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klare Wasserdümpfel lagen. Eine Menge Vögel belebten diesen Ort. Der
rostrothe Rohrsänger mit zugespitzten Schwanzfedern ( L ' W e . Az aka
voyages Tom. ffl. p. 461) baute eben sein Nest ins Rohr , und trug Materialien
herbey. Hinter dieser Stelle wurden W durch einen hohen Urwald
entzückt: himmelanstrebende, schlanke, weifsstämmige Mimosa- ,
Cecropia-, Cocos - und andere Bäume, wai-en durch unzählige Schlingpflanzen
(Cipo^s der Portugiesen und Lianen der Spanier) so dicht verschlungen,
dafs das Ganze ein undurchdringliches Gewirre schien. In den
finstern Kronen der Bäume strahlte wie Feuer die Blumenmasse der rankenden
Bi-^non/a Bellas (so genannt von Herrn S b l l o w nach der Markisin
VON B e l l a s , welche dies schöne Gewächs zuerst entdeckte) und
andere Prachtblüthen ; unten schwirrten mannigfaltige Colibri's und
Schmetterlinge. Dieser Wa ld wa r indessen doch nur ein schwaches Bild
der Urwildnifs, welche m r nun bald in der de Inaà kennen lernten.
.Wir fanden nun Gegenden, wo man an einigen Stellen den Wa ld
abgebrannt hatte, um den Boden zu bebauen, oder um, wie man sich
hier ausdrückt, ein Rogado oder eine Roça anzulegen. Die ungeheuern
angebrannten Stämme standen gleich Ruinen von Säulengängen da,
durch verdorrte Stricke von Schlingpflanzen noch zum Theil verbunden.
Als wir hier anhielten, ertönte plötzlich ein unerträghches lautes Geknarre;
es wa r der Ton, welchen die Karren hervorbringen, deren
man si'ch auf den Fazendas bedient. Noch ist hier im Lande die Industrie
nicht so weit vorgerückt, Räder , den europäischen gleich, an jen^n
Fuhrwerken anzubringen. Eine schwere, massive, hölzerne Scheibe mit
zwey kleinen runden Oeifnungen bildet das Rad, welches sich mit der
heftigsten Reibung um die Achse dreht, und ein weit durch die Gegend
schallendes, höchst widriges Geheul verursacht. Es scheint sog a r , dafs
es den Pflanzern zu einer Art von Bedürfnifs geworden ist, diese liebliche
Musik zu hören; so grofs ist die Macht der Gewohnheit! Selbst
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in Portugal bedient man. sich noch dieser abscheulichen Fuhrwerke. Die
Ochsen, welche diese Karren zogen, waren von colossaler Gröise und
der schönsten Ra ce; ihre Hörner sind sehr lang- und stark; ein Negersclave,
einen langen Stock in der Hand, führt sie. Wi r näherten uns
jetzt einer Gebürgskette, die den Nahmen der Serra de Inud trägt. Diese
Wildnifs übertraf alles, was sich meine Phantasie bis jetzt von reizenden,
grofsen Naturscenen vorgestellt hatte. Wi r betraten eine tiefe Gegend, in
der viel klares Wa s s e r in felsigtem Boden fiofs, oder stehende Dümpfel
bildete. Etwa s weiter zeigte sich ein Urwald ohne gleichen. Palmen
und alle die mannigfaltigen baumartigen Prachtgewächse dieses schönen
Landes waren durchaus mit rankenden Gewächsen so verschlungen, dafs
es dem Auge unmöglich war, durch diese dichte, grüne Wand zu dringen.
Ueberau, selbst auf dünnen niedern Stämmchen, wachsen eine Menge
Fleischgewächse, Epidenclrum^ Cactus^ Bromelia u. a. m., die zum Theil
solche Blumen t ragen, dafs, we r sie zum erstenmal erblickt, davon entzückt
werden mufs. Ich nenne nur eine Bromelia-Art mit hoch corallenrother
Blumenkolbe, deren Blättchen herrlich violetblaue Spitzen haben,
und die Helicorda^ ein der Strelizia ähnliches Bananengewächs , mit
hochrothen Blumenscheiden und weifsen Blumen. In diesen dunkeln
Schatten, an kühlen Felsen-Quellen, überfällt den erhitzten Wanderer eine
plötzliche Kälte. Uns Nordländern behagte diese erquickende Temperatur,
die das Entzücken erhöhte, mit dem uns in dieser schauerlichen Wildnifs
die Erhabenheit der sich uns darstellenden Naturscenen stets aufs neue
erfüllte. Mit jedem Augenblick fand jeder von uns etwas Neues , seine
ganze Aufmerksamkeit Fesselndes, und kündigte es mit lautem Freudenruf
seinen Reisegefährten an. Selbst die Felsen sind hier mit tausendfältigen
Fleischgewächsen und cryptogamischen Pflanzen bedeckt; insbesondere
findet man die herrlichsten Farrenkräuter {Filioc)^ die zum Theil, gleich
gefiederten Bändern, von Bäumen höchst mahlerisch herabhängen. Die
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