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^96 R e i s e von Caravellas nach dem Rio Gr. de Belmonte
oder ein Thier der Wildnifs hier gelebt hat. Ich fand zu Jaüassema eine
besondere Art von Palme, deren in der Folge noch öfter Erwähnung
geschehen wird, die Piassaba-Falme ^ welche sich durch federbuschartig
aufsteigende hohe Blätter auszeichnet; bisher hatten wir diesen Baum
noch nie gesehen. Jetzt blühten hier nur wenige Pflanzen, als ich aber
im Monat November dieses Jahres noch einmal diese Gegend besuchte,
fand ich mehrere seltene und schöne Gewächse in der Blüthe, unter andern
ein herrliches Epidendram mit scharlachrothen Blumendolden. Diese Art
wächst an allen Uferwänden an der See.
Die Aussicht, welche man von dieser erhöhten Fläche auf die fern
hinziehende Küste und das weite Meer hat, ist erhaben und geeignet, den
einsam hier vorüberziehenden Reisenden zum ernsten Nachdenken zu
stimmen. Aus - und einspringende Winkel der Küste zeigen sich dem
Auge bis in die trübe blaue Ferne; die i^othen steilen Wände an der See
wechseln mit finstern Thälern, welche durchaus, so wie die Höhe, mit
dunkel-schwärzlichgrünen Wäldern angefüllt sind; trübe und dumpf brausend
rollt in hohen Wogen der tobende Ocean heran, in weiter Ferne
noch erblickt das Auge, seinen, an den Felsriffen weifs aufspritzenden
Schaum , und majestätisch erhaben schallt längs der öden weiten Scene
das donnernde Getöse der ewig unabänderlich kämpfenden Brandung hin,
von keinem Laute eines sterblichen Wesens unterbrochen. Ernst und
grofs ist der Eindruck, welchen diese hohe Naturscene macht, wenn man
sich ihre Dauer und Gleichförmigkeit durch allen Wechsel der Zeiten
hindurch denkt!
Wir erreichten die See wieder und kamen gegen Mittag an eine
Stelle, wo die mit der hohen Fluth gegen die Felsen anprallenden Wogen
den Weg völlig verschlossen; es war schlechterdings unmöglich,
mit beladenen Maulthieren über die Höhen zu klettern , wir fafsten uns
also in Geduld und luden unsere Thiere ab. In der Nähe eines klehien
R e i s e von Caravel las nach dem Rio Gr. de Belmonte
Corrego von klarem Wasser ^vxirde ein Feuer angezündet; Decken und
Ochsenhäute schützten uns einigermafsen gegen den frischen, alles durchdringenden
Seewind, und unser frugales Mittagessen ward in einem Kessel
ans Feuer gesetzt. Finsterer Wald schlofs rund um den kleinen Weideplatz
ein, auf welchem unsere Lastthiere graseten; in den Gebüschen
krochen zwitschernd die Nectarinia flaoeola {Certhia flaoeola, Linn.)
und der grüne Sänger {Sylvia Trichas) umher. Der Caracara {Falco
crotophagas) fand sich sogleich ein, und liefs sich auf den Rücken unserer
Thiere nieder, um ihnen die Insekten abzulesen. Die Maulthiere scheinen
den Besuch dieses sonderbaren Raubvogels zu lieben, sie stehen stille,
wenn er erscheint und auf ihnen umher geht. Az a r a hat dieses Thier
unter den Vögeln von Paraguay mit dem Nahmen Chimachima aufgeführt.
Unser Aufenthalt an dieser einsam romantischen Stelle der Küste
dauerte bis der Vollmond am Himmel hervortrat; jetzt waren die Felsen
so weit entblöfst, dafs wir sie umreiten konnten. Noch unlängst ward
diese Küste von Prado bis zum Rio do Frade, als sehr gefährlich wegen
der Wilden angesehen , und niemand würde es gewagt haben allein hier
zu reisen. Li n d l e y ( - ) sagt dasselbe; allein jetzt steht man in friedlichen
Verhältnissen mit den Patachos und fürchtet sie nicht: da man ihnen
jedoch nicht ganz trauen darf, so ist es besser immer in gröfserer Anzahl
zu reisen. Als ich im November dieses Jahres noch einmal diese Reise
machte, fand ich bey starker Ebbe weite Bänke von Sand - und Kalkfelsen,
die sich tief in die See hinaus erstrecken, und wohl grofsentheils
durch Corallenthiere gebildet worden sind. Ihre Oberfläche ist in regelmäfsige
parallele Risse getheilt; in den vom Wasser darin ausgewaschenen
Löchern leben Krabben und andere Seethiere; die Oberfläche dieser
Felsbänke überzieht zum Theil eine grüne Byssus-artige Masse. Die Ebbe
trat nun immer stärker ein, wir umritten mehrere, bey der Fluth völlig
(*) Dessen Norratix>e of a ^oy.age to Brazil p. 228.
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