4. Die freie Lebensphase der Cercarie.
a) Mo r p h o l o g i e d e r f r e i s c hw imme n d e n C e r c a r i e .
Die anatomischen Details dieses Stadiums ließen sich am besten an lebenden Exemplaren
studieren (T. II, Abb. 11). Nebenher wurden auch fixierte Cercarien mit Hämatoxylin-
Eosin, Eisenhämatoxylin Heidenhain oder Methylgrün-Pyronin gefärbt sowie Schnittpräparate
untersucht.
Ä u ß e r e G e s t a l t u n d Größe . Zwischen die Bewegungsphasen der freischwimmenden
Larve sind Pausen eingeschaltet, in denen die Cercarie eine sehr charakteristische
Ruhestellung einnimmt (T. II, Abb. 11 a und T. III, Abb. 16 a). Der Körper ist hierbei mäßig
kontrahiert und ventralwärts gekrümmt. Der Schwanz setzt zunächst die ventrale Körperkrümmung
fort und biegt dann mit seinem letzten Endstück in dorsaler Richtung um, zeigt
also eine flache S-Kurve. Messungen lebender Exemplare in dieser Ruhestellung haben bei
seitlicher Ansicht und unter Berücksichtigung der Krümmungen folgende Werte ergeben:
Die Körperlänge schwankt zwischen 132—172 p, die m aximale Höhe des Körpers von 41 bis
48 p und die Schwanzlänge von 440—500 p. In Dorsoventralansicht ist der Körper in dieser
Ruhestellung 65—75 p breit. Fixierte Exemplare nehmen dieselbe Haltung ein. Eine Ausmessung
von 30 Exemplaren, die in 5%igem Formalin fixiert waren, ergab bei Seitenansicht
eine Körperlänge von 145—188 p (Mittelwert 165 p) und eine Schwanzlänge von
375—465 p (Mittelwert 422 p).
Erheblich höhere Werte erreicht die Körperlänge, wenn die Cercarie in Kriechbewegungen
begriffen ist, z. B. unter dem flach aufliegenden Deckglas. Der Körper wird dann
bei maximaler Streckung bis ca. 250 p lang, wobei die Breite auf ca. 30 p zurückgeht.
D ie K ö r p e r b e d e c k u n g u n d i h r e A n h ä n g e : Der ganze Cercarienkörper ist
von einer dünnen kernlosen Cuticula bedeckt. Unmittelbar darunter verlaufen feine Längs-
und Quermuskelfasern. Von der Haut entspringen zweierlei Gebilde, nämlich zahllose
winzige Dornen bzw. Schüppchen und spärliche lange Haare. Die mit ihrer freien Spitze
nach hinten gerichteten Hautdornen sind in regelmäßigen Querreihen angeordnet, die vorn
am Rande der Mundbucht beginnen. Am Vorderende sind sie am deutlichsten, nach hinten
zu werden sie allmählich kleiner und sind am Körperende fast nicht mehr wahrnehmbar.
Die langen haarartigen Gebilde waren meiner Beobachtung zunächst entgangen. Ich entdeckte
sie zufällig, als ich lebende Cercarien zur besseren Sichtbarmachung der Schwanzmembranen
bei Dunkelfeldbeleuchtung untersuchte. Sie sind nur in spärlicher Zahl vorhanden
und finden sich sowohl dorsal wie lateral und ventral (T. II, Abb. 11). Auf der hinteren
Pa rtie des Rückens und der Seitenflächen stehen diese Haare verhältnismäßig dicht und
sind hier auch am längsten (ca. 20—26 p). Nach vorn zu werden die Abstände größer und
die Länge nimmt etwas ab. Auf der Bauchfläche sah ich nu r in der Mitte einige wenige
kurze Haare von ca. 9 p Länge. Diese überaus zarten Borsten sind aktiv nicht beweglich.
Sie sind biegsam und elastisch und stehen gewöhnlich senkrecht vom Körper ab. Höchstwahrscheinlich
handelt es sich um Sinneshaare, wenn auch bisher nichts über eine nervöse
Versorgung der proximalen Haarenden bekannt ist. Wie später noch ausgeführt
werden wird, besitzt die Cercarie ein feines Empfindungsvermögen für Erschütterungen
des Wassers. Vielleicht sind diese Haare die Rezeptoren fü r solche Reize, für deren Aufnahme
sie ihrer Beschaffenheit nach recht geeignet erscheinen. F ü r weniger wahrscheinlich
halte ich es, daß diese spärlichen Gebilde lediglich die Bedeutung von Schwebehaaren
besitzen, d. h. von Körperanhängen, die durch eine Vergrößerung der Oberfläche das Abwärtssinken
verlangsamen. Ganz entsprechende Haare fand ich übrigens auch bei einer
anderen der Opisfhorcfcis-Cerearie sehr nahestehenden Form aus Bithynia tentaculata, die
ich für identisch mit der Cercarie lophoeerca Fil. halte. Möglicherweise sind derartige
Haare eine Eigentümlichkeit aller Cercarien aus der Pleurolophocerca-Gruppe, und bisher
infolge ausschließlicher Anwendung der Hellfeld-Beleuchtung lediglich übersehen worden.
