Leber war nicht festzustellen. Das andere Exemplar enthielt 45 Tage nach der Infektion
sehr kleine junge Redien in der Leber. So gering diese Befunde schienen, gaben sie doch
Anlaß, B. leachi weiterhin besondere Beachtung zu schenken. (Ein später vorgenommener
Vergleich der erwähnten Sporocysten und Redien, die seinerzeit durch Skizzen und
Messungen festgehalten worden waren, mit den in der Folgezeit einwandfrei festgestellten
Entwicklungsstadien von Opisthorchis h a t übrigens ergeben, daß es sich in den beiden
Fällen tatsächlich um junge Stadien der Opisihorc/m-Entwicklung gehandelt haben dürfte.)
H a u p t v e r s u c h e : Alle bisherigen Versuche sind bei Zimmertemperatur von etwa
18—20° C vorgenommen worden. In der Folgezeit ging ich versuchsweise zu höheren
Temperaturen über, indem ich die Schneckenbehälter in gleichmäßig geheizten Räumen
unterbrachte oder durch selbstregulierende elektrische Tauchheizer erwärmte. In der
freien Natur sind an besonnten Stellen flacher Gräben und Tümpel Sommertemperaturen
von 25° C und mehr keine Seltenheit, und es schien denkbar, daß die Opisthor chis-TÜnt-
wicklung in der Schnecke gerade durch solche erhöhte Wassertemperaturen begünstigt
oder überhaupt erst ermöglicht wird.
Am 2. November 1931 wurden mehrere hundert Bithynia tentaculata und einige
Bithynia leachi mit Opisthor chis-J&iern gefüttert und dann in einen Holztrog überführt.
Die Wassertemperatur wurde während der Infektion und im weiteren Verlaufe des Versuches
auf durchschnittlich 24° C gehalten. Dem Schneckenbehälter wurden zwei ca. 8 cm
lange Goldschleien (Tinea tinca var. chrysitis) zugesetzt, die eine (Nr. 1) am 11. Dezember,
die andere (Nr. 2) Anfang Januar. Die beiden Fische waren zusammen mit acht anderen
Goldschleien von einer Berliner Zierfischhandlung bezogen worden. Fünf Fische der Sendung
wurden als Kontrollen untersucht; sie zeigten keinerlei Befall mit Metacercarien.
Dem Behälter wurde in der Folgezeit mehrmals aus den oberen und mittleren Schichten
Wasser entnommen und auf Cercarien untersucht. Es fanden sich stets nur zwei Cercarien-
Arten, die mit Sicherheit in keinem Zusammenhänge mit der Opisthor chis-^ntwick\ung
standen, sondern zweifellos von einer Trematoden-Invasion herrührten, die vor dem Versuche
im Freien erworben worden war. Die eine Art war eine Holostomiden-Cercarie mit
der charakteristisch gewinkelten Haltung des Gabelschwanzes, wie sie die Cercarie von
Hemistomum spataceum zeigt ( S z i d a t 1924), die andere stimmte in ihrem Baue mit der
von M a t h i a s beschriebenen Cercarie von Psilotrema spiculigerum aus Bithynia tentaculata
überein. Am 26. J an u a r 1932 - S 85 Tage nach der Infektion der Schnecken —
wurde die Goldschleie Nr. 1 untersucht. Zu meiner Überraschung war die gesamte Muskulatur
des Fisches mit ungeheuren Mengen encystierter Metacercarien durchsetzt. Die
ovalen Cysten bestanden aus zwei Hüllen, einer äußeren vom Wirtsgewebe abstammenden
Kapsel und einer inneren homogenen Membran, der eigentlichen Cystenhülle des P a ra siten.
Die Metacercarien enthielten eine ovale, schwärzlich erscheinende Exkretionsblase,
die mit kleinen rundlichen Körperchen angefüllt war. Die Größe der inneren Cystenhülle
betrug 220—230 fx: 145—160 ix, stimmte also mit den von C i u r e a für Opisthorchis-Cysten
angegebenen Maßen überein. Auch der feinere Bau der Metacercarien, auf den hier noch
nicht eingegangen werden soll, rechtfertigte in jeder Weise den Verdacht, daß es sich um
Opisthorchis-Stadien handelte.
Ein Teil der Cysten wurde an eine junge Katze verfüttert, deren Entleerungen vorher
frei von Opisthorchis-Eiern befunden worden waren. Als das Versuchstier neun Tage
später geopfert wurde, fanden sich in den kleinen Gallengängen der Leber zahlreiche junge,
noch nicht geschlechtsreife 0 . felineus vor, von denen ein Exemplar auf T. VII, Fig. 40
dargestellt ist. Die zweite Goldschleie, die am 24. Februar untersucht wurde, enthielt die
gleichen encystierten Metacercarien in großer Zahl. Durch ihre Verfütterung konnten in
einem Hunde und in acht weißen Mäusen erwachsene Opisthorchis herangezüchtet werden.
