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 und  selbst  an  der  Ostküste,  jedoch  seltener,  und  hält  sich  überall  im  
 Gesteine  oder  auf  den  Dächern  der  Häuser  auf.  Hier  in  den  Felsen  
 des  Belmonte  sieht  man  sie  häufig  auf  der  Spitze  eines  Blockes  sitzen,  
 nach  den  Insekten  gerade  in  die  Höhe  fliegen,  und  wieder  auf  ihren  
 Stand  zurückfallen.  Alle  neulich  an  dieser  Stelle  gefundenen  Gewächse  
 waren  jetzt  vollkommener  in  der  Blüthe,  und  noch  mehrere  vor  dem  
 Ausbrechen  des  Laubes  blühende  rosenrothe  oder  violette  Trompetenblumen  
 {Bignonia),  deren  Blumenbüschel  leider  nur  zu  schnell  verblühen  
 und  abfallen,  waren  noch  dazu  gekommen.  
 Als  meine  Canoeiros  die  Cascaden  der  Cachoeirinha  überwunden  
 h a t t e n ,  neigte  sich  der  Tag;  wdr  beschlossen  daher  auf  einer  Sandbank  
 am  Ufer,  etwas  oberhalb  des  Falles,  zu  übernachten  ~  man  nennt  diese  
 SteWe  Ragaseiro.  Noch  leuchtete  uns  die  Sonne,  als  es  in  dem  benachbarten  
 hohen  Urwalde  schon  völlig  Nacht  war;  die  Araras  riefen  ihr  
 rauhes  Abendlied  und  benachrichtigten  die  Eulen  und  Nachtschwalben  
 von  dem  Herannahen  der  Zeit  ihrer  Thätigkeit.  Da  es  schönes  heiteres  
 W e t t e r  war,  übernachteten  wir  ohne  Hütten  bey  einem  guten  Feuer,  
 ich  mit  einer  dichten  wollenen  Decke,  die  Canoeiros  mit  einer  Strohmatte  
 (Esleirá)  bedeckt;  eine  grofse  trockene  Ochsenhaut  diente  zur  
 Unterlage.  Am  folgenden  Tage  setzten  wir  unsere  Reise  fort.  Von  hier  
 aus  hat  der  Flufs  einen  etwas  geringem  Fall,  doch  blieb  seine  Ansicht  
 in  der  Hauptsache  dieselbe.  Die  Wassermasse  war  bey  geringer  Tiefe  
 durch  grofse  Granitblöcke  unterbrochen,  welche  nach  dem  Ufer  hin  
 sich  mehrten  und  am  Rande  der  hohen  Urwälder  am  gröfsten  waren,  
 und  dicht  gedrängt  lagen.  An  diesen  Felsstücken,  durch  welche  der  
 Flufs  in  mehrere  Fahrwasser  getheilt  wird,  kann  man  den  Fall  desselben  
 vom  hohen  Rücken  von  Minas  herab  abnehmen.  Viele  dieser  
 Blöcke  sind  mit  einer  Menge  von  Glimmer  gemischt,  auch  findet  man  
 hier  in  allen  Flüssen,  besonders  in  den  kleinen  einfallenden  Seitenbächen,  
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 etwas  Gold  und  selbst  Edelstein.  Das  Wasser  des  Belmonte^  das  in  
 der  Zeit,  wo  die  Flüsse  anschwellen,  gelb  und  trüb  aussieht,  war  jetzt  
 klar  und  hell,  und  wir  konnten  deswegen  den  unter  Wasser  befindlichen  
 Felsstücken  besser  ausweichen.  Die  Ufer  dieses  Thaies  steigen  
 schnell  mit  gebürgigen  Urwäldern  empor,  und  die  grofsen  Felsblöcke  
 erstrecken  sich  nun  schon  in  Menge  bis  in  den  Wal d  hinein.  Da  viele  
 Baumarten  um  diese  Zeit  ihr  Laub  verlieren,  die  meisten  aber  immer  
 grün  bleiben,  so  erschien  hier  der  Wal d  halb  grün  und  halb  grau;  nach  
 Minas  hin  ist  diese  Erscheinung  noch  viel  auffallender,  ja  in  vielen  Gegenden  
 soll  das  Laub  ganz  abfallen.  Die  mancherley  jetzt  ausbrechenden  
 Arten  des  jungen  Laubes  fiengen  indessen  gerade  jetzt  an,  der  Landschaft  
 wieder  neues  Leben  und  Reiz  zu  geben  ;  das  Tapicurü  {Bignonia)  war  
 über  und  über  mit  seinen  hervorbrechenden  schönen  ,  braunlichrothen  
 Blättern  bedeckt,  die  Kronen  der  Sapucaya-'Bkwme  {Lecylis)  zeigten  
 sich  im  schönsten  Rosenroth,  die  Bouginvillcea  brasiliensis  umwand  die  
 Wipfel  der  zum  Theil  noch  unbelaubten  Bäume  ,  und  überdeckte  sie  mit  
 ihren  dunkel-rosenrothen  Blumen;  eben  so  prangten  hier  mehrere  Arten  
 theils  hochstämmiger,  theils  auf  der  Erde  fortrankender,  theils  aufsteigender  
 Trompetenblumen  {Bignonia)  ,  mit  allen  Abwechslungen  rosenrother, 
   violetter,  weifser  und  gelber  Blüthen.  In  dieser  Jahreszeit  würde  
 es  deiTii  besten  Landschaftmahler  kaum  mögUch  seyn,  die  mannigfaltig  
 abwechselnde  Farbenmischung  der  Riesenkronen  dieser  Urwälder  darzustellen, 
   und  wenn  ers  vermöchte,  so  würde  jeder,  der  diese  Gegenden  
 nicht  selbst  gesehen  hat,  sein  Gemähide  für  eine  blofse  Dichtung  der  
 Phantasie  halten.  Mit  vieler  Mühe  mufsten  wir  uns  auch  hier  auf  die  
 oben  beschriebene  Weise  zwischen  den  häufigen  Felsen  hindurch  und  
 über  Strömungen  hinweg  arbeiten,  und  nicht  selten  fielen  unsere  Leute,  
 welche  das  Canoe  zogen,  bis  an  den  Hals  ins Wa s s e r ,  ohne  jedoch  das  
 Seil  aus  der  Hand  fahren  zu  lassen.  
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