nach vorn unten. Es handelt sich dabei nicht um eine Parallelverschiebung des Sternums,
sondern dessen hinteres Ende beschreibt einen längeren Weg als sein vorderes. Diese Bewegung
wird dem Sternum ebenfalls von den Rippen aufgezwungen, da diese im hinteren
Abschnitt des Brustkorbes länger sind als im vorderen, p!- Die Bewegung des Sternums
kann nicht ohne Einfluß auf das Coracoid sein. Der Sternum-nahe Teil wird abwärts gezogen,
der distale Teil aber durch die Scapula bis zu einem gewissen Grade in seiner Lage festgehalten.
Es findet dabei eine Streckung des Winkels zwischen Sternum und Coracoid statt,
die durch die Vergrößerung des gegenseitigen Abstandes beider Coracoide nachgewiesen
ist. Denn das Sterno-Coracoid-Gelenk ist so gestellt, daß eine Bewegung in demselben gleichzeitig
eine Abstandsänderung der distalen Enden der Coracoide herbeiführen muß. Die Bewegung
ist aber gering, ebenso wie eine Vorwärtsbewegung der Schultergelenke nur in sehr
kleinem Maße eintreten kann. — Mit der Bewegung von Coracoid und Sternum ist diejenige
der Furcula festgelegt: beim Einatmungsakt streben die dorsalen Schenkel auseinander;
im umgekehrten Falle findet eine Zusammenpressung statt. Bei der letzten Bewegung
wird eine Spannung in der Längsrichtung des Knochens hervorgerufen. — Die Bewegung
der distalen Enden der Coracoide reguliert auch die Bewegung der Scapulae; sie
werden ein wenig auseinanderweichen und damit den unter ihnen liegenden Rippen Raum
zu ihrer Breitenausdehnung geben, und sie werden vielleicht in minimaler Weise vorwärtsbewegt.
Ein experimenteller Beweis ist dafür nicht erbracht.
All diese Bewegungen verlaufen vollkommen gleichzeitig; sie führen dazu, daß sich der
Thorax bei der Einatmungsbewegung allseitig erweitert, und er im umgekehrten Falle
von allen Seiten her zusammengedrückt wird.
Die Bewegung des Bauches muß damit synchron verlaufen. Seine Wände sind durch
Häute und Muskeln gebildet, die sich an den beweglichsten Teilen des Thorax anheften,
den hinteren Rippen und dem hinteren Sternumrande. Eine Bewegung dieser Knochen muß
notwendigerweise das Volumen der Bauchhöhle variieren. Die Beobachtungen stehen dazu
in keinem Widerspruch. Der Gesamtablauf scheint bei allen Vögeln gleich zu sein; nur in
der Größe ihrer Amplituden werden sie bei den einzelnen Vogelgruppen untereinander differieren.
Das trifft vor allem fü r die Bewegung im Coraco-Sternalgelenk zu. Eine Winkeländerung
in der Coraco-Sternal-Linie ist nur bei den Vögeln, die eine mehr oder weniger
vollständige Synostose zwischen Furcula und Crista sterni auf zu weisen haben, z. B. Fregata
und Opisthocomus undenkbar. Dagegen läßt sich eine solche Winkeländerung am Nachtreiher
in vivo noch feststellen, obwohl hier die Furcula fest an die Crista sterni anstößt.
Bei der Krähe und Taube wurde sie ja graphisch auf genommen. Es liegt also die Vermutung
nahe, daß sie für alle die Vögel gilt, bei denen Furcula und Crista sterni beweglich miteinander
verbunden sind.
Die Atembewegungen des sitzenden oder an seinen Flügeln festgehaltenen Vogels können
zusammen besprochen werden. Diesen Lagen ist gemeinsam, daß das Sternum vollständig
fest und unbeweglich ist (Abb. 65). Bei der Inspiration wird als Folge einer Streckung
der Rippenwinkel die Rücken-Becken-Linie in ihrer ganzen Länge gehoben, wobei selbstverständlich
eine gleichzeitige Thoraxerweiterung stattfinden muß. (Be th e , 1925, hat ebenfalls
eine solche Bewegung bei der Atmung des sitzenden und fliegenden Vogels angenommen
und eine ähnliche Skizze wie Abb. 65 entworfen.)
