninus ( B a r k e r , 1911), S t e p h e n s 1912 aus Straßenhunden Indiens. L e i p e r (1913) hält die
beiden letzten Arten für eine Spezies: Opithor chis n o ven a . Zweifellos bedürfen alle d iese Opisthorchis arten Indiens und
Indochinas noch einer eingehenden systematischen Klärung. Bezüglich des Vorkommens von O. felineus in Japan fand ich
nur eine Notiz von B r a u n (1893): „Dort lebt aber auch Dislomum felineum R i v., w ie ich aus einigen Exemplaren, die
mir Herr Geheimrat L e u c k a r t unter diesem Namen übersandt hat, ersehe.“
0. felineus kommt ebenso wie sein Zwischen wir t vorwiegend in den E b e n e n vor,
vorzugsweise in den N i e d e r u n g e n und De l t a s größerer Ströme. Diese Verteilung
trifft übrigens nach den Kartenbildern F au st und K haw s in ähnlicher Form auch für
den chinesischen Leberegel Clonorchis sinensis zu. Bithynia leachi dürfte nach meinen
Versuchen innerhalb Mitteleuropas der einzige Zwischenwirt für O. felineus sein. Es ist
aber sehr wohl möglich, daß in anderen Gebieten, besonders im tropischen Siam und
Indochina, andere Bithynia-Arten in Frage kommen.
Die E p i d emi o l o g i e der Opisthorchiasis ergibt sich aus dem Entwicklungszyklus
des Parasiten sowie den Lebensgewohnheiten der Wirte und Zwischenwirte. Die 4 Hauptfaktoren
sind folgende:
1. D a s V o r k omme n v on B i t h y n i a l e a c h i o de r e i ne s a n d e r e n g e e i g n
e t e n S c h n e c k e nw i r te s .
2. D ie G e g e nw a r t emp f ä n g l i c h e r F i s c h a r t e n . Da die zahlreichen in Frage
stehenden Arten über eine sehr weite Verbreitung verfügen, eine viel weitere als die