der von ihren Canälen ziehen ; vergebliche Beyspiele. So bewässern
Piemont, Italien und die Schweitz ihre Wiesen und Felder,
ohne dafs die Nachbarn sich gleiche Vortheile zu wenden. Ja, es
ist eine traurige Bemerkung, die sich dem Beobachter aufdringt ;
dafs weder Erfahrung noch Beyspiele wichtige Verbesserungen
einführen, und nur Kinder des Stolzes oder der Noth sind. Doch
dies soll mich nicht zurück halten, diejenigen Mittel, womit die
bessere Benutzung der Gewässer zur Schiffahrt ausführbar wird;
bekannter zu machen, und so fafslich , als ich es vermag, vorzutragen.
Ich werde mich daher bemühen , auch den Canalbau
durch allgemeine Maximen und Beyspiele zu lehren. Derselbe
kann zu denjenigen Gegenständen der Staatsöconomie gezählt werden
, die denen, welchen sie anvertraut sind, viel Verdrufs bereiten,
wenn sie weder Heuchler noch niedrige Schmeichler ihrer
Vorgesetzten sind. Der Erfinder des mittäglichen Canals Andre-
ossy hat hievon auch die Erfahrung gemacht. Er sagt: «Mon
plus grand embarras à toujours été de persuader ceux qui ne pouvaient
ou ne voulaient m’entendre.» Und dies wiederfuhr ihm
unter einem Könige, dessen Anverwandter, der Prinz Conti,
sich in einer Versammlung der Stände von Languedoc in Hinsicht
des Beytrages zum Bau des mittäglichen Canals , unter andern
folgendermafsen so ausdrückte: L’on cherchoit autrefois de toutes parts
des hommes intelligens dans la connoissance de la conduite des eaux pour
couper des montagnes et embellir des palais que l'on bâtissoit du sang du
peuple ; présentement l’on détourné le cours des rivières l’on rassemble des
eaux de toutes parts ; on les conduit avec soin, avec artifice et dépense ; mais
ce n’est ni pour embellir les jardins de Lucullus ni pour satisfaire au luxe de
Séjan , tout se rapporte au bien public, à la grandeur de l’état et à l’avantage
des peuples.
§. 61. Dieser und der folgende Abschnitt würden einen
Band einnehmen, wenn ich darin die Geschichte und Beschreibung
der bekanntesten Canäle , wozu die vorhandenen Schriften
hinreichende Materialien liefern, vortragen wollte. Ich begnüge
mich daher mit den Grundsätzen , nach denen man beym Canalbau
verfahren sollte , und mit der Darstellung einiger der
merkwürdigsten Canäle. Was aber die Construction und Erbauung
der Schiffahrts-oder Kammerschleusen anbetrifft, so ist dieses
bereits im ivten Bande und im vorigen Abschnitte vorgetragen.
b .) E r k l ä r u n g .
§. 62. Wiewohl man Canäle zu verschiedenen Zwecken
anlegt: so haben wir es doch nur hier mit den Schiffahrts- Canälen
(Canaux de Navigation) zu thun , denn von den Entwässe-
rungs - oder Austrocknungs - Canälen , so wie von Anschwem-
mungs-Zuleitungs-und Abführungs-Canälen (*) (Canaux de dessèchement,
canaux d’atterrissement, canaux de dérivation , ou rigoles;
canaux d’irrigation ; et canaux de décharge) ist bereits im
m‘en Bande und im vorigen Abs. gehandelt worden.
§. 63. Jeder Schiffahrts - Canal besteht a) aus dem Boden
oder der Canalsohle, (Lit du Canal) Tab. 97-Fig. 1 .), b) den
zwo Seitenwänden oder Ufern ( rives du Canal ). c) Alle Canäle
haben einen oder zwo Ziehwege , (chemins de hallage ). d) Bey
solchen Canälen , auf welchen die Schiffe steigen oder fallen ,
heifst die zwischen zwo Schleusen liegende Abtheilung des Canals,
die Canalhaltung oder Haltung, (retenue oubiez). e) Manche.
Canäle, die über tiefe Gegenden oder Thäler führen, haben Canaldämme
(franc bords ou berges) und Bermen oder Absätze ( Bermes)
damit die hohen Seitenwände nicht nachsinken, f ) Aufserhalb
den Canaldämmen werden zuweilen Gräben zur Sammlung des
Feld-Regen - Schnee-Sumpf-oder Quellwassers gezogen, die
man Sammelgräben, ( contre - canaux ou fossés) nennt. Das darin
gesammelte Wasser wird entweder unter dem Canal, mittelst
Durchlässe ( acqueducs ), oder in den Canal hinein , durch Zufüh-
rungs-Schüzze oder auch in Bäche und Flüsse geleitet, g) Die
dem Canal das nöthige Wasser zuführenden Wasserleitungen
heifsen Speise-Canäle oder Leitgräben (rigoles). Der Canalbau
(* ) Abführungs-Canäle sind solche, die das Bewässerungswasser ans den
bewässerten Bezirken aufnehmen , oder das hohe Canalwasser ab führen.