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 i 8 4  Aufenthalt  zu  Capitanía  und  Reise  zum  Rio  Doge  
 Jahrhunderts  enthielt  der Distrikt  von  Espirito-Santo  nicht  mehr  als  5oo  
 Portugiesen  und  vier  indische  Dörfer  Heut  zu  Tage  erblicht  man  auf  
 dem  südlichen  Ufer  des  Flusses,  nicht  weit  von  seiner  Mündung  in  einem  
 schönen  Busen  die  f^illa  Velha  da  Espirito-Santo  ^  eine  kleine,  schlechte  
 offene  Trilla  ^  die  gröfstentheils  in  einem  Quadrate,  erbaut  ist.  Am  einen  
 Ende  steht  die  Kirche  und  am  andern,  nahe  am  Wasser,  das  Casa  da  
 Cantara  (königliche  Gebäude  oder  Rathhaus).  Auf  einem  hohen,  mit  
 Wald  bedeckten  Berge,  unmittelbar  neben  der  f^illa^  liegt  das  berühmte  
 Kloster  von  Nossa  Senhora  da  Penha^  eins  der  reichsten  in  Brasilien,  
 das  von  der  Abtey  zu  S.  Bento  in  Rio  de  Janeiro  abhängt  5  es  soll  ein  
 wunderthätiges  Marien-Bild  besitzen,  weswegen  eine  Menge  Menschen  
 dahin  wallfahrten.  Jetzt  befanden  sich  nur  zwey  Geistliche  daselbst.  Um  
 die  über  alle  Beschreibung  erhabene  Aussicht  von  den  Mauern  jener  Höhe  
 zu  geniefsen,  lohnt  es  sich  der  Mühe,  sie  zu  ersteigen;  denn  man  
 übersieht  den  weiten  Spiegel  des  Meeres  und  ins  Land  hinein  schöne  Gebürgsketten  
 und  mancherley  Kuppen  mit  Thälern  dazwischen,  aus  welchen  
 der  breite  Flufs  höchst  mahlerisch  hervortritt.  Die  f^illa  besteht  
 aus  niedrigen  Lehmhütten,  ist  ungepflastert  und  sichtbar  im Verfall,  seitdem  
 man  etwa  eine  halbe  Stunde  weiter  aufwärts  auf  dem  nördlichen  
 Ufer  des  Flusses  die  Pilla  de  T^ictoria  erbaut  hat,  einen  hübschen  kleinen  
 Ort,  der  nach  meiner  Abreise  von  da,  zur  Qidade  (Stadt)  erhoben  
 worden  ist.  Espirito  - Santo  war  nur  eine  Unterstatthalterschaft,  ward  
 aber  später  auch  zur  Capitania  erklärt.  Die  Qidade  de  Nossa  Senhora  
 da  J^ictoria  ist  ein  ziemlich  netter  Ort,  mit  ansehnlichen  Gebäuden,  
 nach  der  altportugiesischen  Bauart  mit  Balkons  von  hölzernem  Gitterwerke  
 versehen,  mit  gepflasterten  Strafsen  und  einem  mäfsig  grofsen  
 königlichen  Gebäude,  dem  Jesuitenconvent,  worin  der  Gouverneur  wohnt,  
 der  hier  zu  seiner  Disposition  eine  Compagnie  reguläres  Militär  hat.  
 (*)  SO Ü T I I E Y ' S  history  of  Brazil,  Vol.  1.  p.  667.  
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 A u f e n t h a l t  zu  Capitania  und  Reise  zum  Rio  Do?e  l85  
 Aufser  mehreren  Klöstern  befinden  sich  hier  eine  Kirche  ,  vier  Kapellen  
 «nd  ein  Hospital.  Die  Stadt  ist  jedoch  etwas  todt  und  Fremde  betrachtet  
 man  hier  als  Seltenheit  mit  der  g-röfsten  Neugierde.  Der  dasige  Küstenhandel  
 ist  nicht  g:anz  unbedeutend,  daher  liegen  beständig  mehrere  Lanchas, 
   Sumacas  und  andere  Barcos  hier,  auch  können  Fregatten  bis  zur  
 Stadt  hinauf  segeln  ;  die  Fazendds  in  der  Nähe  gewinnen  viel  Zucker,  
 Mandioccamehl,  Reifs,  viele  Bananen  und  andere  Erzeugnisse,  welche  
 längs  der  Küste  hin  versandt  werden.  Mehrere  Forts  vertheidigen  den  
 Eingang  in  die  Mündung  des  schönen  Flusses  Espirito-Santo  ,  eins  unmittelbar  
 an  der Mündung,  eine  zweyte  Batterie  von  Stein  erbaut,  höher  
 aufwärts  mit  acht  eisernen  Kanonen,  und  noch  höher  am  Berge  zwischen  
 dieser  und  der  Stadt  eine  dritte  Batterie  von  etwa  17  bis  18  Kanonen,  
 worunter  einige  wenige  metallene  sich  befinden.  Die  Stadt  ist  auf  angenehmen  
 Hügeln  etwas  uneben  erbaut,  und  der  an  ihr  vorbey  strömende  
 Flufs  ist  hier  auf  allen  Seiten  von  hohen Bergen  eingeschlossen;  sie  bestehen  
 zum  Theil  aus  Felsen,  die  oft  nackt  und  schroff  und  mit  Fleischgewächsen  
 bewachsen  sind.  Der  schöne  Spiegel  des  breiten  Flusses  wird  
 durch  mehrere  grün  bewachsene  Inseln  geschmückt,  und  landeinwärts  
 findet  das  Auge,  wenn  es  demselben  folgt,  einen  schönen  Ruhepunkt  
 auf  hohen  grünen  waldigen  Gebürgen.  
 Nachdem  wir  angekommen,  nahmen  wir  unsere  Wohnung  zu  J^illa  
 J^elha  do  Espirito-Santo,  weil  hier  gute  Weide  für  unsere  Thiere  war.  
 Von  hier  machten  wir  in  grofsen  Canoes  die  Fahrt  nach  der  Qidade  de  
 f^ictoria,  jedoch  wegen  eines  heftigen  Seewindes  und  der  Breite  des  
 Wasserspiegels  nicht  ohne  Gefahr.  Der  Gouverneur,  dem  wir  unsern  
 Besuch  abstatteten,  empfieng.  uns  dem  Anscheine  nach  sehr  höflich.  Da  
 wir  ihn  um  eine Wohnung  auf  dem  Lande  in  der  Nähe  der  Stadt  ersuchten,  
 wies  er  uns  zn  Barra  de  Jacú,  an  der  Mündung  des  kleinen  Flusses  ^ac«,  
 etwa  4  Stunden  von  der  Stadt,  ein  bequemes  gutes  Haus  an,  welches  
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