er sich abstützen kann, sei es nun der feste Boden oder das Wasser, daß sich a b e r der Vogel
beim Fluge dieses Widerlager erst durch seine Flügelbewegung schaffen muß Bei der
Betrachtung der Atembewegungen, die der Vogel ausführt, wenn ihm ein festes W iderlager
gegeben ist, sind nach den vorherigen Ergebnissen zwei Bewegungsformen zu unterscheiden:
Pinmal ist die Bewegung der ventralen Thoraxteile zu untersuchen; sie tritt auf wenn der
Rücken festgestellt ist, beim Stehen und Gehen. Dem gegenüber muß davon die Atembewegung
der dorsalen Thoraxteile unterschieden werden. Diese Bewegung tritt dann auf wenn
das Sternum festgestellt ist; das wäre der Fall, wenn der Vogel entweder auf festem U ntergrund
oder auf dem Wasser liegt. Daran schließen sich die Untersuchungen über das Tau-
chen an.
D ie At emb ew e g u n g b e im St e hen.
Die Bewegungen der Thoraxknochen b e i m Atmungs Vorgang im Stehen waren oben nach
allen Seiten hin untersucht und experimentell festgelegt. Es besteht nun die Frage welche
Muskeln diese Bewegung ausführen. Im myologischen Teil war bereits die Funktion der
eigentlichen Brust- und Bauchmuskeln geklärt. Ungewißheit bestand noch über die Muskulatur,
die Sehultergürtel und Humerus mit dem Thorax verbinden.
Es sollen zunächst einmal die Muskeln in Betracht gezogen werden, die an der E inatmung
beteiligt sein können. Der M. serratus superficialis mit seinen beiden Teilen pars
anterior (Nr. 21) und pars posterior (Nr. 8) kann nur dann als Einatmungsmuskel wirken,
wenn die Scapula als feststehend angesehen wird. Wird der Muskel elektrisch gereizt so
zieht er (pars posterior) die Scapula herab. Dieses Ergebnis ist zwar nicht allein ausschlaggebend,
da der einzelne Muskel nicht gegen die gesamte andere Atmungsmuskulatur wirken
kann; aber das Ergebnis erlaubt auch nicht, den Muskel als reinen Inspirator zu bezeichnen
E r soll deshalb als Hilfsatemmuskel bezeichnet werden.
D i e Bedeutung der Mm. rhomboidei (Nr. 5 u. Nr. 20) für die Einatmungsbewegungen
ist nicht klar einzusehen. Die Scapula wird von dem Coracoid mitgefuhrt. Wenn eine aktive
Bewegung der Scapula stattfinden sollte, so wäre dazu der M. rhomboideus profundus
(Nr. 20) fähig; er könnte die Scapula nach vorn und oben ziehen und damit die Wirkung des
M. serratus superficialis unterstützen. Insofern würde er indirekt zu der Atembewegung
beitragen.
Es wäre nun noch die Frage zu untersuchen, ob die Mm pectoralis (Nr. 1) und supra-
coracoideus (Nr. 4) bei der Atembewegung mitwirken. Bei der Einatmung findet eine Strek-
kung des Winkels zwischen Coracoid und Sternum statt. Man kann diese Bewegung, wie
oben geschehen, als passive Auswirkung der Sternumhewegung ansehen. Es besteht aber
auch grundsätzlich keine Schwierigkeit darin, die aktive Wirkung der beiden Brustmuskeln
bei der Einatmung mit verantwortlich zu machen. B a e r (1896) hat sich gegen diese Vorstellung
gewandt: „Die Pectoralmuskeln selbst beteiligen sich an der Atmung nicht. Andere
Autoren sehen eine Beeinflussung der Pectoralmuskeln auf das Atmungsgeschaft nur
im Fluge. Man muß dabei berücksichtigen, daß von früheren Autoren eine Streckbewegung
des Coraeo-Sternal-Gelenkes und ein Auseinanderweichen der Coracoide bei der Atmung
nicht wahrgenommen worden war. Infolgedessen konnte auch auf eine Mitwirkung
der großen Brustmuskeln nicht geschlossen werden.
