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56 R e i s e von Rio de Janeiro nach Cabo Frio
die Anzahl der hülsentragenden Gewächse {Planta le gummösem') bey
weitem die gröfsere in Brasilien ist. Ohngeachtet der vielen hier befindlichen
i^azeni^a's ist die Gegend dennoch wild: sie bildet ein breites, von
hohen mahlerischen Bergen eingeschlossenes Thal mit hüglichtem Boden,
aus welchem die köstlichsten Waldbäume, mit Gebüschen umringt, ihre
hohen schlanken Stämme erheben. In den Gipfeln aller dieser Bäume
bemerkt man an den Aesten grofse, schwarzbraune Massen, Nester einer
Art sehr kleiner gelber Termite, welche man Capi oder Capim nennt.
Ameisen und die ihnen verwandten Geschöpfe sind in Brasilien den Pflanzungen
höchst verderblich. Man findet diese zum Theil sehr gefräfsigen
Thiere überall so zahlreich und von so mancherley Arten, dafs ein Entomologe
über diese Insekten allein ein grofses We r k schreiben könnte.
Sie sind von verschiedener Gröfse ; eine der gröfsten Arten erreicht beynahe
einen Zoll Länge, und hat einen unverhältnifsmäfsig dicken Leib,
der in manchen Gegenden, z. B. in Minas Geraes, geröstet gegessen
w i r d , dort wird sie Tanachura genannt. Eine andere, sehr kleine,
rothe Art ist höchst beschwerlich und schädlich. Auch dem Sammler
sind diese Ameisen sehr nachtheilig, denn sie verzehrten uns oft in
kurzer Zeit eine Menge Insekten, besonders Schmetterlinge. Sie dringen
oft In grofsen Zügen in die Wohnungen ein, wo sie alles Efsbare,
besonders Süfsigkelten, schnell aufzehren. Um sie von solchen Sachen
abzuhalten, hat man kein anderes Mittel, als die Füfse der Tische durch
eine grofse Schüssel voll Wasser zu isoliren, oder sie mit Theer zu
bestreichen; allein oft überwinden sie selbst solche Hindernisse. Einige
Arten bauen an den Wänden der Zimmer aus einer erdigen Masse
lange bedeckte Gänge mit mancherley Verzweigungen, in welchen sie
a u f - und' abgehen. In den Waldwegen sieht man ganze Züge von
grofsen Ameisen, welche sämmtlioh Stücke grüner Blätter nach Hause
tragen.
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R e i s e von Rio de Janeiro nach Cabo Frio 5 ?
Ein wilder Wald, in den wir jetzt eintraten, zeigte uns wieder
neue interessante Scenen. Der Tucan {Ramphastos dicoloras^ LINN.) mit
colossalem Schnabel und der brennend-orangefarbenen, mit dem schwarzen
Gefieder schön contrastirenden Kehle , reizte zum erstenmale die
Ungeduld unserer Jäger; allein für diesmal war ihnen noch kein Glücksschufs
gewähr t , denn die Vögel hielten sich so hoch oben in den Baumwipfeln,
dafs es unmöglich war , ihnen beyzukommen. Bald wanderten
wir auf einem schwarzen Moorgrunde und bald wieder auf rothem
Letten. Der Wal d ward immer herrlicher und schöner; er bildete eine
finstere, schwarzgrüne Wildnifs, aus den schönsten Bäumen zusammengesetzt,
alle saftvoll und mit den abwechselndsten Blattformen. Der aus
dem Norden kommende Europäer hat von solchen Wäldern keinen Begriif
und geräth bey ihrem Anblick in Erstaunen; auch möchte es wohl
in dem Reiche der Unmöglichkeit liegen, eine dem empfangenen Eindruck
entsprechende Beschreibimg dieses Anblicks zu geben. Hier wuchs
häufig die etwa 3oFufs hohe Cocospalme, welche in der Lingoa geral
Airi assü, und in Minas — Brejeàha genannt wird. Die Wilden benutzen
sie zur Verfertigung ihrer Bogen: ihr Stamm ist schwarzbraun
und über und über dicht mit langen Stacheln besetzt, welche in horizontalen
Ringen stehen. Ihre Blätter sind lang und schön gefiedert wie bey
allen Cocosarten; da, wo sie entspringen, hängt der gelbliche Blüthenbüschel
herab, an welchem sich später glänzend-schwarzbraune sehr
harte Nüsse von eyförmig zugespitzter Gestalt und von der Gröfse der
Taubeneyer ausbilden. Man findet in allen diesen Waldungen auch noch
eine ähnliche, stets klein bleibende, stachlichte Palme, Airi mirim
genannt. Beyde sind bis jetzt in den Systemen noch nicht aufgeftihrt.
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(^0 Bey diesem und vielen ähnlichen portugiesischen Wörtern wird das m am Ende
nicht gehört.
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