Unmittelbar nach der Auffindung der Metacercarien in der ersten Goldschleie habe
ich natürlich versucht, der Cercarien habhaft zu werden, die den Befall des Fisches verursacht
haben mußten. Sämtliche Schnecken dieser Versuchsserie, 210 B. tentaculata und
9 B. leachi, wurden am 27. Jan u a r — jede A rt für sich in eine Glasschale gesetzt.
Wider Erwarten schlüpften, abgesehen von den beiden schon erwähnten unverdächtigen
Formen, weiter keine Cercarien aus. Indessen ergab am nächsten Tage die Zerlegung von
vier B. leachi einen bemerkenswerten Befund. Die Verdauungsdrüse einer der Schnecken
enthielt weißlich durchscheinende Redien in verschiedenen Altersstufen und langgeschwänzte
Cercarien mit zwei Augenflecken, von denen nur wenige Exemplare annähernd
reif zu sein schienen. Die Mitte des Cercarienkörpers wurde von einer Gruppe von ca.
20 Drüsenzellen eingenommen, deren Ausführungsgänge, zu vier Bündeln vereinigt nach
vorn ziehend, an der Dorsalseite des Kopfes ausmündeten. Der Mundsaugnapf war kräftig
entwickelt und konnte in seiner vorderen Pa rtie ausgestülpt oder zurückgezogen werden.
Ein Bauchsaugnapf war nicht deutlich erkennbar. An seiner Stelle fand sich nur eine
Gruppe undifferenzierter Zellen und über dieser eine geringfügige Einziehung der ventralen
Körperbedeckung. Die Haut des Körpers war von parallelen Querreihen feiner
Dornen besetzt; die hintere Pa rtie des Körpers enthielt eine große nierenförmige oder
ovale Exkretionsblase, die sich durch eine dicke Wandung auszeichnete. Der lange Ruderschwanz
trug eine zarte dorsoventrale Membran mit feinen Querfalten. Die von einem
lebenden Exemplar genommenen Maße waren folgende: Körper, mäßig kontrahiert, 126 ¡x
lang; Schwanzlänge 424 [x, Breite der dorsalen Schwanzmembran 26 |x, die der ventralen
16 fx. Sehr charakteristisch war die Haltung der am weitesten entwickelten und schon gut
beweglichen Cercarien. Sie nahmen in Ruhelage die Form einer „Tabakspfeife“ an. Es
gelang bei einem Exemplar, das Exkretionssystem in allen Einzelheiten aufzuzeichnen
(Abb. 14) und so den Schlüssel zu einem Vergleich mit der Opisthorchis-Metacercarie zu
finden, deren Exkretionssystem mir durch das Goldschleien-Material bekannt geworden
war. Von der Exkretionsblase der Cercarie führten zwei Hauptstämme nach vorn, die sich
dicht hinter den Augenflecken in einen kurzen vorderen und einen langen hinteren Ast
teilten. Der vordere trug eine Gruppe von fünf Wimpertrichtern, der hintere vier Gruppen
von ebenfalls fünf Terminalzellen. Ganz den gleichen Typus des Exkretionssystems zeigte
auch das Exkretionssystem der Opisthorchis-Metacercarie (T. V, Abb. 30), nur m it dem Unterschiede,
daß die hinteren vier Gruppen bereits sechs Wimperzellen enthielten. Hierdurch
schien der Verdacht begründet, daß ich tatsächlich die gesuchte Opisthorchis-Cercarie vor
mir hatte; und meine späteren Versuche haben diese Annahme vollauf bestätigt. F ü r ein
Infektionsexperiment mit diesen Cercarien bot der mangelhafte Reifezustand wenig Aussicht
auf Erfolg, und ein Versuch, die Cercarien in einen Goldfisch eindringen zu lassen,
schlug, wie zu erwarten, fehl. Weitere Resultate ließen sich aus dieser Versuchsserie mit
Bithynia tentaculata und Bithynia leachi nicht gewinnen, da die restlichen Schnecken
innerhalb weniger Tage einem Massensterben zum Opfer fielen. In dem geschilderten Experiment
schien es zum ersten Male gelungen zu sein, auf dem Experimentalwege den
ganzen Opisthorchis-Zjklus vom Ei über die Schnecke und den Fisch bis zum Endwirt
darzustellen. Wenn die Ergebnisse auch lückenhaft geblieben waren, insbesondere keine
volle Sicherheit über die Natur der Opisthorchis-Cercarie gebracht hatten, so konnte doch
Zoologica, Heft 86. 2