In der Tabelle I ist diese entstehende Kolonne mit „Ausatmungsstellung“ bezeichnet aufgetragen
worden. Nunmehr wurden die Abstände 0 b isS -5 usw. auf den Geraden AA” und
BB” ausgemessen. Hierdurch entstand eine zweite tabellarische Kolonne mit der Bezeichnung
„Einatmungsstellung“ . Die auf diese Weise gewonnenen Zahlenwerte wurden in ein
Koordinatensystem eingetragen mit den sich ändernden Entfernungswerten als Ordinaten
und den gleichen Abstandswerten auf den Geraden BB und BB als Abscissen. Man erhält
auf diese Weise zwei Kurven (Abb. 19), die über dem O-Punkt der Abscissenachse einen
Schnittpunkt besitzen. Von dieser Stelle aus entfernen sich auf der Minusseite die Kurven
immer weiter voneinander, ohne sich jemals wieder zu schneiden. Auf der positiven Seite
aber ist der Verlauf ein anderer. Zunächst entfernen sich die beiden Geraden voneinander,
Abb. 19. Kurvenmäßige Darstellung d e r Tabelle I Abb. 20. Kurvenmäßige Darstellung d e r Tabe lle I
(Ein- u nd Ausatmungsstellung). (Differenzwerte).
um sich später wieder einander zu nähern. Der Schnittpunkt, der weit außerhalb der
Zeichnungsebene liegen würde, hat nur mathematische Bedeutung und bleibt bei der
weiteren Betrachtung unberücksichtigt.
Um den Verlauf der Abstände zwischen den beiden Kurven anschaulich darzustellen,
ist dieser auf einer neuen Kurve abgetragen (Abb. 20). Es sind diesmal als Ordinaten die
Differenzwerte der beiden zuerst auf gestellten Kolonnen, wie sie aus der Tabelle I errechnet
sind, aufgetragen worden. Die Abscissenachse zeigt wieder die gleichmäßigen Abstände
auf den Geraden BB' und BB”. Die dadurch gewonnene Kurve hat einen höchst interessanten
Verlauf. Im Punkte 0 der Abscissenachse schneidet sie die Ordinatenachse. Dieser
Punkt entspricht dem Schnittpunkt der vorigen Kurven. Von diesem O-Punkt aus sieht
man nach den Minuswerten zu die Kurve monoton abfallen. Nach den positiven Werten
zu steigt die Kurve zunächst in ähnlicher Weise an, erreicht aber bei Punkt (8; 25,5) ein
Maximum und fällt nunmehr wieder ab.
Wenn man nun den Verlauf der Kurven für die Bewegung der Rippen deutet, so muß
man sich vorstellen, daß die oben gemessenen Abstände zwischen den Rippenpaaren
(Abb. 18) alle möglichen Richtungen des Faserverlaufs der Intercostalmuskeln veranschaulichen
sollen. Die Kurve von den Differenzen der Abstände zwischen Stellung 1 und Stellung
2 der Rippen (Abb. 20) gibt dann ein Bild von der Längenänderung der Muskeln zwischen
Ausatmungs- und Einatmungsstellung. Und zwar werden alle Muskeln, deren Faserverlauf
den Minuswerten entspricht, kürzer, wenn sich die Rippen von der Ausatmungs-
zur Einatmungsstellung bewegen. Derartige Muskeln müssen Einatmer sein. Eine solche
Faserrichtung aber besitzen die Mm. intercostales externi (Nr. 24).
Im Gegensatz dazu werden alle die Muskeln, die im Sinne der positiven Werte der Abscissenachse
ausgespannt sind, länger, wenn eine Einatmungsbewegung der Rippen sta ttfindet.
Solche Muskeln können natürlich eine derartige Bewegung nicht hervorrufen. Bei
Zusammenziehung bewirken sie die umgekehrte Bewegung, sie sind Exspiratoren. Die
Mm. intercostales interni (Nr. 32) haben diese Faserrichtung.
Schließlich interessiert noch die Bedeutung der Null-Stelle. Wenn festgestellt wird, daß
der Abstand 0 bis 0 in Einatmungsstellung ebenso groß ist wie der entsprechende der Ausatmung,
d. h. wenn die Differenz der Abstände = 0 ist, so erkennt man aus der Zeichnung
(Abb. 18), daß diese Verbindungsgerade zwischen den O-Punkten in jeder Stellung der Rippen
parallel zum Rücken verläuft. Ein hierzwischen ausgespannter Muskel erleidet durch
die Verschiebung der Rippen keine Längenänderung; d. h. er kann weder eine Ein- noch eine
Ausatmungsbewegung hervorrufen. Die Rippen können durch einen solchen Muskel nur
einander genähert werden. Einen Muskel m it dieser Faserrichtung findet man in den Inter -
costalräumen nicht; nur die gemeinsame Anspannung der Intercostalmuskeln kann eine
solche Wirkung hervorrufen.
Damit ist aber die Leistungsfähigkeit der K urven nicht erschöpft. Man sieht ohne weiteres,
daß, je steiler von der 00-Linie aus nach jeder Seite die Faserrichtung der Muskeln
verläuft, um so größer die Möglichkeit ihrer Längenänderung wird, d. h. daß um so mehr
die Muskeln in der Lage sind, eine Bewegung der Rippen nach dieser oder jener Seite hervorzurufen.
F ü r die Mm. intercostales interni (Nr. 32) kann aber die günstige Wirkung nicht
beliebig gesteigert werden, sondern bei einer gewissen Neigung ist das Maximum ihrer Wirkungsweise
erreicht. Von da an fällt der W irkungsgrad wieder ab. Es kann also die Wirkung
der Mm. intercostales interni nicht durch günstigeren Ansatz noch gesteigert werden, nur
Muskelverstärkung durch Faservermehrung kann hier noch eine Förderung bringen.
Ganz anders verhält es sich mit den Mm. intercostales externi (Nr. 24). Der Kurve gemäß
kann zunehmende Steilheit der Faserrichtung eine immer günstigere Wirkung auf die
Zugkraft der Muskeln hervorrufen. Die Länge der Rippen ist aber begrenzt. Um die Steilheit
weiter zu fördern, sieht man einen neuen Weg eingeschlagen: Der Ansatz der Muskeln
wandert an den Processus uncinati hinauf. Und es liegt im Verfolg dieses Gedankens, daß
die Wirkungsweise des Muskels um so günstiger wird, je mehr er die Möglichkeit hat, einen
steileren Ansatzpunkt zu finden. Daher sieht m an die Processus uncinati immer länger werden.
Es ist eine Reihe der Entwicklung von Chauna (Abb. 21), die keine Processus hat, über
Opisthocomus (Abb. 22) mit kleinen Höckern und einem Reiher (Abb. 23), dessen Processus
bereits länger sind, zu Columba (Abb. 24), Colymbus (Abb. 25) und Spheniscus (Abb. 26).
Die Faserrichtung der Muskeln verläuft schließlich parallel zu den Rippen. Sie macht hier
aber nicht halt, sondern dreht sich nach der anderen Seite, wie sich bei Fulmarus glacialis
zeigt. Mit dem Auftreten der Processus uncinati und dem Ansatz der Muskeln an ihnen ist
aber eine ganz andere Kraftwirkung auf die Rippen aufgetreten, wie sich leicht zeigen läßt.