den Flügelschlag wieder; Heben des Flügels und Ausschlag des Schreibers nach unten sind
ebenso gleichwertig wie Senken des Flügels und Ausschlag nach oben. Die Sekundenmar-
ken sind durch die unterste Zeile wiedergegehen. Es ist aus diesem Versuch klar zu erkennen,
daß Senken des Flügels und allseitige Erweiterung des Thorax Hand in Hand geht—
ein Ergebnis, das den vorhergehenden Experimenten und den anatomisch-physiologischen
Befunden entspricht.
A b l a u f d e r At emb ew e g u n g b e i m ß u d e r f l u g .
Auf Grund dieser Versuche ist es möglich, ein Bild von dem Ablauf der Atembewegungen
während des Ruderfluges zu entwerfen. Man darf sich nicht vorstellen, daß der
Vogel irgendwie beim Fluge feststeht und nun seine Flügel auf und nieder bewegt, etwa
wie der Mensch seine Arme nach oben und unten schlägt, sondern seine Flügel gewinnen
heim Schlagen an der verdichteten Luft einen Halt und reißen, so festgehalten, den übrigen
Körper mit; und bei diesem Abstämmen und Vorwärtsaufwärtsziehen macht der Vogel
eine Einatmungsbewegung; heim Abschlag wendet er die Hauptenergie an und gleichzeitig
weitet er den Thorax, um dem Sauerstoff E in tritt in seine Lungen zu verschaffen.
Eine Erweiterung des Thorax j f e ) war in den vorigen Kapiteln nachgewiesen jBkann
entweder dadurch Zustandekommen, daß der Rücken sich hebt oder das Sternum eine
Bewegung ausführt. Beim Fluge müssen wir das Brustbein als feststehend betrachten, da es
der Träger des gesamten Körpers ist. Wenn nun eine Erweiterung des Sternum-Rücken-
Abstandes beim Fluge festgestellt worden ist, so kann diese Erweiterung nur durch ein
Heben des Rückens stattgefunden haben.
Einen experimentellen Nachweis dafür zu bringen, ist nicht SIBglich. Es iehlt das System, auf das die Bewegungen
von Rücken nnd Brustbein bezogen werden könnten. Wenn deshalb ein Beobachter eine Bewegung des|Mernnms beim
Fluge feststellt, so ist deshalb noch nicht auf eine Ätembewegung zu schließen, sondern erst dann liegt diese vor, wenn der
Abstand zwischen Bauchseite und Rücken sich geändert hat.
Auf dem so relativ feststehenden Sternum können sich die Rippen vollkommen frei
bewegen. Sie besitzen an dem an den Flügeln hängenden Brustbein ebenso ein sicheres
Widerlager, wie sie es bei dem ruhenden Vogel erhielten. So kann durch die Bewegung
der Rippen ein abwechselndes Heben und Senken des Rückens stattfinden, wie es heim ruhenden
Vogel nachgewiesen worden ist. Der Flngakt hat demnach zunächst überhaupt keinen
Zusammenhang mit der Ätembewegung. Die Brustmuskeln sind nur mit dem Sternum
und dem Schultergürtel in Verbindung, was schon Sa p p ey (1847) nachwies, und lassen den
Rippen und den sie bewegenden Muskeln volle Bewegungsfreiheit.
Es war oben gezeigt worden, daß bei Auseinanderweichen der Coracoide eine Streckung
des Coraco-Sternalwinkels eintritt, was auf die Achsenstellung des Coracoidgelenkes zurückzuführen
ist. Dadurch wird aber mittels des Ligamentum sterno-coraco-claviculare im
besonderen der Teile, die zwischen Acrocoracoid und Sternum ausgespannt sind, und durch
den M. pectoralis eine große Festigkeit der ganzen knöchernen ventralen Rumpfteile beim
Nieder schlag sicher gestellt. Die Furcula ha t dabei die Aufgabe, ein federndes Eingehen in
diese Lage zu gewährleisten. Beim Aufschlag, so weist das Experiment nach, werden dagegen
die Coracoide znsammengedrängt und damit der Winkel zwischen Sternum und
Coraeoid wieder verkleinert. Auch diese Bewegung muß die Furcula federnd abbremsen.
