Maria Theresia hatten sich kaum ausgesöhnet und einen der blutigsten Kriege beendigt, als
sie grofse Bauwerke aller A r t , Canäle und Austrocknungen anlegen liefsen und gleichsam da-
bey wetteiferten. So wirkt mächtig das Nützliche und Grofse auf alle ausgezeichneten Menschen
und nur der Kleinliche strebt ihm entgegen! Ja, welcher Verehrer des menschlichen
Wissens und der Cultur möchte es wohl auf sich nehmen, von den Siegen der Börner und
Griechen, von ihrer Gesetzgebung und ihren bürgerlichen Einrichtungen günstiger zu urthei-
len als von ihren Bauwerken. Wodurch haben sich Perikies und August mehr ausgezeichnet?
Diese Wissenschaft, die Wasserbaukunde, womit wir die reissenden Ströme so wie das Meer
bezähmen und uns zinsbar, machen, womit wir über Berge und Thäler unsre Canäle führen,
grofse Moräste in fruchtbare Gefilde umschaffen, die die Gonstruction der nützlichsten und
gröfsten Maschinen und die Anlage der Häfen lehrt, die den wesentlichsten Theil der Mathematik
als Hülfsmittel 'benutzt} diese erhabene Wissenschaft wollten wir Deutsche — die
Franzosen, Russen und Italiäner haben es nie gethan — noch ferner zur Technologie zählen?
Dies sey fern von uns und so falle denn auch die Bezeichnung Technisch weg , wo man sie noch
jetzt so fälschlich gebrauchte! Leider haben sich Männer für Wasserbaukundige ausgegeben
und geben sich noch dafür aus, welche nicht die ersten Grundsätze dieser erhabenen Wissenschaft
kennen; ja man hatte ihnen wohl gar den Wasserbau des Landes anvertraut, wiewohl
sie offenbar ihre Unkunde bey den Anlagen bewiesen, und nicht ein einziges Unternehmen
hervorbrachten, welches der Regierung würdig gewesen wäre. Solche elende Subjekte mufs-
ten, um sich zu halten, alle krummen Wege einschlagen. Sie versorgten in ihrem Departement
die kenntnifslosen Bedienten der Staatsbeamten und des Adels zu Bauaufsehern , bestachen
die Kammerlaquayen, theilten mit-vielen, liefsen zum Nutzen Einzelner Strafsen anlegen,
hatten eine Menge Tischgenossen um sich, wüfsten alle Schwächen ihrer Vorgesetzten
zu benützen, und andern Habsüchtigen Vortheile zuzuwenden. Diese Elenden, bey denen
Strafsen und Brücken in Verfall geriethen, hiefs man gute Männer, weil sie sich alles sagen
und in Geschäften alles gefallen liefsen, die denn doch durch lange Dienstzeit sich gute prac-
tische Kenntnisse zu eigen gemacht haben müfsten, ohne zu bedenken, dafs dazu Wissenschaft
gehöre. Da sie nicht einen Aufsatz fehlerfrey schreiben konnten, auch keine klaren
_Ideen hatten, folglich"ihre Blöfsen in schriftlichen Aufsätzen erschienen,v so glaubten andere
Staatsbeamten, dafs die Wasserbaukundigen nur solche handwerksmäfsige Leute wären. Solche
Unwissende haben also den gründlichen Wässerbaukundigen und dieser Wissenschaft sehr
geschadet. Man hat sie zwar in neuern Zeiten in den mehrsten Staaten von; den Wasser-
baugeschäften entfernt, aber dennoch treiben sie ihr Wesen in Verborgenen, haben nicht selten
grofsen Anhang ehemaliger Theilnehmer und finden Protection!
