Hierzu ist zu sagen, daß, soweit die L iteratur bekannt ist, niemals eine Beobachtung gemacht
oder gar ein experimenteller Nachweis der Schaukelbewegung des Sternums entsprechend
der BRANDESschen Hypothese gebracht worden ist weder auf dem Lande noch im
Wasser. Im Gegenteil, immer ist nachgewiesen worden, daß der Thorax beim Tauchen feststeht.
Schon Mery (1689) berichtet von einer Ente: „On plongea ensuite la tête de l’animal
dans l’eau, et l’on remarqua que pendant l’espace de 3 ou 4 minutes qu’elle y demeura, le
ventre, le sternum e t les poches supérieurs restèrent dans le même état. Si on la plongeoit
dans l’instant que le ventre étoit enflé, il demeuroit toujours fort tendu; mais si on la plonge
dans le temps que le ventre est entièrement applati, il se reste à demi dans le moment, et
conserve cet état tan t que la tête de l’animal est sous l’eau.“
Diese Darstellung entspricht den Beobachtungen, die ich auch an dem Polartaucher
gemacht habe. Wenn man ihn untertauchte, führte er zunächst einige Bewegungen aus, um
freizukommen; dann aber verharrte er in ruhiger Lage, ohne daß man auch nur die geringste
Thorax- oder Abdomenbewegung fühlen konnte, was außerhalb des Wassers wohl
möglich war. Daß auch bei Atemnot keine antagonistischen Rumpfbewegungen stattfinden,
konnte auch an einem Kormoran festgestellt werden. F ü r besondere Untersuchungszwecke
wurde für kurze Zeit dem Vogel der Schnabel luftdicht zugeklebt. Jetzt machte das Tier angestrengte
Atembewegungen, wobei bei jeder Einatmungsbewegung der Ösophagus kollabierte
und die Zungenbeinbögen sich deutlich auf der Halswand abbildeten. Das Tier hätte
jetzt allen Anlaß gehabt, seine antagonistischen Fähigkeiten zu beweisen. Aber auch hier
war ebenso wie bei dem untergetauchten Polartaucher nicht die geringste Andeutung hierfür
zu bemerken.
Gegen diese antagonistische Hin- und Herbewegung von Luft innerhalb des Vogelrumpfes
sprechen auch rein theoretische Überlegungen. Damit die Lungendurchlüftung zu
einer gewissen Bedeutung für den untergetauchten Vogel kommen könnte, müßten schon
ziemlich große Luftmengen durch die Lungen streichen. Diese Luftverlagerungen würden
aber starke Schwankungen im Angriffspunkt des Auftriebes ergeben. Daß dies für die Fortbewegung
ungünstig ist, braucht nicht besonders erwähnt zu werden.
Man hat diese Verschiebungsmöglichkeit des Auf trieb-Angriffspunktes für den Tauch-
vorgang als wichtig angesehen. B e r t (1870) hat sich auf diesen Standpunkt gestellt. Er
nimmt an, daß beim Eintauchen und Auf tauchen die Verschiebung der Luft in den Säcken
dem Vogel eine Drehung um eine transversale Achse erleichtert. Alle diese und ähnliche Anschauungen
müssen als rein spekulative Hypothesen angesehen werden. Eine experimentelle
Beweisführung ist hierfür nicht angetreten worden.
Eine Erhöhung des spezifischen Gewichts, die für den Tauchakt von Bedeutung ist,
wird dadurch gewährleistet, daß beim Eintauchen ausgeatmet wird und die Luft zwischen
den Federn herausstreicht. Diese letzte Tatsache kann man z. B. immer beim tauchenden
Pinguin sehen; häufig ist hinter bzw. über dem Tier eine ganze Kette von kleinen Luftblasen
zu beobachten.
