
ist gegenüber der Ausatmung gering. Das Sternum wird, während die Vögel in ihrer Hauptgebrauchsstellung,
dem Stehen, sich befinden, von der Schwerkraft ohne besondere Eigenleistung
zur Rumpferweiterung herabgezogen. Der Kraftaufwand beruht bei ihnen darin,
bei der Ausatmung das Sternum und damit die ganze Leibeslast gegen die Schwerkraft
emporzuheben. Daß Chauna verstärkte Einatmungsmuskeln zeigt, verstehen wir als Ausgleich
der fehlenden Processus uncinati.
Eine zweite Gruppe sei mit Großem Buntspecht und Kormoran gebildet. Diese scheinbaren
Gegensätze finden in der Atemmechanik eine gewisse Ähnlichkeit. Wenn der Kormoran
beutesuchend auf dem Wasser schwimmt, sind die Ausatmungsmuskeln der Arbeit
enthoben, den Thorax zu verkleinern. Kraftaufwand beansprucht jetzt die Einatmung, der
Rücken muß gegen die Schwerkraft emporgehoben werden. Besteht nicht die entsprechende
Aufgabe für die Atmungsmuskulatur des Spechtes? Wenn er nahrungsuchend an den
Bäumen herumhüpft, dann muß auch er bei der Einatmung den gesamten Rumpf gegen
die Schwerkraft heben; bei der Ausatmung sinkt dann wieder der Brustkorb ohne besonderen
Kraftaufwand herab.
Zu der ersten Gruppe müßte eigentlich noch das Auerhuhn, Tetrao urogallus, hinzutreten.
Doch bestehen hier besondere Verhältnisse. Mit Abbildung 78 war auf die langen
Fortsätze des lateralen Brustbeinrandes und au f die Hebelwirkung hingewiesen, die dadurch
für den M. obliquus externus besteht. Infolgedessen braucht dieser Muskel längst
nicht so stark zu sein wie bei anderen Vögeln und ein Blick auf die Tabelle zeigt, daß er im
Vergleich zu dem aller anderen Vogelarten den weitaus schlechtesten Prozentsatz aufweist.
Deshalb scheinen die Prozentzahlen der Einatmungsmuskeln größer zu werden und Tetrcio
urogallus weiter von der Gruppe wegzurücken, zu der er nach seiner Lebensweise eigentlich
zu rechnen ist.
Eine besondere Deutung der schweren Einatmungsmuskulatur der Samtente, Oidemia
fusca, als Vertreter der dritten Gruppe, ist kaum nötig. Die Ente, die den größten Teil ihres
Lebens schwimmend auf dem Wasser zubringt, hat also dann immer nur Arbeit bei der
Einatmung zu leisten, wenn sie ihren Rumpf erweitert. Die Ausatmungsarbeit übernimmt
fast ausschließlich die Schwerkraft. H Geradezu überraschend ist das Ergebnis, wenn man
den Vertreter der letzten Gruppe, den Polartaucher, betrachtet. Gibt es eine Lage für Co-
lymbus arcticus, in der die Ausatmungsmuskulatur gegen die Schwerkraft Arbeit leisten
muß? Nein! Liegt der Taucher auf dem Wasser, auf dem Lande oder im Nest, immer muß
das Sternum als feststehend angesehen werden. Die Masse der Einatmungsmuskulatur
übersteigt um ein Großes die der Ausatmung!
Beim Pinguin waren wegen seiner aufrechten K örperhaltung die stärksten E inatmungsmuskeln
zu erwarten. Man sieht aber, daß dies in der Tabelle nicht besonders zum Ausdruck
kommt. Den günstigen Ansatz der Einatmungsmuskeln machen wir hierfür verantwortlich.
Durch die langen Processus uncinati (Abb. 80) entstehen besonders große Drehmomente,
die die Einatmungsarbeit erleichtern. Von den Mm. intercostales externi Nr. 24
— übrigens prozentual die weitaus stärksten der ganzen Tabelle — haben sich zudem
eigene Bündel abgelöst, die als starke Faserzüge von den äußersten Enden der Processus
uncinati zu den nächstfolgenden Rippen verlaufen und dadurch eine außerordentlich günstige
Zugrichtung auf weisen (vgl. hierzu Abb. 32). Ferner zeigt die Tabelle, daß der prozentuale
Anteil der Mm. levatores costarum Nr. 31 den aller anderen übersteigt. Auch hier
wird dieser Vorteil noch erhöht einmal durch den günstigeren Ansatz gegenüber den entsprechenden
Muskeln anderer Vögel -Vier rückt nämlich viel weiter ventralwärts — , zum
anderen in der besonderen Ansatzmöglichkeit an der zweiten Halsrippe, wie bereits oben
gezeigt wurde.
