Über die Anatomie der überaus zahlreipben kleinen Xerophilen, die aus Nordafrika
beschrieben wurden, wissen wir noch sehr wenig. Wenn einmal diesem Mangel abgeholfen
sein wird, finden sich darunter wahrscheinlich eine Anzahl Arten, die mit H. reboudiana
zu einer natürlichen Gruppe vereinigt werden können. Vorläufig möchte ich fü r die einzige
Art nicht einen neuen Gruppennamen kreieren.
Helicella margarita P o l l r a , 189t, Taf. 7, f. 55.
Ich verfügte nur über e in erwachsenes Tier von Oran (leg. P a l l a r y ) ; zwei andere
gleicher Provenienz erwiesen sich leider als jugendlich.
T i e r : Kopf und Rücken hellgrau, Sohle weißlich, Mantelwulst und Mantel schwarz.
Das Pericard ist 3,5 mm, die weiße, schwarz geaderte Niere 11 m lang, ihre Spitze 14 mm
vom Mantelrande entfernt. Von den Nackenlappen ist der 3,5 mm lange rechte dreieckig;
der linke besteht aus zwei n ur durch einen Einschnitt getrennten Teilen, das obere Stuck
mißt 1,5, das untere 4 mm.
G e n i t a l i e n : Uterus diaphan weißlich, die schmale, Prostata grau. Der ziemlich
kurze und kräftige Blasenstiel träg t eine große, annähernd dreieckige Bursa. Der etwas
geschwollene Pfeilsack war leider leer; die Glandulae mucosae bestehen aus drei kleinen
Büscheln von zusammen 7 schmächtigen Blindsäckchen. Penis nicht viel stärker als der
kurze, zylindrische Epiphallus, in den er ohne äußerlich sichtbare Grenze übergeht; das
hinten spitz zulaufende Flagellum hat n u r 2,5 mm Länge.
Nach P o l l o n e r a (1892, S. 16) gehört die A rt zur Gruppe der Hel. latastei L e t . & B g t .,
die ich nur nach der von ihren Autoren gegebenen Beschreibung k e n n e . PA L L A R Y (1918,
S. 66) hat Hel. latastei zum Typus einer neuen Section „Ereminella“ gewählt, zu der demnach
auch wohl Hel. margarita gehören dürfte. Später (1924, S. 1® hat er auch ein paar
ägyptische Schnecken (gouzmmensis P a l l a r y und simulata F e r .) in seine neue Section
einbezogen, von denen aber H. simulata nach A d . S c h m i d t s Untersuchung zu Xerocrassa
gerechnet werden muß. Erst wenn wir die anatomischen Verhältnisse von Hel. latastei
kennen, wird es möglich sein, die Section Ereminella genau zu definieren.
R ossmaessler schrieb vor fast 80 Jah ren (Ic. I , 3, S. 22): „Wir müssen eingestehen,
daß wir die Xerophilen Europas noch sehr mangelhaft, | j | noch gar nicht viel mehr als
nicht kennen. Gerade bei ihnen muß die Anatomie Licht schaffen.“ Wollen wir aufrichtig
sein, so müssen wir zugeben, daß auch noch heute unsere Kenntnis dieser Subfamilie in
hohem Grade unbefriedigend ist.
Wer sich mit ih r eingehend beschäftigen will, ist gezwungen, sehr viel Mühe, Zeit
und Geduld aufzuwenden, um in dem Wust der von kritiklosen Autoren beschriebenen
Species sich zurechtzufinden. Ich unternahm den Versuch, sie zu katalogisieren; das E rgebnis
war ein I vielleicht nicht einmal vollständiges — Verzeichnis von weit mehr als
2000 Namen. Ein großer Teil davon entfällt freilich auf Synonyme, aber auch davon abgesehen
ha t die Kenntnis der Tiere mit der Vermehrung des zu bewältigenden Materials
nicht gleichen Schritt gehalten, sondern ist trau rig zurückgeblieben.
