C. Das Nervensystem und die Sinnesorgane.
Eine Untersuchung des Nervensystems, der Aleurodinen liegt bis jetzt noch nicht vor.
Auch die folgende Beschreibung beschäftigt sich nicht mit den Einzelheiten des Aufbaues,
da bei der geringen Größe des Objekts Wachsplattenrekonstruktionen nur unter unverhältnismäßig
großen Schwierigkeiten ausgeführt werden könnten und auf anderem Wege
nur ein allgemeiner Überblick über die gröberen Bauverhältnisse zu gewinnen ist.
I. Das Nervensystem.
Tafelabb. 30 gibt eine Gesamtübersicht der rechten Hälfte des Zentralnervensystems
und der wichtigsten abgehenden Nerven, so wie sie sich aus der Untersuchung vollständiger
Schnittserien ergibt. Man sieht, daß das Zentralnervensystem aus drei hintereinander
angeordneten Ganglienmassen besteht, dem Cerebralganglion (Cer, Gehirn), dem
Subösophagalganglion (Sub) und der thorakoabdominalen Ganglienmasse (ThA). Das Zentralnervensystem
ist also im höchsten Maß konzentriert, wie das bei den Homopteren die
Regel ist.
1. Das Cerebralganglion (Gehirn) besteht aus einem P a a r umfangreicher, mit starker
Ganglienzellschicht versehener H e m i s p h ä r e n (Protöcerehrum), die an den Seiten
in die plattgedrückten, aber sonst nach dem üblichen Schema gebauten Lohi optici (L. opt.)
übergehen. Ventral erkennt man das D e u t o c e r e b r um (Deut) in Gestalt eines Paares
kegelförmiger Vorsprünge, die an der Frontalseite die Antennennerven (Ant.N) entsenden
und nach der Spitze des Vorderkopfs zu in die paarigen Labrainerven (OLN) aus-
laufen. Diese verdicken sich zu einem P a a r von Buccalganglien (Bucc), von denen
wiederum in Verlängerung der Labrainerven die Nervenstränge ausgehen, die das epi-
pharyngeale Geschmacksorgan (epi) versorgen. Ein T r i t o c e r e b r u m ist nicht deutlich
abgesetzt, von der Hinterfläche des Gehirns geht unter dem Querarm des Tentoriums (Ttq)
weg zu beiden Seiten des Pharynx ein P a a r bandförmig flacher K ö n n e k t i v e nach dem
Subösophagalganglion. Eine Tritocerebralkommissur konnte ich nicht feststellen.
2. Das Subösophagalganglion steigt vom Gehirn nach der thorakoabdominalen Ganglienmasse
steil an und nützt so den engen Raum zwischen dem Pharynx und der Cru-
mena (Cru) weitgehend aus. Diese Eigenschaft zeigt, wie ich 1934 nach wies, die Larve,
bei der die Gliederung des Nervensystems vollkommen der der Imago entspricht, noch
nicht; sie entwickelt sich erst unter der Haut des letzten Larvenstadiums im Zusammenhang
mit der Umbildung der weichen, larvalen Crumena zu dem imaginalen Protraktorstab
des Labiums (Crumenastab). Eine Gliederung des Subösophagalganglions in seine
ursprünglichen Komponenten ist nicht festzustellen, doch erkennt man die typischen drei
von ihm ausgehenden Nervenpaare. Die ersten beiden Paare (StBN) versorgen die Stechborsten,
das dritte P a a r (LbN) geht in das Lahium. Die Verbindung zwischen dem Subösophagalganglion
und den dahinter gelegenen Teilen übernimmt ein P a a r von Konnektiven,
deren Bandform an das vordere Konnektivpaar erinnert und die die Crumena samt ihren
Muskeln umfassen. Besonders im ventralen Teil enthalten diese Konnektive reichliche
Ganglienzellkerne, wie denn auch das Subösophagalganglion selbst an der Ventralseite eine
viel stärkere Ganglienzellschicht zeigt als an der Dorsalseite.