Eine Coracoid-Bewegung konnte bei diesen Atembewegungen nicht klar festgestellt
werden; sie liegt aber nicht außerhalb des Bereiches des Möglichen. — Die Fureula-Bewegung
wird durch das Coracoid bestimmt und ist damit auch einer Prüfung enthoben. Hfl
F ü r die Scapula besteht die Möglichkeit, entweder ihren Abstand von der Wirbelsäule zu
wahren S - dann muß eine Bewegung im Coraco-Scapular-Gelenk stattfinden — oder aber
der Coraco-Scapular-Winkel bleibt ungeändert, dann müssen dieRhomboidmuskeln erschlaffen,
damit der Rücken die Atembewegungen ausführen kann. In der Regel scheint die
Mitte zwischen beiden Möglichkeiten innegehalten zu werden. Ein experimenteller Nachweis
dafür ist nicht gebracht, da die Bewegung der Scapula keine direkte Bedeutung bei
der Thoraxerweiterung hat; sie folgt passiv den Bewegungen der anderen Knochen.
Im Gegensatz zu diesen beiden Modi der Atmungsbewegung,
die als natürlich bezeichnet werden
sollen, steht die Bewegung, die auf Grund der
Rückenlage stattfand, einer Lage, in die der Körper
des Vogels fü r experimentelle Untersuchungen gebracht
wird. In der freien Natur kann der Vogel
nur durch einen Unglücksfall in diese Lage kommen,
wenn man davon absieht, daß für kurze Augenblicke
z. B. fliegende Raubvögel bei Ergreifen oder
Abwehr von fliegenden Vögeln sich vollkommen
herumdrehen.
In der Rückenlage zeigt der Vogel zwar auch
eine Bewegung der ventralen Thoraxteile. Diese unterscheiden
sich aber durch die Parallelverschiebung
des Sternums von der beim stehenden Vogel.
Die Ungleichmäßigkeit der Sternumausschläge verr
ä t aber die Unnatürlichkeit der Körperlage. Es
herrschen nämlich jetzt für den Vogel ganz besondere,
Abb. 65. Schema der Atembewegung der Thoraxknochen
eines sitzenden Vogels, von der Seite gesehen.
Die ausgezogenen Linien zeigen die Ausatmungsstellung
an, die gestrichelten Linien die
Einätmungsstellung.
B. = Becken V. = Vertebralrippen
C. = Coracoid (ohne Processus un-
F. = Furcula cinati)
S.'i=’ Sternalrippen W. = Wirbelsäule.
St. = Sternum -
sonst nie vorkommende Verhältnisse. Darm, Magen, Herz und Leber, die in der na tü rlichen
Lage mehr oder weniger vollständig von dem breiten Sternum getragen werden, büßen
nun ihren sicheren Halt ein; sie hängen bei der Rückenlage an diesem Knochen oder an
der ventralen Bauch wand. Wenn jetzt die Rippen das Sternum von dem Rücken entfernen
wollen, dann müssen sie gleichzeitig die ganze Last der Eingeweide mitheben. Das Gewicht
dieser Masse greift aber besonders am hinteren Teil des Sternums an. Da nun gerade die
hinteren Rippen schwächer als die anderen sind, so ist es ihnen offenbar nicht möglich, dem
hinteren Teil des Sternums die volle Ausschlaghöhe zu erteilen. Dagegen entspricht die
Bewegung der vorderen Spitze etwa der natürlichen Größe. Man sieht also bei der Rückenlage
eine unnatürliche ParallelverSchiebung des Sternums. Die Bewegung der Coracoide
ist kleiner geworden und damit auch die der Furcula; demgemäß kann auch die Scapula
keine großen Bewegungen ausgeführt haben.
Wichtig ist es, in dieser Lage die Bewegung der Bauchdecke zu beobachten. Die Muskulatur
erschlafft bei der Einatmung; d. h. wenn der Brustkorb sich in dorso-ventraler und
in seitlicher Richtung weitet, wird durch die L ast der Eingeweide die Bauchdecke einwärts
in Richtung des Rückens gezogen; umgekehrt straffen sich die Bauchmuskeln, wenn der
Thorax bei der Ausatmung den Brustkorb verengt. Diese unnatürliche Veränderung des
Bauchvolumens muß sich selbstverständlich auch auf die abdominalen Luftsäcke auswirken.
Wenn man die Bauch wand einer Taube, die in der Rückenlage festgehalten wird,