Ich konnte zwar die Zahl der untersuchten Arten ungefähr verdoppeln, aber von
einer viel größeren Anzahl sind die anatomischen Verhältnisse noch unbekannt. Überdies
ergeben sich zuweilen im Laufe der Arbeit neue Gesichtspunkte, die eine Revision der
früheren Befunde und der daraus gezogenen Folgerungen nötig machen. Die von mir vorgeschlagene
systematische Einteilung ist, vielleicht allzu einseitig, auf die Beschaffenheit
des Geschlechtsapparats begründet und wird wahrscheinlich einige Änderungen erfahren
müssen durch Berücksichtigung des Nervensystems, über welches vorläufig noch zu wenige
Erfahrungen vorliegen. Man wird mir auch mit Recht den Vorwurf machen, daß ich die
Bezahnung der Radula zu wenig berücksichtigt habe. Leider bin ich wegen zunehmender
Augenschwäche genötigt, den Gebrauch des Mikroskops sehr einzuschränken, und muß es
deshalb jüngeren Kräften überlassen, die dadurch bedingten Lücken meiner Arbeit auszufüllen.
Ganz unzulänglich ist bis jetzt noch unsere Kenntnis der Biologie der Helicellinae.
Es ist mir nicht bekannt, daß schon jemand irgendeine Xerophilenart im Terrarium gehalten
und über ihren gesamten Lebenszyklus (Ernährung, Fortpflanzung, Eiablage, Lebensdauer
usw.) zuverlässige Beobachtungen angestellt hätte. Bei den Gruppen Trochoidea
und Xeropicta finden sich an den Genitalendwegen Anhangsorgane, die vielleicht als Reizkörper
zu deuten sind und möglicherweise bei der Copula eine Rolle spielen, doch wissen
wir darüber nichts Positives. Der Umstand, daß gerade bei diesen beiden Untergattungen
der Penisnerv einen ändern Ursprung h a t als bei Cernuella, Xerocincta und Helicella
(s. str.), läßt einen Causalnexus zwischen der von der Norm abweichenden Abzweigung des
Penisnervs und dem Vorhandensein eines Reizorgans vermuten; eine solche Annahme erscheint
aber etwas gewagt, solange sie nicht durch sorgfältige und zielbewußt durchgeführte
Untersuchungen gestützt wird.
Die Verbreitung der einzelnen Gruppen habe ich schon früher (1926 a, S. 137) kurz
skizziert; viel mehr läßt sich auch heute noch nicht darüber sagen. Mir scheint, unsere
nächste Aufgabe muß es jetzt sein, durch weitere, auf möglichst viele Arten sich erstrek-
kende Untersuchungen der Tiere eine sichere Grundlage fü r die systematische Anordnung
zu schaffen; die geographischen Schlußfolgerungen ergeben sich dann von selbst.
Im Anschluß an die Bearbeitung der Helicellinae lasse ich einige Nachträge zu den
von mir schon früher behandelten Subfamilien der Heliceen und zur Familie Enidae folgen.
In mehreren Fällen konnte ich bei früheren Untersuchungen offen gebliebene F ra gen
erledigen, zu deren Klärung das damals vorhandene Material nicht ausreichte; ich
fand aber auch Gelegenheit, eine Anzahl z. T. recht interessanter Arten zu untersuchen,
die mir vorher nicht zugänglich gewesen waren, und es ist mir eine angenehme Pflicht,
allen den wohlwollenden Freunden, die durch Überlassung von erwünschten lebenden
Tieren mich bei meiner Arbeit unterstützten, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen.
Ich selbst werde kaum die Möglichkeit haben, diese Untersuchungen fortzusetzen;
aber ich würde mich freuen, wenn jüngere Kräfte sich der Aufgabe widmeten, den weiteren
Ausbau der Systematik unserer Mollusken zu fördern. Die von R o s s m a e s s l e r erstrebte
F a u n a mo l l u s c o r um E u r o p a e , „ i n w e l c h e r be i a l l e n A r t e n di e
Me r kma l e d e r S c h a l e n u n d d i e d e r T i e r e s e l b s t i n E i n k l a n g g e b r a c h t
s e i n w e r d e n “ (Zeitschr. f. Malakoz. 10, 1853, S. 35) wird freilich noch lange ein frommer
Wunsch bleiben, aber wir sollten trachten, uns dem Ideal, das R o s s m a e s s l e r vorschwebte,
nach Möglichkeit zu nähern, und das kann nur durch ausdauernde und zielbewußte
Arbeit geschehen.