mit den grundsätzlichen Anschauungen von Headley. Merkwürdigerweise deutet aber Groebbels diese klaren Ergebnisse
folgendermaßen: „Mit dem Niederschlag wird der Brustkorb seitlich komprimiert, der Rücken weicht nach oben, das Sternum
nach unten aus, der Sagittaldurchmesser der Brusthöhle nimmt zu. Mit dem Aufschlag hingegen ziehen die Flügel den
Brustkorb in transversaler Richtung auseinander, Wirbelsäule und Sternum werden einander genähert. Wir können auch
nach diesem Befunde die Vorstellung beibehalten, daß der Niederschlag die Exspiration, der Aufschlag die Inspiration bedeutet.
Auch brauchen wir nicht anzunehmen, daß diese Brustkorbbewegungen aktiver Natur sind, sie können rein passiv
durch die Flügelbewegungen zustande kommen.“
Wenn wir uns vorstellen, daß eine Erweiterung im Sternum-Rücken-Abstand mit Kompression der Rumpfhöhle in transversaler
Richtung einhergeht, und daß das Sternum der Wirbelsäule genähert wird, während der Brustkorb transversal
erweitert wird, so ist daraus durchaus nicht zu erkennen, in welcher Bewegungsphase der Rumpfhohlraum am größten ist.
Groebbels nimmt an, er sei dann erreicht, wenn Rücken und Brustbein sich einander nähern. Damit tritt er mit seiner
Annahme in vollen Gegensatz zu allen Beobachtungen und Experimenten, die ausnahmslos zeigen, daß eine Einatmung bei
Vergrößerung des Rücken-Sternum-Abstandes eintritt. Es ist auch nicht ersichtlich, woraus Groebbels diese Annahme
ableitet. Die anatomischen Verhältnisse beweisen jedenfalls das Gegenteil. Es war gezeigt, daß die Gelenke der Rippen an
den Wirbeln und am Sternum so gestellt sind, daß eine Entfernung des Sternums vom Becken gleichzeitig eine Verbreiterung
des Thorax bewirkt. Allerdings schreibt Groebbels über diesen Bewegungsablauf: „Die Bewegung des Rippenbogens
erfolgt im Vertebralgelenk um eine Achse, die von vorne nach hinten verläuft, im Sternalgelenk um eine quere Achse.“
Nach dieser Vorstellung, die wir genau ebenso bei Magnus (1896) finden, müßte im Gelenk zwischen den Sternal- und Vertebralrippen
eine Drehung auftreten, die wenig denkbar erscheint vor allem bei so ausgebildeten Gelenken, wie e s z. B. bei
Dryobales major (Abb. 76) auftritt. Auch ist weder die Lage der Achsen im Vertebral- und Sternalgelenk so zu erkennen,
noch eine derartige Bewegung zu beobachten. Groebbels gibt nicht an, welche Muskeln seiner Meinung nach die Rippen
zu diesen, den Gelenken widersprechenden Bewegungen veranlassen könnten. Die Flugmuskeln setzen jedenfalls nur am
Sternum und dem Schultergürtel an; nur der überall schwache M. serratus superficialis metapatagialis zieht von den Rippen
zur Flughaut. Es ist nicht gut denkbar, daß dieser schwache Muskel gegen alle anderen Atmungsmuskeln wirken und sogar
noch die Rippen anders leiten könnte als die Gelenke vorsohreiben.
D ie e i g e n e n E x p e r ime n t e .
Aus diesen kritischen Betrachtungen der bisherigen Vorstellungen geht hervor, daß
noch keine der zahlreichen Theorien alle F ragen über das Problem Flug und Atmung beantworten
kann. Deshalb habe ich versucht, durch neue Experimente zur K lärung des ganzen
Fragenkomplexes beizutragen.
D i e T h o r a x b ew e g u n g : Die erste Frage, die beantwortet werden sollte, ist die: F in det
beim Fluge eine Atembewegung sta tt oder nicht? — Die Versuchsmethode war in der
Grundanordnung derjenigen früherer Experimente gleich. Es wurden mit Signalschreibern
Flügelschlag und Abstandsänderung zwischen Sternum und Rücken, die Atemfrequenz,
auf berußtem Papier eines Kymographions auf ge tragen. Gleichzeitig wurden die Sekundenmarken
durch das bereits oben erwähnte Sekundenpendel auf den rotierenden Papierstreifen
eingezeichnet. Zur Frequenzmessung der Brustkorberweiterung wurden die oben beschriebenen
Klammern an das Becken und daran ein K upferdrahtbügel angebracht, der frei
über das Becken herausragte. An der Klammer der Crista sterni wurde ein Draht angebracht,
der den Thorax des Vogels umschloß, ihm aber genügend Raum für die Brustkorberweiterung
gab. Dieser Ring reichte über den Rücken hinaus und trug isoliert eine Stahlfeder,
die bei der Vergrößerung des Becken-Sternum-Abstandes, also bei der Einatmung, mit
dem Bügel des Beckens in Berührung kam. Diese Feder war über dem Bügel und schloß
während des Kontaktes einen Stromkreis, der den mittleren Signalschreiber des Kymographions
bediente. Diese Anordnung wurde bei den ersten Versuchen mit der Taube benutzt.
