88 A u f e n t h a l t zu Capitanía und Picise zum Rio Doge
Lieblingsnahrung ausmachen. Auch Rehe gab es in diesem Wa ide , und
der Oberst F A L C A O liefs, um -dieselben zu jagen, seine Jagdhunde von
Aragatiha herüber bringen. Um indessen grofse und seltene Thiere zu
erlegen, die die Nähe des Menschen mehr scheuen, giengen wir in den
zwey bis drey Stunden weit entfernten weitläuftigen Urwald in der Nähe
der Fazenda von Aragatiha, Der We g dahin war äiifserst angenehm;
er führte anfangs durch weite sumpfige Sandebenen mit mancherley
Sumpfgewächsen angefüllt; dann erstiegen wh^ Hügel, wo ein dichtes
Geflechte von jungen Cocospalmen und andern schönen Bäumen finstern
Schatten verbreiteten. Ein schilfartiges Gras überzieht hier die offenen
Stellen, in welchen der kleine stahlglänzende Fink (^Frmgilla nitens^ljmisS)
äufserst häufig sich aufhält. Bey einem Ritt in einem engen Waldpfade
fand ich hier einst eine grofse Schlange zusammengerollt ruhen, welche
uns nicht ausweichen wollte. Mein Reitthier scheute, ich erg^riif also
eine mit Schrot geladene Pistole und tödtete die Schlange. Wir erkannten
bey näherer Untersuchung-, dafs sie von einer unschädlichen Gattung
war und erfuhren, dafs man sie hier im Lande unter dem Nahmen der
Caninana kennt. Sie gehört übrigens zum Genus Coluher ('•'). Nur nach
langem Zureden konnte ich den uns begleitenden Neger des Obersten
F Ä L C A O bewegen, die Schlange aufs Pferd zunehmen. Eine schauerliche
Wildnifs bildete der grofse Wald von Aragatiba, überall entflohen mit
lautem Geschrey die Papageyen, und die Stimme der ^«¿i«5ÄM-Afren
erschallte rund umher. Lianen oder Qipo's aller, und mitunter der sonderbarsten
Arten verflechten die hohen Riesenstämme zu einem undurchdringlichen
Dickicht; die Prachtblumen der Fleischgewächse, die herabhängenden
Ranken der die Bäume umschlingenden Farrenkräuter waren jetzt
alle im üppigsten Trieb; junge Cocospalmen zieren überall die niedere
( * ) Diese Art ist liöchst walirscheinlich MERHEHI'S reranderliclic Nalterj siehe dessen
B c j t r ä g c zur NaturgcscliiclUe der Amphibien, 2tes Heft S. 5i. Taf. XII.
A u f e n t h a l t zu Capitania und Reise zum Rio Doge 189
Dickung, besonders an feuchten Stellen; hier und da bildete áleCecropia
peltata besondere Gebüsche mit ihren silbergrauen geringelten Schäften.
Unerwartet traten wir aus diesem heiligen Dunkel ins Freye, und eine
angenehme Ueberraschung gewährte es uns, als wir hier plötzlich am
Fufse des hohen Ti^orz-o de Aragatiba, eines mit Wa l d bewachsenen Felsgebürges
auf einer schönen grünen Fläche das grofse weifse, mit zwey
kleinen Thürmchen versehene Gebäude der Fazenda de Aragatiba erblickten.
Dieses Gut hat 400 Negersclaven und in der Nähe sehr ausgedehnte
Pflanzungen, besonders von Zuckerrohr. Die Söhne des Obersten wohnen
ebenfalls auf besondern Fazendds nicht weit von hier entfernt. Aragatiba
ist die bedeutendste Fazenda, welche mir auf dieser Reise zu Gesicht
gekommen ist; das Gebäude hat eine breite Fronte von zwey Stockwerken
und eine Kirche; die Negerhütten mit dem Zucker-Engenho und den
Wirthschaftsgebäuden liegen unweit des Hauses am Fusse eines Hügels.
Etwa eine Stunde von hier befindet sich in einer wilden, von hohem
Urwalde ringsumgebenen Gegend amFlüfschen Jacú eine Fazenda,
Coreaba genannt, die einen andern Besitzer hat. Der Gouverneur hatte
nicht weit von Coreaba zu 5. Agostinho jetzt den Bau einer Kirche
unternommen; er hielt sich deswegen jetzt daselbst auf. An diesem Orte
befindet sich ein Militärquartel gegen die Wilden , man war jetzt damit
beschäftigt von da aus einen W e g nach Minas Geraés zu bahnen, und ein
Officier halte bereits auf Befehl des Gouverneurs eine Reise dahin unternommen,
um die Communication durch die Wälder zu eröffnen. Die
Regierung hat zu Agostinho etwa 40 Familien, welche von den
Azorischen Inseln, besonders von Tergeira.S, Miguel, und einige wenige
von Fayal herüber gekommen waren, angesiedelt. Diese Leute,
die hier in.grofser Armuth leben, klagen sehr über ihre traurige Lage,
da man ihnen grofse Versprechungen gemacht und dieselben nicht
erfüllt hatte.