Wenn man die Einatmungsmuskulatur des Eissturmvogels, Fulmarus glacialis, richtig
beurteilen will, so muß man berücksichtigen, daß die große Bauchmuskulatur, die, wie
oben gezeigt, durch die weite Spanne zwischen Sternum und letzter Rippe einerseits und
Becken andererseits bedingt ist, die wirklichen Stärkeverhältnisse, die die Einatmungsmuskulatur
zeigt, nicht zum Ausdruck kommen läßt. Aber wenn man den prozentualen Anteil
der Mm. intercostales externi mit dem der anderen vergleicht, so sieht man, daß sein Platz
in allergrößter Nähe von Colymbus arcticus zu suchen ist
(rücksichtlich seiner Einatmungsmuskulatur). Diese Einordnung
ist auch ganz erklärlich. Auch für Fulmarus glacialis
gibt es nur solche Lagen während seines Lebens, in denen die
Einatmungsmuskulatur die K ra ft auf bringen muß, gegen die
Schwerkraft den Thorax zu erweitern, sei es, daß er am Lande
liegt oder auf dem Wasser schwimmt (auf die Atemmechanik
beim Fluge siehe weiter unten). Die bekanntlich langen Processus
uncinati tragen zu ihrem Teil an der günstigen Ansatzmöglichkeit
dieser Muskeln bei.
Bei der weitaus größten Zahl der Vögel der Tabelle I I
sind die Mm. intercostales externi die stärksten. Ohne Rücksicht
auf die Länge der Processus uncinati und damit ihrer
günstigen Insertion zeigt ein Blick auf die Tabelle ihre große
Bedeutung für den Einatmungsakt. Diese hervorragende Stellung
wird erst in das richtige Licht gerückt, wenn man den
Abb. 80. Die Processus uncinati und
die Mm. intercostales externi der ersten
4 Vertebralrippen von Spheniscus
demersus.
B. = eigene Bündel der Mm. intercostales
externi.
P. u. = Processus uncinati.
lg.'tA= Ligamentum trianguläre.
24. — Mm. intercostales externi.
31. = Mm. levatores costarum.
prozentualen Anteil dieses Muskels zu der Gesamtheit der
Einatmungsmuskeln in Beziehung setzt. Tabelle I I I gibt einen Überblick darüber, geordnet
nach der Größe der Prozentzahlen.
T a b e l l e III.
Prozentuales Gewichtsverhältnis der Mm. intercostales externi zu der Gesamtheit der Inspiratores.
Columba domestica 22,7 % Chauna chavaría 32,5%
Ibis aethiopica 24,8% Phalacrocorax carbo 34,3%
Tetrao urogallus 27,8% Colymbus arcticus 34,8%
Acryllium vulturinum 28,5% . Phaetornis prelrei 35,7%
Dryobates major 29 % Spheniscus demersus 45,1%
Oidemia fusca 29,1% Fulmarus glacialis 46,5%
Phoenicopterus roseus 31,5% .
Diese Aufstellung zeigt, daß im allgemeinen V erstärkung des Muskels durch Faservermehrung
und Verlängerung des Knochens zu günstigerem Ansatz Hand in Hand geht. —
Chauna dagegen macht das Fehlen der Processus uncinati gerade durch verhältnismäßig
starke Muskeln wieder wett. Nach ihrer Lebensweise wäre sie mehr zu Auerhuhn und Geierperlhuhn
zu rechnen, tatsächlich aber weist sie so starke Einatmungsmuskeln auf, daß sie
Kormoran und Polartaucher nahesteht. — Interessant ist die Stellung von Oidemia fusca,
der einmal sicherlich das oben erwähnte Verlegen der Hakenfortsätze dorsalwärts von
Nutzen ist, der aber außerdem noch andere Einatmungsmuskeln von fast gleicher Masse wie
die Mm. intercostales externi zur Verfügung stehen. — Es soll schließlich noch in dieser
Tabelle auf Fulmarus glacialis hingewiesen werden und damit auf die oben erwähnte große
Arbeitsleistung der Einatmungsmuskeln bei diesem Vogel.
Zoologica, Heft 88. 7