Später bei den Krähenversuchen wurden zwei Stahlfedern gebraucht; die über dem
Drahtbügel liegende gab wie bei der Taube Kontakt bei der Einatmung, die zweite, die von
unten her den Drahtbügel bei der Ausatmung berührte, bediente einen zweiten Signalschreiber,
der demgemäß die Verengung des Thorax, d. h. die Ausatmung, anzeigte. Im Grunde
sind diese beiden Anordnungen gleich, nur sind für die Atmungskurven bei der K rähe zwei
Signalschreiber vorgesehen, während bei der Taube beide Kurven in einer einzigen vereint
sind, F ü r die Messung der Flügelschlagfrequenz war an dem Bügel des Beckens eine
Stahlfeder befestigt, die in einer über dem Oberarmgelenk auf dem Rücken getragenen
Drahtschleife endete. Gegen diese Schleife schlug beim Heben des Flügels eine weitere Stahlfeder,
die ebenfalls, aber isoliert, an dem Bügel des Beckens angebracht war. Die Federn
waren derart befestigt, daß ein Kontakt dann eintrat, wenn der Flügel beim Aufschlag mit
der Horizontalebene einen Winkel von ungefähr 30°—40° bildete. Der Kontakt schloß den
dritten und vierten Stromkreis, der den entsprechenden und zwar den obersten Signalschreiber
bediente. Das Schema und die Schaltungsskizze für die Flugexperimente entspricht
prinzipiell Abbildung 66.
Die Versuche wurden in einem Gang von 20 m Länge durchgeführt. In den Schmalseiten
des Ganges war je ein Fenster. F ü r die Versuche wurde das Tier zunächst an das eine
Ende des Ganges gebracht, mit der Hand in die Höhe gehoben und losgelassen. Das Tier
strebte dann dem anderen Ende des Ganges und dem Lichte zu. Dabei stellte sich nach wenigen
Versuchen ein fast genau gleichmäßiger Flugvorgang ein: Wenn das T ier frei war, flog
es mit schnellen und weitausholenden Schlägen etwa 10 bis 12 m, dann ging es zum Gleitflug
über oder flog mit ganz geringen Ausschlägen der horizontal gestellten Flügel, um kurz vor
dem Niedersetzen ausgiebige Flügelbewegungen auszuführen. Die Flughöhe war im Durchschnitt
etwa TS1,5 m über dem Boden. Daraus läßt sich die Belastung durch die mitgeführten
Drähte abschätzen, die keine allzu große Mehrarbeit bedeutete. Die Flügelschlagfrequenz
stimmt mit den Frequenzen überein, die auch Freilandbeobachtungen zeigen.
Abb. 82. Kurvenausschnitt von den Flugversuchen
mit der Taube.
I—V I I ll p Versuchsabschnitte,
a ü l Sekundenzeichen,
b = Atemfrequenz,
c = Flügelschlagfrequenz.
A = Teilbild, das in Abb. 84 vergrößert
wiedergegeben ist.
Abb. 83. Kurvenausschnitt von den Flugversuchen
mit der Krähe,
a u. b = Atemfrequenz..
I—V = Versuchsabschnitte.
C = Flügelschlagfrequenz.
A = Teilbild, das in Abb. 85 vergrößert wiedergegeben
ist.
Abbildung 82 zeigt einen Ausschnitt der Kurven von einem Versuchszyklus an einer
Taube. Es handelt sich dabei um acht Versuchsabschnitte, wobei jede Reihe aus drei Zeilen
besteht. Gemäß der Versuchsanordnung gibt die erste Zeile die Zeiteinheiten an, diezweite
Zeile die Atmungsfrequenz, die letzte die Flügelschlagfrequenz. Bei Kontakt, d. h. Stromschluß,
bewegt sich der Schreibstift des Signalschreibers nach unten. Es bedeutet also in der
Atemfrequenzzeile der Ausschlag der Kurve nach unten Brustkorberweiterung und Einatmung,
in der letzten Zeile Flügelhebung. — Abbildung 83 zeigt den entsprechenden Versuch
mit einer Krähe. Der Unterschied in den Kurven ist insofern, wie schon oben erwähnt,
zu beachten, daß hier immer zwei Kurven die Atmung festlegen; in der oberen entspricht