
nun aber auch eine durch das unbewusste Walten
der Organisation gegebene höhere Individualität in
jenen Völkern wirklich vorhanden, so bedarf sie doch,
um zur geistigen Blüthe sich zu erheben, allemal
des befruchtenden Strahles der Idee. — Es ist oben gezeigt
worden, auf welche Weise im Allgemeinen jene
drei grossen Ideen von Schönheit, Liebe und Wahrheit
den Weg gefunden haben zu den spätem Generationen
der Tagvölker; um diesen Weg aber, wie er
durch die Pelasger und Romanen hindurch namentlich
zu Germanen, Kelten und selbst zu den Slaven
geleitet hat, im Besondern zu begreifen und die Möglichkeit
einer geistigen Fortentwicklung in diesen Völkern
zu verstehen, hat man überall zu gedenken der
materiellen Bedingungen des Lebens überhaupt, unter
welchen, im Grossen genannt, das Yerhältniss von
Boden und Gewässer jedenfalls oben an steht. Auch
der Mensch in Bezug auf seinen Geist muss wie
Archimedes sagen: «Gieb mir, wo ich stehe$ und ich
werde sie bewegen!» Das leibliche Dasein muss
wohlthuend begründet sein, ehe die spirituelle Macht
sich zu entfalten vermag. — Wo öde Steppen sich
ausbreiten, eben so wenig, als wo in weiten Wasserstrecken
ganz isolirte Landtheile geboten sind, wird
nie eine höhere Bildung beklaiben, denn die Lebenselemente
fehlen dort eben so von aussen, wie sie
da von innen fehlen, wo eine dürftige leibliche Bildüng
und geringe Hirnentwicklung als Basis für Ihä-
tigkeit des Geistes geboten sind. — Darum also
waren es Länder von Einbuchtungen des Meeres
durchdrungen | | | Länder von schönen Flüssen durchzogen,
mit üppig fruchtbarem Boden gesegnet, wo
jenes leibliche Wohlsein der Menschheit am ersten
aufging, durch welche sie zuerst bemüssigt und dann
ermuthigt wird, die hohem geistigen Besitztümer sich
zu erobern. Wie nun Europa überhaupt, und besonders
das mittlere und westliche Europa, in dieser
Beziehung wunderbar vor allen Weltteilen bevorzugt
erscheint, ist oft genug gesagt worden und stellt sich
schon im Bilde seiner Karte unverkennbar dar; dass
es aber die Länder, welche Romanen, Kelten und
Germanen bewohnen, besonders sind, welche auf diese
Weise begünstigt wurden und wieder den Menschen
begünstigten, zeigt abermals das Studium einer unter
höhere Gesichtspunkte gefassten Geographie sehr deutlich.
— Bei alle Dem würde jedoch selbst die Ge-
sammtheit der dargelegten Bedingungen nicht hinreichen,
die hohe geistige Entwicklung jener Völker zu
erklären, fände sie sich nicht zugleich durch den
rechten climatischen Einfluss unterstützt.
Wir verdanken Victor v. Bonnstetten 58 viele feine
Bemerkungen über den mächtigen Einfluss, den das
Clima auf den Geist der Völker äussert. Wärme
heisst das allgemeine belebende Princip der Natur;