c) Die tertiären Schwanzlurche.
1. Orthophyia.
In den Schichten des T e r t i ä r s beginnen die Urodelenreste häufiger zu werden, und
besonders H. v. Meyer hat viele dieser Reste beschrieben. Über eine Gattung, welche zu
Proteus anguineus, Necturus maculosus, Palaeoproteus klatti und vielleicht Hylaeoba-
trachus croyi Beziehungen aufweist, berichtet er 1845 und gibt ihr den Namen Orthophyia.
Diese Reste stammen aus den obermiozänen Schichten Oeningens und sind somit
jünger als die Reste des Geiseltales. Es sind 2 Arten bekannt. Die eine, Orthophyia longa
Mey er , war ein 31 cm langer Schwanzlurch, von dem keine Gliedmaßen gefunden wurden.
Hinter einem verhältnismäßig kleinen, schlecht erhaltenen Schädel, befinden sich 52 53
amphicoele Wirbel, die Processus transversi nicht erkennen lassen. An deren Stelle ist eine
Knochenplatte vorhanden, der Wirbel ist also dem des Olmes ähnlich. Der Unterkiefer
ähnelt dem des Palaeoproteus klatti und ist wie dieser sehr hoch; im Gegensatz zu dem
Geiseltalolm sind aber die Sockel der Zähne bei Orthophyia unten nicht gespalten. Besonders
wichtig ist aber die Angabe H. v. Mey er s , daß sich die Schädelknochen noch über
den ersten Wirbel hinaus erstrecken; ein Opisthoticum muß also die Condyli überragt
haben. Aus dieser Beschaffenheit der Regio otica geht die Beziehung zum Furchenmolche,
Olm und auch zum Altolm mit Sicherheit hervor; es handelt sich um eine wasserbewohnende,
perennibranchiate Schwanzlurchart, die, wenn ich die Abbildungen richtig deute,
auch einen Oberkiefer besaß. Von der zweiten Art Orthophyia solida Meyer aus den gleichen
Schichten fand man nur einen Wirbelsäulenrest, der im Bau der Wirbel einige kleine
Abweichungen auf weist, die eine Vereinigung beider Reste in der gleichen Art nicht angebracht
erscheinen ließen.
Im Habitus und im Besitz deutlicher Opisthotica stimmt die Gattung Orthophyia mit
Proteus ziemlich überein, unterscheidet sich aber durch den Besitz eines sehr hohen Unterkiefers
und eines verknöcherten Oberkiefers von dieser Art; auch Glied maßen sind nicht
bekannt. Somit können wir gewisse Ähnlichkeiten mit Palaeoproteus klatti feststellen,
von dem es aber durch die Spaltung der Sockel der Zähne, das Fehlen von Hypapophysen
am Wirbel und das Fehlen verknöcherter Zungenbeine unterschieden ist. Es ergibt sich
somit, daß die Gattung Orthophyia M e y e r gerechtfertigt ist, wenngleich genetische Beziehungen
zu den erwähnten Arten als sicher angenommen werden müssen.
2. Die „Andriasreste“ und Vergleich der rezenten Cryptobranchier mit diesen.
Wohl zu den berühmtesten Fossilien überhaupt gehören die Reste des Riesensalamanders.
Über die wechselvollen Deutungen dieser Versteinerung ha t H. v. M e y e r (1845, 1859
bis 1861) ausführliche Schilderungen gegeben und verschiedene Reste dieses rund 1,25 m
langen Schwanzlurchs unter dem Namen Andrias scheuchzeri T s c h u d i beschrieben und
dabei auf die Ähnlichkeit mit dem japanischen Riesensalamander Megalobatrachus maxi-
mus S c h l e g e l hingewiesen. Die Anatomie dieses Urodelen hat O s a w a (1902) eingehend
erörtert, und wenn ich diese Darstellung mit den Beschreibungen des fossilen Riesensalamanders
vergleiche, so erscheint es mir ungerechtfertigt, diesen in eine besondere Gattung
einzureihen. Leider war es mir nicht möglich, Stücke des Megalobatrachus scheuchzeri
T s c h u d i nachzuprüfen und mit einer größeren Reihe rezenter Megalobatrachus-Schädel
zu vergleichen. Ich vermag daher nicht mit endgültiger Sicherheit zu entscheiden, ob nicht
sogar der fossile und der rezente Vertreter dieser Gattung zur gleichen A r t gestellt werden
müssen, was mir sehr wahrscheinlich ist. H. v. M e y e r hat einen Vergleich der Schädel
beider Arten bereits vorgenommen, und er füh rt an, daß Unterschiede im Längenbreitenverhältnis
vorhanden seien. Aus der Sammlung des Zoologischen Institutes Halle konnte
ich 2 Skelette von Megalobatrachus maximus S c h l e g e l heranziehen und fand folgende
Maße:
G e sam tlä n g e Q u a d ra tb re ite ™ 2 ^ ^ ' Z y g om a ticb re ite
990 cm 11,7 cm 12,5 cm 106,8 10,2 cm
725 cm 9,0 cm 8,4 cm 93,3 8,2 cm
Schon diese Zahlen ergeben deutlich, daß die Verschiedenheit innerhalb der gleichen
Art nicht unbeträchtlich ist und führen zu dem Schluß, daß die Schädelbreite nicht als ein
systematisch wichtiges Merkmal angesehen werden kann. Auch die anderen von v. M e y e r
angeführten Unterscheidungsmerkmale wie die Stellung der Quadrata und Unterschiede in
der Gestalt der Beinknochen scheinen mir nicht stichhaltig, um eine eigene A rt aufzustellen.
