68 R e i s e von Rio de Janeiro nach Cabo Frio
heute die Fazenda von Püanga^ welche wir auf einer Höhe vor uns,
einer alten Ritterburg gleich, vom hellen Mondscheine magisch beleucht
e t , liegen sahen. Wir ritten hinauf und pochten an die verschlossenen
Thore, die sich endHch öffneten und uns einnahmen. Der gefällige Feitor
(Verwalter) räumte uns sogleich das Gebäude ein, in welchem die Farinha
bereitet wird. Wir fanden mit allen unsern Leuten und unserm
Gepäck ein bequemes, geräumiges Quartier, und blieben deshalb einige
Tage hier, um die ganze umliegende Gegend zu durchstreifen.
Diese Farinha-Fabrik war eine der vollständigsten. Das Mehl wird
auf folgende Weise bereitet. Die Wurzel n der Mandioccapflanze {Jatropha
Manihot^ LINN.) werden zuerst geschabt, um sie von der Rinde
zu befreyen: hierauf hält man sie an ein grofses R a d , das herum gedreht
w i r d , und schleift sie dadurch zu einem kleingeriebenen Brey ab. Alsdann
wird die Masse in lange, weite, von Rohr oder Bast geflochtene
Schläuche gefafst, welche aufgehängt und in die Länge gezogen
werden; durch diese Ausdehnung wird der Schlauch enger und prefst
den in der Masse, befindlichen Saft aus (-)• Den übrigbleibenden conslstenten
Theil bringt man in grofse eingemauerte Pfannen von Kupfer
oder gebranntem Thon , in welchen er durch die Hitze völlig getrocknet
w i r d , wobey aber die dicke Masse beständig mit eigens dazu bestimmten
Werkzeugen, einer Stange, welche an ihrem vordem Ende ein kleines,
senkrecht gestelltes Bret trägt, hin und her bewegt werden mufs,
damit sie -nicht anbrenne. Das so bereitete trockne Mehl ist nun das,
was man Farinha nennt. Auf den Pfannen der Mandiocca-Oefen trockneten
wir auch, wenn feuchte Wi t terung eintrat, unsere neupräparirt
en Naturalien ; aber obgleich alsdann immer des Nachts dabey gewacht
wurde , so verbrannten uns dennoch zuweilen seltene Thiere.
(*) S. GILII SAGGIO dl Storia americana T.II. p. 3o4. sqq. tab. 5.
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Das Wetter war jetzt sehr kalt, ein heftiger Wind blies an der
Seeküste, und das Thermometer stieg am Mittage kaum i3 ° REAUMUR.
Die Gegend, in welcher Sümpfe, Triften, Gebüsche und Waldungen mit
einander abwechseln, lieferte uns manches interessante Thier. Unsere
Jäger brachten zum erstenmale 'die Jacupemba {Penelope Marail^ LINN.),
die sehr gut zum Essen ist, und die grünen Tucane oder Arassaris (Ramphastos
Aracari^ LINN.) ein, schöne Vögel, die einen kurzen zweysylbigen
Laut von sich geben. Die Aussicht von den Gebäuden aus war
sehr hübsch und von weitem Umfange; ein Telegi^aph correspondirte von
hier mit dem zu Sagoarema^ welchen wir in der Ferne liegen sahen,
Pitanga war ehemals ein Kloster gewesen, welches noch unter andern
die alte Ki rche zeigt. Gegen Mittag war unsere Tropa beladen, und es
gewährte uns grofsen Vor thei l , dafs der Verwal ter , um uns den W e g zu
zeigen, uns zu Pferde begleitete. Mit unsern unbändigen Maulthieren
würden wir in der Dunkelheit der uns später ereilenden Nacht und in
dem schlechten Wege voll Wasser wahrscheinlich einen Theil unseres
Gepäckes eingebüfst haben, indem unsere Thiere mit ihren Kasten in den
schmalen Waldwegen nicht fort konnten, gegen die Bäume rennend,
scheu ihre Ladung abwarfen und in das Dickicht flohen. Das Wiederfangen
und Wiederbeladen derselben hielt uns sehr lange auf; wir mufsten
nun mit mehr Vorsicht zu W e r k e gehen, und die uns hindernden Stämme
abhauen. Endlich erreichten wir offene Wiesen mit grofsen Sümpfen,
Gesträuchen und breiten Wasserpfützen, die wir durchwaten mufsten,
eine unangenehme Erscheinung für unsere Fufsgänger, besonders für die
im Gebüsche jagenden Europäer, die nicht an solche Wasserreisen zu
Fufse gewöhnt waren. Durch diese widrigen Begegnisse aufgehalten
erreichten wir erst spät bey Nacht die Fazenda Tiririca , wohin wir
einen Reiter voraus gesandt hatten, um uns Quartier zu erbitten. Ihr
Eigenthümer, der Herr CapitamMor, wies uns anfänglich sein Zucker