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lAA A u f e n t h a l t zu Villa de S. Salvador
Abschied und schwang^ sich verg-nügt dem Pferde des Herrn FREYREISS
auf die Krupe. Diese g^efühllose Gleichgültigkeit bey frohen und traurig^en
Vorfällen findet man bey allen amerikanischen Völkern: Freuden und Leiden
machen auf sie keinen lebhaften Eindruck; man sieht sie selten lachen,
und nicht leicht hört man sie sehr laut reden. Ihr wichtigstes Bedürfnifs ist
die Nahrung-5 ihr Magen verlangt stets angefüllt zu seyn, daher sieht man
sie ungemein hastig mit gierigen, stieren Blicken essen, wobey ihre Aufmerksamkeit
einzig und allein mit der Speise beschäftigt ist. Eben so lange
sollen sie aber auch hungern können. Die Zuckerpflanzungen der J^azendas^
in deren Nähe sie lagern, locken sie gewöhnlich an: hier sieht man sie
halbe Tage sitzen und an den Stangen des Rohrs saugen. Sie schneiden
grofse Trachten dieses Gewächses ab und tragen sie in ihre Wälder. Der
Saft des Zuckerrohrs ist indessen nicht blos bey den Tapujras beliebt,
sondern es ist ein allgemeiner Gebrauch unter den niedern Volksklassen
in Brasilien, denselben auszusaugen. KOSTER ("'•) sagt dasselbe von
Pernambucco.
Als wir den Tauschhandel im Walde ebenfalls geendigt hatten,
bestiegen wir unsere Pferde, hinter jeden von uns setzte sich ein Puri^
und so gieng die Pieise wieder der Fazenda zu. Die ganze Bande Männer
und W^eiber fand sich auch hier bald ein, und alle wollten zu
essen haben. Während wir ritten, hatte mein Hintermann mir das
Schnupftuch aus der Tasche gezogen 5 ich ertappte ihn erst, als er es
verbergen wollte und sagte ihm, er müsse mir einen Bogen dafür geben,
welches er auch sogleich versprach; nachher aber verlor er sich schnell
unter der Menge und hielt nicht Wort. Einige Männer hatten zu viel
Branntwein erhalten, und wurden jetzt zudringlich. Mit einer freundlichen
Behandlung würde man sie leicht weggeschafft haben; allein die
Pflanzer behandeln diese Leute ganz falsch, indem sie dieselben als Vieh
(*) KÖSTERS travels etc. p. 345.
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betrachten, und sogleich von der C/iicoie (Peitsche) sprechen, hiedurch
reizt man sie natürlicher Weise zum Zorn und verursacht Hafs und Streit.
Mit uns Fremden waren sie daher vorzüglich zufrieden, weil wir so aufrichtig
und gut mit ihnen umgiengen; auch bemerkten sie sehr gut an
unsern blonden Haaren, dafs wir einer andern Nation angehörten. Uebrigens
nennen sie alle Weifsen Rayon. Da wir auf der Fazenda keine
Farinha erhalten konnten, um alle diese Menschen abzufüttern, so sannen
wir auf Mittel ihren lauten Forderungen nach Nahrung auf andere
Weise abzuhelfen. Der Hausherr gab uns ein kleines Schwein, welches
wir ihnen mit dem Bedeuten schenkten, sich dasselbe zu schiefsen , und
erhielten dadurch Gelegenheit zusehen, mit welcher rohen Grausamkeit
sie die Thiere für ihre Nahrung bereiten. Das Schwein frafs neben dem
Hause; ein Pari schlich herbey und schofs es zu hoch unter dem Rückgrat
hinein ; es lief schreyend fort und schleifte den Pfeil nach. Der
Wilde ergriff jetzt einen zweyten Pfeil, schofs ihn im Laufen auf das
Vorderblatt des Thiers und fieng es nun; während dessen hatten die Weiber
in der Geschwindigkeit ein Feuer angezündet. Als wir sämmtlich
hinzukamen, schössen sie das Schwein noch einmal ins Genicke, um es
zu tödten, und dann noch in die Brust, Das Thierchen war indessen
nicht todt, es lag schreyend da und blutete sehr, aber ohne sich lange
zu besinnen und sich durch sein Schreyen stören zu lassen, warfen sie
es lebend ins Feuer um es zu sengen, und belachten einstimmig seine
vom Schmerz ausgeprefsten Töne. Nur als unser laut geäufsertes Mifsfallen
über diese Barbarey immer zunahm, trat einer von ihnen hinzu
und stach das aufs höchste gemarterte Thier mit einem Messej^ in die
Brust, worauf sie ihm die Haare abschabten und es sogleich zerschnitten
und vertheilten(=''). Viele von ihnen giengen bey der geringen Gröfse des
(*) So wenig wie liier, habe icli auch in der Folge irgendwo unter den Wilden
bestätigt gefunden, was Herr FREYREISS im iten Hefte S. 208 von Herrn T. ESCXIWEGE'S
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