A u f e n t h a l t am R i o G r a n d e d e B e l m o n t e
Waldes das junge rosenrothe Laub der , und die Petrcea
volubüis mit ihren langen himmelblauen Blumenrispen aus. Unter einem
heftigen Regen erreichten wir spät am Abend das Ziel unserer Reise
und landeten an der Sand-Insel. Gegen die Nacht liefs der Reg'en etwas
nach, allein an ein trocknes und ruhiges Nachtlager war hier nicht zu
denken; völlig durchnäfst krochen wir in einige alte verfallene Fischerhütten,
von welchen längst die deckenden Blätter herab gefault waren.
Durch einige Decken und Ochsenhäute suchten wir uns gegen den Regen
zu sichern und zündeten ein Feuer an, um uns zu erwärmen und zu
trocknen ; allein bey dem immer durchfallenden Regen konnten wir
kaum dasselbe im Brand erhalten und erwarteten daher mit Ungeduld
das^ Ende der langen Nacht. Am folgenden Morgen wurden sogleich
einige Leute mit einem Canoe nach dem Walde gesandt, um Brennholz
zu hauen und Palmblätter, Stangen und prpd'i zu schneiden, damit
wir sogleich eine grofse geräumige Hütte erbauen konnten. Die Witterung
wurde uns zwar etwas günstiger, da aber unsere Arbeit noch öfters
durch Regenschauer unterbrochen wurde, so nahm uns die Vollendung
unserer Wohnung diesen und den ganzen folgenden Tag. Ich befand
mich hier auf der Insel mit vier von meinen Leuten und einem Botocuden,
Nahmens Ahö, welcher mich der Jagd wegen begleitet hatte; von
diesen waren immer zwey zu Hause, um unsere Insel zu bewachen und
die Küche zu versehen, die andern schifften nach dem Wa lde , um zu
jagen. Bey einer solchen Excursion war einst das Canoe kaum abgefahren,
als ich meine Jäger schon schiefsen und dann gleich zurückkehren
sah. Sie hatten aus dem Was ser die vier Füfse eines Quadrupeds hervorblicken
sehen, das sie für ein todtes Schwein hielten; als sie aber
näher hinzukamen, sahen sie eine colossale Schlange, welche in mehreren
Windungen einen grofsen Capybara umschlungen und getödtet
hatte. Sie brannten augenbhcklich zwey Flintenschüsse nach dem Unthier
A u f e n l h a l t a m Pi i o G r a n d e d e B e l m o n t e 3 5 9
ab, und der Botocude schofs ihm einen Pfeil in den Leib; alsdann erst
verliefs sie ihren Piaub und schofs, der Verwundung ungeachtet, schnell
davon, als wenn ihr nichts widerfahren wäre. Meine Leute fischten
den noch frischen, eben erst erstickten Ca/ij-ö^ra auf und kehrten zurück,
um mir Nachricht von diesem Vorfall zu geben. Da es mir äufserst
wichtig- wa r , diese merkwürdige Schlange zu erhalten, so sandte ich
sogleich die J äger wieder aus, um sie zu suchen; allein alle angew^andte
Mühe war fruchtlos. Die Schrote hatten in dem Was ser ihre Kraft verloren,
und den Pfeil fand man zerbrochen am Ufer, wo ihn die Schlange
abgestreift hatte; unbedeutend verwundet hatte sie sich schnell so weit
entfernt, dafs man zu meinem gröfsten Leidwesen sie nicht wieder auffinden
konnte. Dieses Pieptil, die Sucuriaba des Flusses Belmonte^ oder
der Sacuriu^ wie man sie in Minas Geraes nennt, ist die gröfste Schlangenart
von Brasilien , wenigstens in den oben genannten Gegenden; sie
ist von den Naturforschern mit manchen Irrthümern und Verwechslungen
beschrieben worden; D a u d i n hat sie unter dem Nahmen der Boa Anacondo
aufgeführt. Sie ist über ganz Süd-Amerika verbreitet und erreicht
die bedeutendste Grofse von allen Arten dieses Genus in diesem Theile
der Welt. Alle Benennungen, w^elche auf den Aufenthalt der Boa-
Schlangen im Wa s ser deuten, gelten für diese Ar t ; denn alle übrigen
bewohnen nie das Wa s s e r , dahingegen der Sacuriu oder die Sucuriuba
beständig in und an dem Wa s s e r lebt, und daher in der buchstäblichen
Bedeutung des Wor tes eine wahre Amphibie ist. Diese Schlange hat
nichts Gefälliges in ihrer Zeichnung; ihr Rücken ist dunkel-olivenschwärzlich,
und über demselben laufen der Länge nach zwey Reihen von runden
schwarzen gepaarten Flecken, welche meistens ziemlich regelmäfsig neben
einander stehen. In unbewohnten, von Menschen nicht beunruhigten
Gegenden, erreicht sie eine colossale Gröfse von 20 bis 3o und mehr
Fufs. D a u d i n hält in seiner Naturgeschichte der Pieptilien die Schlange,
i i
m