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 Gerne  hätten  wir  in  Coroaha  uns  niedergelassen  ;  aber  die  Unmög-- 
 lichkeit,  unsere  grofse  Begleitung  daselbst  unterzubringen,  nöthigte  uns  
 für  jetzt  in  Barra  de  Jacú  zu  bleiben.  
 Man  hatte  mehrere  für  uns  sehr  nöthige  Gegenstände,  die  wir  in  
 Capitanía  (so  nerint  man  schlecht  weg  ebenfalls  die  Gegend  Espirito- 
 »Sa/Jio) erwarteten,  nd^ch Caravellas  gesandt,  ein Umstand,  der  unsere  Reisegesellschaft  
 in  nicht  geringe  Verlegenheit  setzte.  Um  derselben  abzuhelfen, 
   fafsten  wir,  Herr  F R E Y R E I S S  und  ich,  den  Entschlufs,  die  Reise  nach  
 Caravellas  schnell  zu  unternehmen,  um  dort  unsere  Geschäfte  in  Ordnung  
 zu  bringen.  Leicht  eingerichtet  und  von  einigen  wenigen  wohlbewaffneten  
 Leuten  zu  Pferde  begleitet,  yerliefsen  wir  am  i9ten  December  ^ar r a  
 deJucú-^  der  zurückbleibende  Theil  unserer  Tropa  begab  sich  indefs  nach  
 Coroaba^  um  dort  zu  arbeiten.  Wir  hätten  dieselbe  Reise  in  weit  kürzer 
 e r  Zeit  zur  See  machen  können,  allein  die  Schifffahrt  längs  der  Küste,  in  
 kleinen  unbequemen  Fahrzeugen,  ist  in  der  Zeit  der  Gewitter  und  Stürme  
 eben  nicht  die  angenehmste.  Wir  begaben  uns  nd^chPedra  d'Agoa,  einem  
 einzelnen,  auf  einer  Höhe  am  Flusse  liegenden  Hause,  um  daselbst  mit  
 unsern  vier  Reit-und  zwey  Lastthieren  über  den  Espirito-Santo  zu  setzen.  
 Hier  sahen  wir  gerade  gegen  uns  über  auf  den  jenseitigen  Gebürgshöhen,  
 den  merkwürdigen,  unweit  Prilla  de  J^ictoria  liegenden  Felsen  Jucutacoara. 
   Aehnlich  à^uiDent  de  Jaman  \nPays  de  P^aud fällt  dieser  Steinblock  
 von  fern  ins  Auge;  er  ist  auf  sanfte  grüne  Höhen  aufgesetzt,  die  
 zum  Theil  mit  kleinen  Gebüschen  bedeckt  sind.  Vor  ihm,  dem  Flusse  
 näher,  liegt  die  freundliche  Fazenda  Rumào  ^  vor  welcher  die  Tauben- 
 Insel  {Ilha  das  Pomhas^  den  Spiegel  des  Flusses  theilt  ;  die  ¿^te Tafel  giebt  
 ein  anschauliches  Bild  dieser  Landschaft.  Der  Blick  von  der  diesseitigen  
 Höhe  auf  den  schönen  Flufs,  wo  einige  Lanchas  und  Fischercanoes  hinab  
 segelten,  war  sehr  angenehm.  Wir  hätten  gewünscht  sogleich  übersetzen  
 zu  können,  allein  es  zeigten  sich  leider  keine  Canoes,  um  uns  hin- 
 A u f e n t h a l t  zu  Capitania  und  Reise  zum  Rio  Do^e  IQl  
 über  zu  schaffen,  wir  baten  daher  den  alten Bewohner  von  Pedra  d'yigoa  
 um  9uartier  und  übernachteten  in  einer  vor  Regen  und  Wind  nur  wenig  
 geschützten  kleinen  Hütte;  der  gute  Wille  des  Wirthes  entschädigte  uns  
 indessen  reichlich  ftir  diese  Unannehmlichkeiten.  Bey  Annäherung  des  
 Abends  versammelte  sich  das  umherlaufende  Vieh;  unter  diesem  kam  uns  
 ein  sonderbares  Schaaf  zu  Gesicht  von  welchem  wir  bey  genauerer  Nachfrage  
 erfuhren,  dafs  es  ein  Bastard  von  einem  Schafbocke  und  einer  Ziege  
 sey.  Das  Thier  glich  sehr  seiner Mutter,  es  war  dick,  stark  und  rund,  von  
 sehr  sanftem  Ziegenhaare  und  trug  etwas  mehr  auswärts  gebogene  HörnereO 
   Bey  den  jungen Lämmern,  die  von  den  Knaben  eingefangen  wurden, 
   fand  man  häufig  in  der  noch  unverwachsenen  Nabelhöhle  eine  Menge  
 Maden,  gegen  welche  man  Merkur  an  diese  Stelle  strich.  Diese  Maden  
 sind  ein  in  heifsen Ländern  sehr  gewöhnliches  Uebel,  wo  hier  nur  irgend  
 eine  Wunde  entsteht,  finden  sich  sogleich  Fliegen,  die  ihre  Eyer  hinein  
 legen.  Es  giebt  in Brasilien  noch  ein  anderes  Insekt,  das  sein  Ey  in  das  
 Muskelfleisch  oder  unter  die  Haut,  selbst  des Menschen  legt;  nach  dem  
 Stich  dieses Thieres  spürt  man  einen  kleinen  örtlichen  Schmerz,  die  Stelle  
 schwillt  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  an,  alsdann  zogen  unsere  Leute,  die  
 dieses  beschwerliche  Uebel  recht  gut  kannten,  eine  Made,  einen  kleinen  
 weifsen,  länglichten  Wurm  hervor,  worauf  die  gemachte  kleine  Wunde  
 sogleich  heilte.  A z A R A spricht  wahrscheinlich  von  demselben  Insekte  
 er  glaubt  indessen,  dafs  erst  der  Wurm  selbst  in  die  Haut  eindringe'  
 welches  mit  unsern  Erfahrungen  nicht  übereinstimmt.  
 Am  folgenden  Morgen  kamen  unsere  Canoes;  wir  liefsen  uns  über  
 den  beynahe  1000  Schritt  breiten  Flufs  setzen.  Unser  Weg  führte  uns  
 durch  ein  Thal,  das  in  verschiedenen  Windungen  unmittelbar  unter  der  
 Höhe  hinweg  zieht,  auf  welcher  der  Jacntucoara  gelagert  ist;  in  der  
 (*)  S.  BOFFOIV  Supplement  T.  V.  p.  4-  (der  Ausgabe  in  12.)  
 (**)  S.  AZARA  Toyages  etc.  Vol.  I.  p.  217.  
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