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58 R e i s e von Rio de Janeiro nach Cabo Frio
allein A R R U D A erwähnt derselben C'O- An allen Stämmen drängen sich
holzige und zarte rankende Gewächse, Cactus, Agaoe und Epidendrum
h e r v o r , und wuchern mit herrUch gefärbten Blüthen in den dicht verflochtenen
Aesten. Wo nur ein Stamm ein eingefaultes Loch oder einen
Spalt hat, da prangen Jrum, Caladiam, Dracontiam und andere dergleichen
Arten mit grofsen, saftvollen, herz - oder pfeilförmigen, dunkelgrünen
Blättern in schönen Büscheln, so dafs man verschiedene Vegetationen
über - und durcheinander zu sehen glaubt. Von der oben
genannten Pflanzenform war hier besonders häufig das Dracontium pertasum
mit seinen auf das sonderbarste durchlöcherten Blättern; eine
prachtvoll blaublühende Maranta zog ebenfalls die Aufmerksamkeit unseres
Botanikers auf sich.
Auf unserer heutigen Wanderung hatten wir mit unserm jungen
Indier FRANCISCO einen unterhaltenden Auftritt. Jemand aus unserer Gesellschaft
glaubte auf einem hohen dürren Baume einen Vogel zu sehen,
und schofs nach demselben, aber nun erst bemerkte er, dafs das, was
er für einen Vogel angesehen hatte, der Auswuchs eines Astes war.
F R A N C I S C O , der bey der Schärfe seines Gesichts, die er mit allen seinen
Landsleuten gemein hat, den Irrthum auf den ersten Blick erkannt hatte,
wartete den Schufs ruhig ab, dann aber brach er in ein so unmäfsiges
Gelächter aus, dafs er sich eine geraume Zeit hindurch nicht wieder
erholen konnte. Alle Sinne der Indier sind so geübt und geschärft, dafs
ihnen ein solcher Verstofs höchst lächerlich und kläglich vorkommt.
F R A N C I S C O diente uns oft zur Unterhaltung; er hatte ein gutes und treues
Gemüth, dabey aber auch viel Eigensinn und Dünkel; so wollte er z. B.
immer die meisten und besten Vögel geschossen haben. Von gewissen
indischen Eigenheiten war er nicht abzubringen; er ging nie, wie die
( * ) S, den Appendix in KOSTEH'S Reise naeh Brasilien.
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Übrigen Jäger, nüchtern auf die Jagd, sondern wartete vielmehr, und
hätte es noch so lange gedauert, auf das Frühstück, und würde es seinem
Herrn höchst übel genommen haben, wenn er ihn hätte zwingen
wollen, sich hierin nach den Andern zu bequemen.
W i r hatten die Absicht, heute Ponta Negra zu erreichen; allein
einige sich theilende, grundlose Wege in dem dichten Urwalde hatten
uns irre geleitet. Wir kamen indessen bis zu einer grofsen Fazenda^
deren Besitzer, Herr ALFERES DA CUNHA VIEIRA, uns sehr gastfreundschaftlich
aufnahm. Das Landgut hiefs Guropina und enthält ein
beträchtliches Zucker-Engenho (Fabrik), deren Einrichtung KOSTER
und andere Reisende hinlänglich beschrieben und abgebildet haben.
Das Rohr wird zwischen drey senkrecht stehende, mit ineinander greifenden
Zähnen von hartem Holz versehene Walzen geschoben, welche
es auspressen. Es kommt auf der andern Seite als Stroh völlig platt
gedrückt wieder zum Vorschein ; der Saft aber läuft in einen unten
befindlichen hölzernen Trog. Diese Walzen werden an einer langen
Stange von Ochsen, Maulthieren oder Pferden gedreht. Der nachher
in Pfannen abgesottene Saft wird, nachdem er sich crystallisirt hat und
in dem Gefäfse angeschossen ist, in grofse zugespitzte Töpfe gebracht,
die unten eine Oefíhung haben, durch welche die überflüfsige Feuchtigkeit
abträufelt ; auf der Oberfläche des den Topf anfüllenden Zuckers
wird grauer Thon {barró) aufgeschlagen, der denselben bleichen soll.
Herr DA CUNHA V IEIRA versicherte uns, dafs er jetzt mit 20 Sclaven
etwa 600 Arroben (jede zu 0 2 Pfund), also 19200 Pfund Zucker jährlich
gewinne, doch könne er, wenn mehrere Arbeiter hier angewendet würden,
90 bis 100,000 Pfund bereiten. Man hat in frühern Zeiten das
Cayennische Zuckerrohr hier gebaut; als man aber späterhin das von
Otahiti kennen lernte und es ungleich ergiebiger fand, so wurde durch
dasselbe der Anbau des Cayenneschen fast ganz verdrängt. Unser gütiger