Die Hypothesen, die darauf hinauslaufen, einen besonderen chemischen oder physikalischen
Mechanismus für den Tauchvogel zu konstruieren, sind anscheinend deshalb in so
reicher Zahl vorhanden, weil man die Tauchdauer eines Vogels wohl im allgemeinen für zu
hoch hält. Es werden nämlich häufig Zeiten angegeben, die die Höchstdauer des Tauchens
voraussetzen, nämlich bis das Tier erstickt. Bei diesen Angaben muß dann noch berücksichtig
t werden, daß der Vogel bei den Versuchen keine Schwimmbewegungen macht. Nach
D e w a r beträgt die Tauchdauer für Colymbus arcticus in der Freiheit im Mittel 43 Sekunden
und S t r e s e m a n n schreibt: „selbst die vorzüglichsten Tauchvogel verharren bei der
Nahrungssuche wohl nur in ganz seltenen Ausnahmen länger als 90 Sekunden unter Wasser
(meist nur wesentlich kürzere Zeit)“. Man muß immer berücksichtigen, daß der Tauchakt
für den Tauchvogel nicht etwas Unnatürliches ist und daß niemals eine außergewöhnliche
Belastung für den Organismus dabei eintreten kann. Sie sind vielmehr deshalb vor allem
zum Tauchen gegenüber den anderen Vögeln begünstigt, weil ihre Atemfrequenz anscheinend
durchschnittlich geringer als die anderer Vögel ist. Zudem ist eine Anpassung an den
Atemstillstand bei Tauchern auch darin zu sehen, daß während der normalen Atmung
regelmäßig von Zeit zu Zeit ein längerer apnoescher Zustand in der Ausatmungsphase
eintritt.
Flügeltaucher (Alken, Lummen und Pinguine) sind von mir keiner experimentellen
Untersuchung unterzogen worden. Deshalb ist es mir nicht möglich, zu der Frage endgültig
Stellung zu nehmen, ob durch die Flügelbewegung eine Lungenventilation während des
Tauchaktes hervorgerufen werden könnte. Auf Grund der Versuche am Polartaucher und
der Beobachtungen im Zoologischen Garten sowie der Anatomie und Physiologie erscheint
mir eine solche mindestens wenig wahrscheinlich.
Abschließend läßt sich demnach der Zusammenhang von Atmungsmechanik und Tauchen
formulieren: Beobachtung, Experiment, anatomisch - physiologische Untersuchungen
und theoretische Überlegungen nicht nur des Verfassers selbst, sondern auch anderer Autoren
lassen es wohl als feststehend ansehen: während des Tauchaktes finden keine aktiven
Thoraxbewegungen statt; das Tauchen vollzieht sich in Ausatmungsstellung des Brustkorbes.
Das Tauchen wird erleichtert einmal durch Erhöhung des spezifischen Gewichts (Ausatmung
und Heraustreiben der Luft zwischen den Federn), zum anderen dadurch, daß die
normale Atemfrequenz des Tauchvogels gering ist. Der apnoesche Zustand beim Tauchen
ist wie das Tauchen überhaupt keine anormale Erscheinung und tritt beim Tauchvogel auch
im Ruhezustand außerhalb des Wassers auf.
F u n k t i o n e l l e A n p a s s u n g an d i e A t e m b e w e g u n g e n .
Das Kapitel über die Atembewegungen des Vogels, dessen Körper auf der Unterlage
ruht, soll nicht abgeschlossen werden, ohne auf besondere Anpassungen an den Atmungsmechanismus
hinzuweisen. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß ein hühnerartiger Vogel, der
meistens die gesamte Last der Eingeweide bei der Ausatmung zu heben hat, für diesen Akt
verhältnismäßig mehr Kra ft auf wenden muß als z. B. ein Polartaucher, der immer mit seinem
Sternum auf dem festen Untergrund ruht; bei der Ausatmung sinkt der erhobene
Rücken fast selbsttätig herunter; die Ausatmungsmuskeln brauchen sich wenig dabei anzustrengen.
Umgekehrt haben die Hühnervögel weniger Kra ft bei der Einatmung aufzuwenden,
was wiederum dem Polartaucher mehr Arbeit verursachen wird. Es kommt also darauf
an, ob die Schwerkraft die Atembewegung unterstützt oder ihr entgegenwirkt. Wenn
man also einen Vergleich zwischen der Arbeitsgröße von Ein- und Ausatmungsmuskulatur
bei den Vögeln aufstellen will, muß man die Schwerkraft als ausschlaggebenden Faktor
berücksichtigen. Unter diesem Gesichtspunkt werden also alle Landvögel, die beim
Stehen ihren Rumpf horizontal halten, mehr Arbeit bei der Ausatmung als bei der Einatmung
aufwenden müssen. Dagegen ist die umgekehrte Arbeitsgröße bei den Schwimmvögeln
zu erwarten, sofern sie mit dem Sternum auf dem festen Untergrund aufliegen. Die
Einatmungsarbeit wird auch dann für Vögel, die auf dem Lande stehen, besonders groß