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Die Kurven der Abbildungen 52 und 53 sind von der auf dem Rücken liegenden Taube
aufgenommen. Die oberste Linie stellt die Bewegung des Coracoids dar; die zweite und
dritte K urve soll ein B ild von den Schwankungen des vorderen und hinteren Endes des Sternums
geben; die vierte Linie ist von dem Rücken, und die fünfte Linie vom Becken gewonnen.
Die beiden untersten Kurven können keine Ausschläge anzeigen, da ja jede Bewegung
für die Knochen durch die Rückenlage ausgeschlossen ist. Der Verlauf der übrigen drei
Kurven zeigt aber mannigfache Unterschiede gegenüber den Kurven, die von dem stehenden
Tier aufgestellt wurden. Vorausschickend muß zunächst erwähnt werden, daß hier auch
durch die umgekehrte Lage des Vogels sich der Sinn des Kurvenverlaufs umkehrt. Die auf-
steigende Linie stellt jetzt die Einatmungsbewegung dar, die absteigende die der Ausatmung.
Auffällig ist bei dem Ergebnis, daß die Einatmung längere Zeit beansprucht als die
Ausatmung. Als weitere wichtige Unterscheidung ist zu bemerken, daß der Ausschlag der
beiden Kurven des Sternums fast gleichmäßig hoch ist. Außerdem ist die Höhe der Kurven
nennenswerten Schwankungen unterworfen. Im Durchschnitt beträgt sie bei beiden 3,5 mm.
Dabei h a t die Kurve von der Sternumspitze gleichmäßigeren Verlauf als die des Sternum-
hinterendes. Die Amplitudenhöhe des Coracoids ist hier nur noch 1,5 mm, zeigt also auch
einen Unterschied gegenüber der des stehenden Vogels.
Demnach muß man sich die Atembewegung etwa folgendermaßen vorstellen: es findet
wiederum eine Bewegung der Sternum-Coracoid-Linie statt. Es handelt sich dabei um eine
Winkeländerung, wobei sich diese Linie als Schenkel um das Oberarmgelenk als Drehpunkt
bewegt. Dabei wird aber das Sternum etwa in sich selbst parallel verschoben. Die Gesamterweiterung
des Brustkorbes verläuft synchron.
Die nächsten Kurvenaufnahmen wurden von der sitzenden Taube gemacht. Die Taube
hielt sich dabei auf einem Stab, der an dem verstellbaren Versuchstisch befestigt war. Die
Kurven gaben einen höchst interessanten Aufschluß über die verschiedenen Bewegungsformen,
die der sitzenden Taube möglich sind. Bald zeigte sich ein ähnliches Bild wie
bei dem stehenden Tier; bald war eine Bewegung sowohl der Sternum-Coracoid-Linie als
auch der Rücken-Becken-Linie zu erkennen; bald wieder war nur eine Bewegung des
Beckens und des Rückens zu beobachten. Die Kurven (Abb. 54 u. 55) zeigen diese verschiedenen
Bewegungen. (Die Kurven sind von einer anderen Taube gewonnen und auf eine
etwas andere Methode als die oben angeführte. Sie zeigen im Verlauf aber Vergleichsmöglichkeiten,
nur ist die absolute Ausschlagsweite nicht mit der der anderen zu vergleichen.)
Die oberste Linie ist jedesmal der Niederschlag der Beckenbewegung, die mittlere der
des Coracoids und die unterste der der Spitze des Sternums. Man erkennt in beiden Kurven die
große Höhe der Beckenbewegung. In Abbildung 54 ist dabei noch deutlich die Bewegung
des Sternums zu erkennen. Das Coracoid hat leichte Wellenbewegungen der Schreibstifte
hervorgerufen. In Abbildung 55 sind diese beiden letztgenannten Kurven zu geraden Linien
geworden. Eine Abbildung von der reinen Coracoid-Sternum-Linien-Bewegung erübrigt
sich; sie unterscheidet sich nicht von dem Kurvenbild der stehenden Taube.
Die verschiedenen Bewegungsabläufe der sitzenden Taube geben ein Bild davon, wie
in den verschiedenen Sitzstellungen die Atembewegungen vonstatten gehen: Berührt das
Sternum in der Sitzstellung die Unterlage überhaupt nicht, so kann eine freie Sternumbewegung
stattfinden. Hat sich der Vogel dagegen vollkommen auf das Sternum niedergelassen,
dann ist eine Bewegung der Bauchfläche nicht mehr möglich. Zwischen diesen
extremen Werten liegen alle möglichen Übergänge von starker Bewegung des Sternums
und schwacher des Beckens zu schwacher Sternum- und starker Beckenverschiebung. Bei
Zoologica, Heft 88.