Auf diese Bewegung der Coracoide hat schon D r o i s i e r (1866) hingewiesen. Aber die seiner
Meinung nach stattfindende Sternumbewegung, die die Wirkung der Brustmuskeln beeinträchtigen
würde, muß als unwahrscheinlich abgelehnt werden.
Die Vorstellung vom Ablauf der Ätembewegung beim Ruderflug kann also nunmehr
dargestellt werden (Abb. 88). Auf dem relativ feststehenden Sternum bewegen sich die
Rippen auf und nieder so, daß beim Abschlag des Flügels der Rücken gehoben wird. Durch
den Zug des M. pectoralis werden zur selben Zeit die Coracoide auseinandergezogen, so daß
eine allseitige Erweiterung des Thorax eintritt. Beim Flügelaufschlag findet die umgekehrte
Bewegung statt: der Rücken wird durch die Rippen herahgezogen und die Coracoide einander
genähert.
D e r E i n f l u ß des F l ü g e l s c h l a g e s a u f di e At m u n g : Mit der wechselnden
Entfernung der Coracoide voneinander im Rhythmus des Flügelschlages wird nun notwendigerweise
das Volumen zwischen den Coracoiden einen größeren Wechsel erfahren, und die
in diesem Hohlraum liegenden Luftsäcke müssen einen größeren Anteil an der Gesamtatmung
haben als in der Ruhe, wo die Coracoidbewegung nicht nachgewiesen werden konnte
und nur die Erhebung des Rückens allein eine Vergrößerung des Raumes hervorruft
(s. Abb. 65). Da hei der elektrischen Reizung des M. pectoralis ein bedeutender Ausschlag
der Coracoide in der Ruhe nachgewiesen wurde, so
ist anzunehmen, daß heim Flügelschlag die Coracoide
ihre größte (maximale) Entfernung bei der
starken Kontraktion des M. pectoralis einnehmen,
was sich auch aus der Einstellung der Coracoid-Kon-
takte im Experiment schließen ließ.
Mit der Feststellung, daß das Atemvolumen
durch die Coracoide beeinflußt ist, ist nun auch das
experimentelle Ergebnis von der Gleichzeitigkeit
von Einatmung und Niederschlag des Flügels zu verstehen.
Es findet beim Flügelabschlag eine gemeinsame
und allseitige Vergrößerung des Rumpf Volumens
statt, welche, gegenüber der der Ruhe, durch
die größere Bewegung der Coracoide vermehrt ist.
Damit ist ein gewisser Zusammenhang von Flügelschlag
und Atmung bedingt, und man sieht aus
Abb. 88. Schema der Atembewegung der Thoraxknochen
beim Ruderflug des Vogels, von der Seite
gesehen. Die ausgezogenen Linien zeigen die Ausatmungsstellung
an, die gestrichelten Linien die
Einatm ungsstellung.
B. = Becken.
C. = Coraeoid.
f J = Furcula,
S. — Sternalrippen.
St. =
V. =
Sternum.
Vertebralrippen (ohne
Processus uncinati).
Wirbelsäule.
den beim Experiment erhaltenen Kurven, daß der
Vogel die Gleichzeitigkeit von Einatmung und Flügeltief schlag baldmöglichst zu erreichen
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Nach V i c t o r o w (1909) nehmen alle Luftsäcke im^gefüllten Zustand zusammen 18 bis
20%, die interclaviculären Säcke dagegen 1,4% des Körpervolumens ein. Es ist deshalb anzunehmen,
daß zwar der Atemrhythmus nicht umgestoßen wird, wenn der Flügelschlag nicht
synchron mit der Einatmung verläuft, aber immerhin die Ventilationsgröße beeinträchtigt
wird, falls durch die Thoraxerweiterung kein anderer Ausgleich geschaffen wird. Man sieht
jedenfalls daraus, daß die zeitliche Übereinstimmung von Einatmung und Flügelschlag von
Vorteil ist.
Auf Grund der Experimente hatten wir die Atembewegungen beim Fluge nicht größer
als in der Ruhe angenommen. Nur die Coracoide zeigten größere Ausschläge. Daraus ist
auf eine viel günstigere Durchlüftung der claviculären Luftsäcke gegenüber den anderen zu
schließen, was auf eine besondere Bedeutung dieser Säcke beim Fluge hindeuten würde.