Mu n d o r g a n e : Der Mundsaugnapf (M.S.N.) besitzt eine Ausbildung, die von der
endgültigen Form dieses Organs bei der Metäcercarie und dem erwachsenen Wurme völlig
abweicht. E r erinnert in seinem Bau eher an einen Pharynx als an einen Saugnapf. E r
stellt ein birnenförmiges, nach vorn verjüngtes Hohlorgan dar, das im Innern des Kopf-
abschnittes liegt. Seine Länge beträgt 43 48 u, seine maximale Breite und Höhe 22—24{r.
Die dicken Wandungen sind reich an rad iä r verlaufenden Muskelfasern. Der innere
Hohlraum besitzt feine Längsfalten und öffnet sich mit einem kurzen, engen Kanal in
eine Art Mundbucht. Letztere wird nach außen begrenzt durch eine ringartig vorgestreckte
Falte der vorderen Kopfwand. Wenn man den Kopf einer in Ruhestellung
befindlichen Cercarie von ventral betrachtet (T. II, Abb. 12), so erblickt m an zwei hinterein-
anderliegende Öffnungen, eine größere äußere, die von der Ringfalte der Kopfhaut gebildet
wird und eine zweite' * kleinere in der Tiefe der Mundbucht, die in den modifizierten
M .# . N. hineinführt. Letztere stellt die eigentliche Mundöffnung dar. Die erste außen
gelegene Öffnung kann durch zirkuläre Muskelzüge diaphragmaartig verengert oder erwei-
te rt werden. Ihre Form ist bald rund, bald mehr dreieckig".
Unmittelbar dorsal von der eigentlichen Mundöffnung erhebt sich vom Boden der
Mundbucht eine kleine Vor Wölbung, die von der Dorsal wand des M. S. N ausgeht. Sie ist
mit einer Anzahl kleiner, mit der Spitze ventralwärts gerichteter Zähnchen besetzt. Unmittelbar
am Eingang der eigentlichen Mundöffnung befindet sich zunächst eine Querreihe
von vier größeren Zähnen. Dorsalwärts folgen zwei nicht scharf voneinander getrennte
Reihen von insgesamt lf l- 1 8 viel kleineren Zähnchen. Die hezahnte Vorwölbung stellt
ein Bohrorgan dar, das beim Eindringen in den zweiten Zwischenwirt in Funktion tritt
(siehe S. 42). In der Furche zwischen der dorsalen Wand der Mundbucht und der besprochenen
Vorwölbung münden die Ausführgänge der Bohrdrüsen.
Ganz anders ist das Bild, wenn der Kopf energisch vorgestoßen wird, wie z. B. wäh
rend der Bohrtätigkeit (T.H, Abbjfeb); dann verstreicht die äußere Ringfalte, die Mundbucht
verschwindet völlig und die bezahnte Vorwölbung, die Mundöffnung sowie die
Drüsenmündungen treten aus der Tiefe weit nach vorn.
P h a r y n x : In der Mittellinie, der Ventralseite genähert, erkennt man unmittelbar
hinter den beiden Augenflecken den kleinen Pharynx, der jetzt schon ein deutliches Lumen
und rad iä r angeordnete Zellen besitzt. E r ist von wechselnder Gestalt, bald quer-, bald
längsoval. Seine Länge beträgt l lB l 9 M-, sein Querdurehmesser 13—17 !L. Zwischen M.S.N.
und Pharynx läß t sich manchmal ein schmaler Verhindungskanal, der Präpharynx, verfolgen.
Auch als hintere Verlängerung des Pharynxlumens beobachtete ich hin und wieder
ein kurzes Kanalstückchen, das den Beginn des Ösophagus andeutet. Von einer Darmgabelung
und Darmschenkeln ist noch nichts erkennbar.
Au g e n f l e c k e : Etwa an der Grenze zwischen dem vorderen und mittleren Körperdrittel
liegen zwei schwarze Augenflecke. Sie besitzen die Form eines nach vorn offenen,
niedrigen Bechers, dessen annähernd geradlinige Seitenwände sich nach der runden Öffnung
zu etwas erweitern. Der größte Durchmesser beträgt ca. 13 |i. In der Wand des Bechers
liegen dunkelbraune Pigmentkügelchen, die in ihrer Gesamtheit schwarz erscheinen. Im