Meine Ergebnisse hinsichtlich der Wirkungsweise der Einatmungsmuskeln sind alle
durch elektrische Reizungen nachgeprüft worden. Eine Reizung des großen Brustmuskels
ergab eine deutliche Auseinanderziehung der Coracoide. Auch bei Reizung des vollkommen
freigelegten M. supracoracoideus tra t ein deutliches Auseinanderweichen der Coracoide
ein. Das geschah auch dann noch, wenn die Insertionsstelle am Humerus abgetrennt war. —
Es wurde hierbei noch festgestellt, daß das durch Reizung der Brustmuskeln hervorgerufene
Auseinanderweichen der Coracoide beträchtlich größer war als bei der gewöhnlichen
Atmung. Das läßt den Schluß zu, daß die Brustmuskeln bei der normalen Atmung wenig
oder überhaupt nicht in Funktion treten; aber die Mögl ichkeit ihrer Mitwirkung ist damit
festgelegt. — Die übrigen Muskeln, die den Thorax mit dem Humerus verbinden, spielen
beim stehenden Vogel im Atemmechanismus keine Rolle.
S c h em a d e r Atmu n g smu s k e l n .
Danach würde sich ein Schema der Einatmungsmuskulatur beim stehenden Vogel ergeben,
wie es Abbildung 68 Tafel I I I zeigt. Die gestrichelten Linien zeigen Muskeln an, die
nur unter gewissen Umständen für die Einatmung eine Bedeutung erlangen dürften. Danach
fungieren als Einatmungsmuskeln: M. scalenus (Nr. 29) mit M. teres (Nr. 30), Mm.
levatores costarum (Nr. 31), Mm. intercostales externi (Nr. 24), M.sternocoracoideus (Nr. 10),
Mm. costo-sternales (Nr. 33) und Mm. interappendiculares (Nr. 28). Es wären ferner als Hilfseinatmungsmuskeln
zu nennen: M. serratus superficialis pars anterior (Nr. 21) und pars
posterior (Nr. 8) und möglicherweise noch M. rhomboideus profundus (Nr. 20) sowie M. pectoralis
(Nr. 1) und supracoracoideus (Nr. 4).
Die Brustkorbverengerung kann durch die gesamte Bauchmuskulatur durchgeführt
werden. Dazu kommen von den Brustkorbmuskeln die Mm. intercostales interni (Nr. 32),
fernerhin der M. serratus profundus (Nr. 22) und M. rhomboideus superficialis (Nr. 5)
als Hilfsausatmungsmuskel im selben Sinne, wie der M. rhomboideus profundus (Nr. 20)
und M. serratus superficialis (Nr. 21 u. Nr. 8) als Hilfseinatmungsmuskeln bezeichnet worden
sind. Es würde dann die Scapula und damit auch die dorsale Spitze der Coracoide nach
oben und hinten gezogen werden. In den Fällen, in denen der M. ilio-costalis (Nr. 25) an den
Rippen inseriert, muß auch er an der Ausatmung beteiligt sein.
Danach ergibt sich fü r die Ausatmungsmuskeln ein Schema, das durch Abbildung 69
Tafel I I I verdeutlicht ist. Es gehören danach zu den Ausatmungsmuskeln: Mm. intercostales
interni (Nr. 32), M. obliquus externus (Nr. 11), M. obliquus internus (Nr. 13), M. quadratus
lumborum (Nr. 12), M. rectus abdominis (Nr. 26), M. transversus abdominis (Nr. 27) und
M. transverso-analis (Nr. 14); schließlich müssen bedingungsweise hinzugefügt werden, etwa
als Hilfsausatmungsmuskeln: M. serratus profundus (Nr. 22), M. rhomboideus superficialis
(Nr. 5) und dann noch M. ilio-costalis (Nr. 25).
A tm u n g sm e c h a n i k be i A u s s c h a l t u n g v o n Mus ke l n.
Die folgenden Versuche, die sämtlich an narkotisierten Tauben ausgeführt wurden,
sollten die Wirkungsweise der einzelnen Muskeln zeigen. In Versuch 1 wurde die gesamte
Bauchmuskulatur vom Thorax losgetrennt. Das Peritoneum blieb dabei unverletzt. Dabei
wurde eine Atmungsfrequenz von 37 pro Minute gemessen. Das Ergebnis war, daß durch
Ausschaltung der Bauchmuskeln weder in der Rückenlage noch im Stand die Atmung eine
wesentliche Störung erfährt. Die Sternumbewegung in der Rückenlage ist außerordentlich
groß. Nach der oben wiedergegebenen Vorstellung war ja die schwächere Sternumbewegung
in der Rückenlage dadurch zustande gekommen, daß die Eingeweide mit ihrem Gewicht
eine ausgiebige Bewegung des Sternums nicht zuließen. Diese Vorstellung findet hier
Zoologica, Heft 88. 5