
Wenn dann aber somit die grossem poëtischen
Werke dieser Völker der Vergangenheit angehören,
so fehlt doch auch der lebendigen Sprache dort nicht
ein eigentümlich poëtischer Geist, und nichts zeigt
so sehr ein freieres Erwachen geistigen Lebens in einem
Volke, als wenn es vermag, die geringe den
Menschen umgebende Wirklichkeit in ein höheres poë-
tisches Gewand mit Anmuth zu kleiden. — Stehe
daher noch zum Schluss dieser flüchtigen Schilderungen
hier das Bruchstück eines von W. v. Humboldt
mitgetheilten Liedes von den Nuha-Inseln in tongi-
scher Mundart. Man wird sich eigen überrascht finden
durch eine Aehnlichkeit dieser Poësie mit derjenigen,
welche bei den Antipoden dieser Insulaner,
nach einzelnen gälischen Ueberresten, Macpherson einst
als Ossianische Dichtung mittheilte. Das Lied ist
ohne regelmässiges Sylbenmaass und Reime, welches
Beides in andern Liedern sich findet:
\ . «Wir sassen plaudernd über Wawaii Tua Liku,
da sprachen zu uns die Weiber: —
2. Lasst uns wandern nach Liku, den Untergang der
Sonne zu schauen; lasst uns auf, das Zwitschern
der Vögel horchen und die Klage der Turteltaube
—
3. Wir wollen Blumenkränze pflücken am Abhange
bei Matato. — Wir wollen bleiben, und vertheilen
die uns von Liku One gebrachten Lebensmittel.
—
A. Wir wollen baden im Meere, dann uns waschen
im süssen Wasser Waii Aka’s und salben mit
wohlriechendem O.el; wir wollen Kränze flechten,
und die Blumen winden, die wir pflückten von
Matato. —
5. Stehend unbeweglich am Abhange bei Ana Manu,
starren wir athemlos hinunter in die Ferne des
Meeres in die Tiefe. —
6. Wie unser Gernüth sinnet, rauschet von den hohen
Toa-Bäumen in den Ebenen des Inlands der mächtige
Wind zu uns her. —
7. Mein Gemüth erweitert sich, wie ich schaue die
Brandung in der Tiefe, die sinnlos strebende, zu
durchbrechen die festen Felsen. —
8. 0 wie glücklich 'ist unser Weilen hier gegen unser
Weilen auf Mua!» —
IV.
Von der geistigen Befähigung in den Tagvölkern.
Ein bis ins Einzelne zu verfolgendes Gesetz ist
es, dass eine jede Gattung höherer Naturformen auf
irgend eine Weise die vorhergegangenen Bildungen in