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 6 0  R e i s e  von  S.  Salvador  zum  Flusse  E  spi  r i  to- S  a n  10  R e i s e  von  S.  Salvador  zum  Flusse  Espirito-Santo  6  
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 In  dem  schattenreichen  hohen  Urwalde  fanden  wir  schöne  Gewächse,  
 die  Gesträuche  waren  hoch  hinauf  von  dem  herrlichen  Convolviilas  mit  
 himmelblauen  Glocken  durchrankt.  Der  Jaö  (-)  liefs  seinen  tiefen  lauten  
 Pfiff  in  drey  oder  vier  Tönen  erschallen:  man  hört  ihn  in  jenen  unermefslichen  
 Waldungen  zu  allen  Stunden  des  Tages  und  selbst  in  der  Mitternacht. 
   Dieser Vogel  hat  ein  eben  so  schmackhaftes  Fleisch  als  alle  übrigen  
 Arten  seines  Geschlechts,  das  man  gewöhnlich  mit  dem  Nahmen  der  
 Tinamus  oder  der  InambjjCs  belegt.  
 Als  wir  den  Wa l d  zurückgelegt  hatten,  befanden  wir  uns  in  weitläuftigen  
 neu-angerodeten  Pflanzungen.  Hier  auf  einer  Höhe,  wo  uralte  
 Waldstämme  gleich  einem Verhau,  kreuz  und  quer  durcheinander  gefällt  
 lagen,  eröffnete  sich  eine  reizende  Aussicht  in  die  majestätischen  Wildnisse  
 an  den  Ufern  des  Itabapuana,  der  gleich  einem  Silberstreif  aus  
 finstern  Waldungen  schlängelnd  hervortritt,  und  eine  grüne  Ebene  durchschneidet, 
   in  der,  von  weitläuftigen  Pflanzungen  umgeben,  die  grofse  
 Fazenda  von  Murihecca  sich  zeigt.  Fdngsum  begränzen  unermefsliche  
 Waldungen  den  Horizont.  Die  vielen  in  den  Pflänzlingen  arbeitenden  
 Neger  staunten  verwundert  unsere  Tropa  an,  welche  gleich  einer  Erscheinung  
 einer  fremden  Wel t  aus  dem  Walde  heran  zog.  
 W i r  erreichten  zuerst  Gatingati^  das  mit  Maribecca  den  gemeinsamen  
 Nahmen  Fazenda  de  Maribecca  trägt;  ehemals  gehörte  sie  mit  
 einem  9 Legoas  langen  Gebiet  den  Jesuiten,  die  diese  Gebäude  angelegt  
 haben;  jetzt  aber  vier Eigenthümern  gemeinschaftlich.  Noch  jetzt  befinden  
 sich  hier  3oo  Negersclaven,  worunter  indessen  nur  etwa  5o  tüchtige  
 (*)  Tinamus  noctix>agus,  eine  neue  bis  jetzt  unbeschriebene  Art  von  Tinamü  oder  Inambix.  
 E r  ist  kleiner  als  die  Macuca(Tinamnj  brasiUensis,  Latii.)  i3  Zoll  5  Linien  langj  obererTlieil  
 dunltelgrau-röthliclibraun,  Rücken  etwas  kastanienbraun;  Sclieitcl  stark  ascbblau  überlaufen,  
 etwas  sclnvärzUch  geHeckt;  Unterrücken  und  Uropygium  röthlich-rostbraun,  aber  alle  diese  
 Theile  des  Rückens  sind'schwarzbz'aun  quergestreift;  Kinn  und  Kehle  •weifslich;  Unterhals  
 aschgrau;  Rrust  lebhaft  braunlicli  rostgelb;  Bauch  blasser  gefärbt.  
 Starke  Männer  sind,  über  die  ein  Feitor  (Verwalter)  ein  Portugiese  
 von  Geburt,  der  uns  sehr  freundschaftlich  aufnahm,  die  Aufsicht  führt.  
 Die  Arbeiten  hier  sind  für  die  Sclaven  sehr  beschwerlich;  sie  bestehen  
 hauptsächlich  in  Ausrottung  der  Waldungen-  Die  Pflanzungen  bestehen  
 in  Mandiocca,  Milio,  Baumwolle  und  etwas Kaffee.  Unweit  vonGatinguti  
 fliefst  der  Itabapuana  vorbey,  ein  kleiner  Flufs,  der  in  seinem  hohen  
 Stande  die Wiesen  bewässert.  Die  Corografia  brasilica  nennt  ihn  fälschlich/ 
 ieWi/^è«  welches  doch  àev  Benedente  ist;  er  entspringt  in  der  
 Serra  do  Pico  ^  nicht  weit  von  den  Quellen  àes  Muriähe,  Die  weiten  
 Waldungen,  welche  Maribecca  rings  umgeben,  werden  von  umherziehenden  
 Paris  bewohnt,  welche  sich  hier,  und  von  hier  aus  etwa  eine  
 Tagereise  nördlich,  feindlich  zeigen.  Man  hält  sie  nicht  ohne  G i ^ d  für  
 dieselben,  welche  bey  5.  Fidelis  mit  den  Pflanzern  in  gutem  Einverständnifs  
 leben.  Hier  am  ltabapaana{^^-'^  überfielen  sie  noch  im  vergangenen  
 Augustmonate  die  Heerden  à^^v Fazenda  und  erschossen  aus  Bosheit  
 3o  Stück  Rindvieh  und  ein  Pferd.  Ein  junger  Negerknabe,  ein  Hirt,  ward  
 durch  sie  von  seinem  bewaffneten  Cammeraden  abgeschnitten,  gefangen,  
 getödtet,  und,  wie  man  hier  versichert,  gebraten  und  aufgefressen.  Man  
 vermuthete,  dafs  sie  die  Arme  und  Beine,  und  das  Fleisch  von  dem  
 Rumpf  abgelöst  und  mitgenommen  hätten  ;  denn  als  man  bald  darauf  an  
 den  Platz  kam,  fand  man  nur  den  vom  Fleisch  entblöfsten  Rumpf  und  
 den  Kopf  des  Negerknaben,  die  Wilden  selbst  aber  hatten  sich  schnell  
 in  den  Wal d  zurückgezogen.  Auch  erkannte  man  die  gebratenen  abgenagten  
 Hände  und  Füfse,  woran  noch  Spuren  der  Zähne  sichtbar  gewesen  
 seyn  sollen.  Der  diesen  Beleidigungen  der Wi l d e n  ausgesetzte i^eiVor  zeigte  
 (*)  Siehe  Corografia  brasilica  T.  II.  p.  61.  
 (**)  Dieser  Flufs  ist  auf  mehreren  Karten  mit  dem  Nahmen  Comapuam  bezeichnet;  einige  
 der  Bewohner  nennen  ihn  auch  -wohl  Campapoana ^  allein  sein  wahrer  Nähme  ist  der  im  Text  
 angegebene.  
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