86 R e i s e von R i o de J a n e i r o n a c h C a b o F r i o
liehe Wohnungen und ferne blaue Gebürge diese Landschaft. Wi r besahen
das Zuckerwerk, welches sehr g^ut eingerichtet zu seyn scheint.
Um den Zuckersaft, aus welchem man Branntwein bereiten will, zu
verdicken und zu reinigen, giefst man eine scharfe Lauge hinzu. Man
erhält diese aus dem Aufgiisse von warmem Wa s s e r auf die Asche einer
Art Polygonum^ das in der indischen Sprache Cataya^ von den Portugiesen
aber Herv>a de Bichu genannt wird. Diese Pflanze hat einen
sehr bittern, pfefferartigen Geschmack, wird auch in mancherley Krankheiten
p ) angewandt, und soll bey der Bereitung des Zuckerbranntweins
von grofsem Nutzen seyn. Die meisten etwas beträchtlichen Fazenden
haben eine Kirche, eine Kapelle oder doch ein geräumiges Zimmer ,
welches dazu eingerichtet ist, dafs an Sonn - und Festtagen daselbst Messe
gelesen werden kann. Es ist den Reisenden zu rathen, ja die Messe
nie zu versäumen, indem die Einwohner darauf einen sehr grofsen VS^erth
setzen: man behandelte uns stets sehr gütig und zuvorkommend, wo
wi r diese Regel beobachteten, und liefs uns Kälte und Widerwillen sehr
deutlich fühlen, wenn wi r nicht in die Kirche giengen. Nach der
Messe begleiteten wi r den Hausherrn wieder nach der P^Üla zurück,
wo wir heute noch eine Seltenheit dieser Gegend, nehmlich die ächte
Cocospalme {^Cocos nucifera L I N N . ) in Augenschein nahmen. Dieser
schöne Baum ist weiter nördlich, wie die Folge des Reiseberichts zeigen
wi rd, sehr gemein, allein hier in den südllcherh Gegenden sehr
selten. E r trägt an der Ostküste den Nahmen der Cocos da Bahia.
( * ) Am Hio $. Francisco soll dies Gewächs bey der Krankheit, welche man O Largo,
die Erweiterung, nennt, mit Vortheil angewandt werden. Dieses Uebel ist nach der Beschreibung
eines alten ungarischen Arztes, der dort lebte, und die Krankheiten jenes Landes be-
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schrieben hat, eine durch Schwäche verursachte Erweiterung des Mastdarms. Man soll alsdann
die Pflanze kochen, die davon erhaltene Brühe erkalten lassen, und sie als Cljstir und zum
Bade anwenden.
R e i s e von Piio de J a n e i r o n a c h Cabo F r i o 8 7
Auf einer Fazenda in der Nähe von Cabo Frío befanden sich, wie
man mich versicherte, ein Paar Dattelpalmen {Phoßnioc dactylifera lum^^
welche Frucht trugen; allein seitdem man den einen der beyden Bäume
abgehauen hat, trägt der andere nicht mehr.
Wi r machten nun Jagdzüge in allen Richtungen der Gegend, und
hatten zu diesem Endzwecke zwey neue J ä g e r , des Landes kundige
Männer, Nahmens J O A O und I G N A Q I O , in unsere Dienste genommen.
Sie brachten uns bald verschiedene Thiere, besonders Brüllaffen {Guarihd)^
ohne Zweifel die Art, welche man unter dem Nahmen des Stentor
oder Mycetes ursinas beschrieben hat , und deren laute Stimme man
hier häufig in den Wäldern hört. Diese sonderbaren Geschöpfe zeichnen
sich bekanntlich durch die grofse Stimmcapsel in der Kehle aus,
welche Herr v. H U M B O L D T in seinen Beobachtungen aus der Zoologie
auf der 4ten Tafel nach einer andern Speeles dieses Genus abgebildet
hat. Von dem langen starken Barte des männlichen Gaariba^ trägt er
an dieser Küste den Barbado-^ In St. Paul nennt man ihn Bajio
und mehr nördlich Gaariha, Nebst diesen Aflen erhielten wir den mit
den beyden verlängerten Haarzöpfen auf dem Kopfe {Simia fatuellus
L I N N . ) und den kleinen rothen Sahui {Simia Rosalia^ L I N N ) . Beyde
sind hier nicht selten, werden aber etwas weiter nördUch gar nicht
mehr gefunden. Am Rande der Lagoas und der Sümpfe, besonders in
der Nähe der Mangigebüsohe {Rhizophora^ Conocarpus Mná ^vicennia')
fanden wir eine grofse Menge in die Erde gebohrte Löche r , in welchen
Krabben leben. Diese Art wird hier Guayamú genannt; sie darf nicht
mit einer andern verwechselt we rden, die man an der Seeküste im
Sande findet, und mit dem Nahmen Qiri belegt; beyde Arten werden
von M A R C G R A F erwähnt. Das Guayamii wird gröfser als das und
hat eine ungefleckte, schmtitzige, schieferblaue, etwas ins bleygraue
spielende Farbe. Diese Thiere sind schwer zu fangen, denn schon bey