3. Die thorako-abdominale Ganglienmasse, die auf der Rückenseite nur eine äußerst
dünne, auf der Bauchseite eine sehr dicke Schicht von Ganglienzellen auf weist, ist abgeplattet
bimförmig, die stumpfe Seite zeigt nach vorn, die Spitze, die in zwei Paar ins Abdomen
ziehender Nerven ausläuft, zeigt nach hinten. Die ursprüngliche Gliederung der
Ganglienmasse ist äußerlich vollkommen verwischt. Die Reste der abdominalen Ganglien
haben wir in dem spitz zulaufenden hinteren Viertel der Ganglienmasse zu suchen, das
größtenteils von Ganglienzellen erfüllt und nur von einem paarigen Strang längslaufender
Nervenfasern durchzogen wird. In diesem Teil ist auch innerlich keine Spur einer
Gliederung zu erkennen, die Zahl der abdominalen Ganglien, die in der thorako-abdomi-
nalen Ganglienmasse auf gegangen sind, ist nicht mehr festzustellen, da wir auch bei der
Larve die gleichen Verhältnisse antreffen. Die vorderen drei Viertel der Ganglienmasse
lassen dagegen in der Gliederung der Faserschicht deutlich ihre Zusammensetzung aus
drei thorakalen Ganglienpaaren erkennen. Von jedem der drei Faserknotenpaare geht
lateroventralwärts ein P a a r von Beinnerven (BN) aus. Flügelnerven sind zwar wahrscheinlich
vorhanden, konnten aber nicht festgestellt werden.
4. Vom sympathischen Nervensystem konnte ich lediglich die in Tafelabb. 30 mit Stom
bezeichneten Andeutungen des stomatogastrischen Systems auffinden. Es handelt sich anscheinend
um ein P a a r und zwei unpaare Ganglien, ihre Verbindung untereinander und
mit den anderen Teilen des Nervensystems konnte ich infolge der geringen Größe des
Objekts nicht verfolgen.
II. Die Sinnesorgane.
Außer den Komplexaugen, den Ocellen und den Antennen sind an Sinnesorganen noch
das epipharyngeale Geschmacksorgan, die Sensillen der Labialspitze (S. 13), der Beinspitze
(S. 27) und des Legebohrers (S. 39) bemerkenswert. Auch hier bereitet die Winzigkeit
des Gegenstands der Untersuchung so große Schwierigkeiten, daß nur das Komplexauge
einer Prüfung seines histologischen Aufbaus unterzogen werden konnte. Auch der
Frage nach einer etwaigen Innervierung der allerdings recht spärlich über den Körper
verstreuten Borsten und nach dem Vorkommen von Chordotonalorganen konnte nicht
nachgegangen werden.
1. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen über das Komplexauge sind bereits 1934
(Zool. Anz.) veröffentlicht. Leider war dabei meiner Aufmerksamkeit eine 1931 erschienene
Arbeit von E l t r i n g h a m über das zusammengesetzte Auge von Aleurodes brassicae entgangen.
Mit ihr muß ich mich im folgenden kurz auseinander setzen, da E l t r i n g h a m s
Ergebnisse zum Teil von den meinen abweichen.
Die Komplexaugen der untersuchten Aleurodinen sind Doppelaugen, d. h. der dorsale
Augenteil ist vom ventralen durch einen undifferenzierten Hautstreifen getrennt.
Die Lage der Augenteile ergibt sich aus der Tafelabb. 6. Der dorsale Augenteil (Tafelabbildung
31, D) ist eng winkliger als der ventrale und arbeitet vermutlich während des
Flugs im Dienst der phototaktischen Reaktion. Der ventrale, stärker gewölbte und aus
größeren Einzelaugen bestehende, daher weitwinkligere Teil (V) vermag wohl das sitzende
Tier über die Beschaffenheit der Unterlage zu unterrichten, das fliegende aber über die
Gegenstände zu orientieren, über die es wegfliegt. Die ventralen Augenteile haben denn
auch ein binokulares Gesichtsfeld.