Aus den untermiozänen S c h if te n von Hott hat H. v. M e y e r (1859 1861) eine
weitere Riesensalamanderari als Andrias tschudii beschrieben. Diese Art unterscheidet
sich von Megalobatrachus scheuchzeri vor allem durch geringere Körpergröße, durch eine
höhere Zahl der praesacralen Wirbel, einen etwas schmaleren Schädel und eine kürzere
Hand. Die Art ist nur in einem Rest bekannt geworden. Die Länge des Tieres beträgt annähernd
50 cm, war also Cryptobranchus alleghaniensis ähnlich, während Megalobatrachus
scheuchzeri rund 120 cm Länge erreichte und von Megalobatrachus maximus Stücke bekannt
wurden, die mehr als 150 cm maßen ( S c h n e i d e r 1926). Da diese Übereinstimmung
in der Körpergröße zwischen Megalobatrachus tschudii und Cryptobranchus alleghaniensis
festgestellt wurde, sei zunächst ein V e r g l e i c h des S c h ä d e l b a u e s zwischen Megalobatrachus
maximus und Cryptobranchus alleghaniensis eingeschoben.
Die Anatomie von Cryptobranchus alleghaniensis hat K e e s e (1906) eingehend untersucht.
Aiis dieser Beschreibung geht eine große Übereinstimmung zwischen Megalobatrachus
und Cryptobranchus im Grundplan der Schädel hervor, was ja auch schon T s c h u d i
(1835) zu dem Hinweis veranlaßte, daß Cryptobranchus ein Megalobatrachus im Kleinen
sei. Es ist ja bekannt, daß C. alleghaniensis eine derotreme Urodelenform darstellt, während
bei Megalobatrachus das Kiemenloch nach der Verwandlung geschlossen wird, diese
Art also nicht zu den derotremen Urodelen gerechnet werden kann. Im Vergleich zu Megalobatrachus
maximus bleibt Cryptobranchus auf einem früheren Entwicklungsstadium stehen
und auch der Schädelbau zeigt mehrere larvale Züge. D u n n (1922) hat als wichtigsten
Unterschied beider Arten angegeben, daß bei Megalobatrachus 2 Kiemenbögen erhalten
bleiben und das Frontale die Nasenöffnung nicht erreicht, während bei Cryptobranchus
alleghaniensis 3 Kiemenbögen zeitlebens vorhanden sind und das Frontale die Nasenöffnung
mit begrenzt. Die höhere Zahl der Kiemenbögen bestätigt zunächst die Angabe,
daß Cryptobranchus eine larvalere Form ist, was ja auch durch den Besitz des Kiemenloches
angezeigt wurde. Ebenso finden die Unterschiede in der Art der Begrenzung des
Nasenloches eine Deutung. Aus den Untersuchungen A o y a m a s (1930) und E r d m a n n s (1933)
wissen wir, daß das Os nasale verhältnismäßig spät als dicht neben dem Zwischenkiefer
auftretende Verknöcherung bemerkt wird und von dort aus nach den Schädelseiten sich
erstreckt. Besonders bei einem Vergleich der Abbildungen P a r k e r s (1882) wird deutlich,
daß der Unterschied zwischen Megalobatrachus maximus und Cryptobranchus alleghani-
Zoologien, Heft 87.