
genommen haben, an diesen einen repräsentirenden
Stamm, so wäre jedenfalls an ihn, in sofern er jenen
höhern Schönheitsinn nur einigermaassen bethätigen
soll, die erste Forderung zu stellen, dass' in ihm
wirklich aufgegangen sei eine tiefere Verehrung gegen
das unbewusste Göttliche jeder reinen und vollendeten
organischen Bildung überhaupt, der menschlichen aber
insbesondere. Diese Verehrung, welche wir in den
ersten Strahlungen der Tagvölker in Hindostan finden
werden, wie sie sogar bis zur Scheu gegen alle Verletzung
eines Lebendigen und dessen Tödtung, so
wie gegen allen Genuss der Thiersubstanz ausartet —
sie ist bei den Chinesen so unverstanden, dass ihnen
sogar eine widerwärtigste Verkrüpelung der edeln
menschlichen Gestalt nicht nur zulässig, sondern sogar
als Schönheit erscheint. — Man versteht leicht,
dass ich hier die künstlich hervorgebrachten Klumpfüsse
aller Chinesinnen höhern Standes im Auge habe, eine
Verkrüpelung, welche bekanntlich auf die langwierigst-
gewaltsamste Weise ebenso schon in den ersten Lebensperioden
begonnen wird 49, wie die Pressung der
Köpfe bei Caraiben und alten Peruanern, und wie
die Verunstaltung der Unterlippe und des Unterkiefers
bei den Botokuden. Ich möchte sagen: schon
ein Volk, welches im Ganzen so falsch fühlen kann,
eine nicht nur höchst hässliche, sondern selbst den
Gebrauch der Organe störende Verunstaltung menschlicher
Bildung für recht und schön zu erklären -
kann nicht ganz die gesunde und hohe geistige Befähigung
besitzen, welche wir als eine vollendet menschliche
bezeichnen sollen. — In Wahrheit geht denn
auch dieser Mangel an höherer Geistesfreude und
Begeisterung, über und für wahre Schönheit, in tausenderlei
Formen durch das ganze chinesische Volk.
Ich sah im Jahre 1844 jene vollständigste aller Sammlungen
über China —— das sogenannte chinesische
Haus des Amerikaners Mr. Nathan Dünn 50 in London,
und als ich Alles durchgegangen: Tempelstatuen,
Gemälde, innere Einrichtungen der Gebäude, Schmuck
u. s. w. t— schrieb ich damals schon die «bedauernde
Betrachtung» nieder, «dass das Licht höherer
Schönheit einem Volke von mehr als 300 Millionen
Menschen nie geleuchtet habe.»
Sonderbarer Weise hört man übrigens zuweilen
Gedanken dieser Art es entgegenstellen: «wenn diesem
Volke ihr Götzenbild den Eindruck mache, den
die Griechen von ihrem olympischen Jupiter erhielten,
wenn sie an ihren Gemälden, an ihrer Musik
sich ebenso erfreuten, wie wir an Rafael oder an
Mozart, so sei dagegen nichts zu sagen, und die
Schönheit werde deshalb nicht minder von ihnen
verehrt, nur allemal in der gerade ihnen gemässen
Form.» Aber Diejenigen, welche in solcher Weise
opponiren, vergessen ganz, dass sie dadurch das