Das erste Bedingnifs einer zweckmäfsigen Einrichtung des Wasser-Brücken-und
Strafsenbau wesens besteht daher darin, dafs der Chef oder General -Director, die General-Inspectoren,
Bauräthe oder Baudirectoren und alle Baubeamte dasselbe gründlich verstehen und
diesen geschickte, gut besoldete und rechtschaffene Werkmeister und Bauaufseher zugetheilt
werden. In Frankreich erhält der General-Director 40000 Livres; jeder General-Inspector ,
deren bey der General-Direction fünf allgestellt sind, jährlich 12000 Livres Gehalt und 8000
Livres für Reisen, von den i 5Divisions-Inspectoren bezieht jeder 8000Livres Gehalt; von 89
Ingenieurs en Chef hat jeder jährlich 5ooo Livres ohne die Reisekosten, und der geringste
Bauaufseher bezieht 800 Livres. Fünf und vierzig Ingenieurs en Chef beziehen jeder 4600
Livres, 109 jeder 2800 und 169 jeder 2Öoo Livres. Selbst die Eleven der Schule des Brücken
und Wegebaues beziehen 700 bis 900 Livres, und die General-Direction, wobey 63 Individuen
engagirt sind, kostet Dreymahl hundert tausend Livres. Kurz die Administration des Brücken
und Wegebaues erfordert jährlich 3X Million Livres und der Wasser-Brücken und Strafsenbäu
k o s te ten den letzten fünf Jahren jährlich vier und vierzig Millionen 48io53 Livres,
d. i. XV aller Staats-Revenuen. ( * ) Jetzt sollen diese Ausgaben derselben betragen. Ich
kenne"Länder, wo man gräfslich schreyt, wenn dieser Zweig & ja nur | | der Staats-Einkünfte
kostete, ohne zu bedenken, dafs er vielfach einbringt, was er erfordert. 2 ) Der Regierung
mufs e r stets ein wahrer Ernst seyn, diese Wissenschaft zum Befsten des Staats in
Anwendung bringen zu lassen. Sie darf nicht einmahl den Willen äufsern: Strafsen und
Brücken vollkommen anlegen !zu lassen und ein anderes Mahl sich über Ausgaben beschweren,
die in Beziehung des Gegenstandes selbst sehr mäfsig sind. Eben diese Consequenz, ohne
welche kein Geschäft gedeihen kann, mufs indem Zutrauen, welches sie anfänglich dem
gewählten General -Director, den Bauräthen, den General-Inspectoren oder Baudirectoren
schenkte, statt finden, so lange dieselben sich nicht Nachläfsigkeit und zweckwidrige, den
Grundsätzen der Wasserbaukunde zuwiderlaufende Bauanlagen zu Schulden kommen lassen und
diese erwiesen sind. Nur eine einzige schwankende Äufserung, eine Zurücknahme der Beschlüsse,
offenbare Kälte der Regierung — regt ein Heer der im Finstern lauernden Widern
sacher, die entweder eifersüchtig auf die Bauanlagen sind oder -durch die festgesetzte Einrichtung
merklich an unreehtl-ichem Gewinne verloren haben. Die bestimmte Äufserung des Zutrauens
gegen die ihrem Fache vollkommen gewachsenen Beamten und die Geringschätzung
der Unwissenden und Bösen ist hier um so nothwendiger, w e i l kein Staatsbeamter mehr
Schwierigkeiten zu besiegen hat, als der beym W a s s e r - und Brückenbau an g e s te ilte , w e lch e r
seiner Pflicht vollkommen Genüge leisten will. Ein Hochgewässer oder Eisgang, welche weit
höher als alle vorher bekannten steigen, kann die ältern und neuen Dämme durchbrechen,
ganzen Ortschaften gefährlich seyn und Strafsen zerreissen. Jetzt treten Menschen, die von
Manchen gern'gehört werden, auf, welche dem Wasserbaukundigen das hohe Wasser zuschreiben
, und hinzüfügen, wie schon längst der beschädigte Ort hätte geschützt werden sollen,
und dergl. mehr. Ohne zu bedenken, dafs der Strom bey den Hochgewässern seinen Lauf
änderte'; die ältern Anlagen dessen Abflufs hemmten und statt ihm einen ungehinderten Lauf zu
verschaffen,• denselben vielmehr in'Cascaden eintheilten; und dafs bey beschränkten Mitteln
in wenigen Jahren nicht j4 lles gemacht werden kann; dafs eben sie jeden Weg einschlagen,
um dem Wasserbau die nöthigen Mittel zu entziehen. So wie es also unter solchen Umstanden
dem thätigsteii Patrioten und kenntnifsvollsten Unmöglich ist nach seinen Einsichten zu
wirken, so getraut sich"keiner der Unterbeamten, nützliche Entwürfe zu machen, weil er
Verantwortlichkeit dabey übernimmt und der Verleumdung der Nichtswürdigen entgegen
sieht. Sie verlangen nur g rö fs ten t lie ils Vorschriften, fürchten oder hoffen eine Veränderung
des angenommenen Geschäftganges und der Einrichtung, trauen daher der Regierung wenig
Einsicht und wenig Gonsequenz zu. So wird also das Geschäft in blofse Formen einge-
zwängc, wodurch einer den andern masch in enmä fsig controlliren mufs. Selbst der General-
Director wird hie und da controllirt und mufs im Bureau zu angestrengt arbeiten, während
er bey den wichtigsten von ihm selbst entworfenen Bau-Unternehmungen abwechselnd gegenwärtig
seyn sollte. Er mufs bey jeden Aktenstücke auf seiner Hut seyn, ob auch nicht dabey
gegen die Form, gegen das Maschinenmäßige des Dienstes gefehlt werde. So bleibt ihm
bey der gröfsten Anstrengung kaum Zeit übrig, die wichtigsten Vorschläge zu überdenken.
D a , wo der Chef des Baudepartements im Collegio, welches das Politicum und Finanzielle
oder eines von beyden zu seinem Ressort hat, die Gegenstände vortragen mufs, ist er nun
vollends in einer unangenehmen Lage. Er ist genöthigt, von Dingen zu reden, die für sei-
( * ) Siehe Annuaire du Corps des Ponts et Chaussées, 1806 und 1807,