aber der dadurch gewonnene Hohlraum im Vergleich zu der Gesamtthoraxerweiterung
gering ist, spielt diese Bewegung bei der Atmung eine untergeordnete Rolle.
Nach diesen Untersuchungen können wir nunmehr zusammenfassend feststellen: Die
Gesamtbewegung des Thorax geht von den Rippen aus. Bei Streckung des Winkels zwischen
Sternal- und Vertebralrippe weichen einmal Sternum und Wirbelsäule auseinander, zum
anderen werden die Seitenwände des Rumpfes auseinandergezogen. Diese zwangsläufige
Doppelbewegung wurde bei allen untersuchten Carinaten festgestellt; sie ist, wie oben dargelegt,
eine Folge der Einlenkung der Rippen am lateralen Sternumrand und an den Wirbeln.
Sie muß immer stattfinden, gleichgültig ob der Vogel auf dem Sternum ru h t und die
Wirbelsäule auf und nieder bewegt, oder ob die Wirbelsäule feststeht und das Sternum
die Thoraxerweiterung ausführt. Also: Mit der Vergrößerung des Sternum-Becken-Abstandes
geht eine Vermehrung der Thoraxbreite Hand in Hand.
D ie R um p fmu s k u l a t u r .
Die Myologie des Brustkorbes in den Einzelheiten zu besprechen, würde nur eine
Wiederholung früherer Arbeiten bedeuten. Es sei hier angeführt: F ü r b r i n g e r (1888), der
eingehend und bis in die geringsten Einzelheiten genau die Knochen, Bänder und Muskeln
des Schultergürtels bei einer sehr großen Anzahl von Vogelarten beschreibt. G a d o w
(1891) stützt sich auf diese Untersuchungen und behandelt weiterhin die gesamte Muskulatur
des Vogels. F ü r b r i n g e r versagt es sich, auch nur an einer einzigen Stelle irgend
etwas über die Funktion der Muskeln zu sagen; und G a d o w zeigt in seinen Abbildungen
häufig eine allzu große Schematisierung. Damit sind die Aufgaben für diese Arbeit U m rissen.
Es gilt zunächst ein Bild von der Thorax-Abdomen-Muskulatur zu entwerfen, die
bisher — wenn von S i b s o n (1846) abgesehen wird — kaum in k larer Form dargestellt ist.
Die zweite Aufgabe ist die, die Bedeutung der Muskulatur für den Atmungsablauf zu ermitteln.
Es steht zur Frage, ob ein Zusammenhang zwischen den Muskeln des Schultergürtels
und denen des Brustkorbes oder mit anderen W orten zwischen der Muskulatur für
den Flug und der des Thorax besteht, und wenn ein solcher gefunden wird, ob dann die
Atembewegungen durch diesen Zusammenhang beeinflußt werden können.
Die nun zunächst folgenden Darstellungen sollen ein Bild davon geben, wie die Muskelschichten
des Vogelrumpfes bei der Präparation aufeinander folgen.
Nach Abtragung der Haut werden vor allem die kräftigen Muskeln sichtbar, die den
Humerus bewegen (Abb. 12). In der Abbildung ist die Muskulatur des Humerus selbst bereits
abgetragen. — Die folgende Schicht der Rumpfmuskulatur (Abb. 13) gibt eine Vorstellung
vor allem von den etwas schwächeren Muskeln, die Schultergürtel und Thorax verbinden.
Nach Wegnahme des Femur und seiner Muskeln liegt nunmehr auch die Abdomenmuskulatur
frei zutage. — Die nächste Abbildung 14 gibt einen Eindruck von der Muskelanordnung
der Rippenbeweger. Auffällig sind die großen Ligg. triangularia. Noch eine
tiefer liegende Schicht (Abb. 15) muß gezeigt werden, unter der dann das Peritoneum liegt.
Die Processus uncinati sind um der klareren Übersicht willen entfernt, ebenso Scapula und
Humerus.
Bei Betrachtung der Gesamtrumpfmuskulatur ist auffällig, wie dünn und schwach die
Schichten und Muskeln sind, die direkt an den Rippen ansetzen. Wenn man eine Wägung
der Muskulatur durchführt, muß man berücksichtigen, daß die flachen Muskelschichten
ein noch geringeres Gewicht aufweisen würden, wenn es möglich wäre, die Fascien und