3o A u f e n t h a l t in Rio de Janeiro
und eine angenehme Frucht geben, hohe schlanke Cocospalmen, Bananenbäume
(Musa) in dichten Gruppen, dunkelgTÜne Orangenwäldchen
mit goldnen Früchten beladen, Melonenbäume (Carica), die prachtvolle
scharlachroth blühende Erythrina und andere mehr. Diese und manche
andere treffliche Gewächse in den nächsten Umgebungen der Stadt verschaffen
eine Menge angenehmer Spaziergänge; auch bieten diese schönen
Gebüsche der Bewunderung der Ausländer noch nie gesehene Vögel
und Schmetterhnge dar, unter denen ich nur die vergoldeten Colibris
als die bekanntesten nennen wdll. Herrhch sind ferner die Spaziergänge
am Strande des Meeres, und der Anblick der aus fernen Weltgegenden
in den Hafen glücklich anlangenden Schiffe; auch darf ich des Passeio
puhlico, eines von Bäumen beschatteten Platzes mit Gängen und einer
Terrasse am Ende, zu erwähnen nicht vergessen. Bis jetzt hat in Brasilien
die Natur mehr gethan, als der Mensch; jedoch ist seit der Anwesenheit
des Königs schon viel zum Vortheil des Landes geschehen. Besonders
hat Rio viele Verbesserungen erhalten; hierhin gehören vorzüglich
manche Anordnungen zu Begünstigung eines sehr thätigen Handels, auf
welchen jedoch zum Schaden der Unterthanen Grofsbrittanien zu starken
Einflufs hat; denn selbst die Schiffe der Portugiesen müssen mehr Abgaben
entrichten als die brittischen. Indessen hat der Umlauf bedeutender
Summen den Wohlstand der Stadt sehr gehoben, und hiezu trägt der
Aufenthalt des Hofes nicht wenig bey; der Hof selbst ernährt eine grofse
Menge Menschen; dabey haben die Gesandten der europäischen Höfe und
andere dadurch herbeygezogene Fremde, einen bedeutenden Grad des
Luxus unter den verschiedenen ClasSen der Bewohner verbreitet. Trachten
und Moden sind völlig die unserer europäischen Hauptstädte; auch
findet man schon so viele Künstler und Handwerker aller Art aus allen
Ländern, dafs man in wenigen Jahren nicht leicht etwas von dem
vermissen wird , was zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehört.
A u f e n t h a l t in Rio de Janei r o 5l
Hierzu kommt der Reichthum an Früchten und anderen Erzeugnissen
jeder Art, welche das vortreffliche Clima hervorbringt, und die nur
der Mensch durch Fleifs, Wartung und Veredlung mufs zu schätzen und
zu gebrauchen wissen. Orangen, Mangos, Feigen, Weintrauben, Goyaven
{Psidium pyriferum, LINN. ) , Ananas {Bromelia Ananas, LINN.)
gedeihen zu einer seltnen Vollkommenheit ; die Bananen [Musa) hat
man von mehreren Abarten, besonders die von S. Tomé und die Banana
da terra, welche man für noch gesünder hält: beyde sind sehr nahrhaft
und wohlschmeckend; die Cocosnüsse mit ihrer erfrischenden Milch ; die
Jacas {Artocarpus integrifolid) mit widerlich süfsem Geschmack; die
(Wassermelonen), die Nüsse des Sapucaya-Baums {Lecythis
Ollaria, LINN. ) , die der brasilianischen Fichte {Araucarid) und andere
Früchte werden auf den Strafsen zu allen Stunden zum Verkauf angeboten
: das Zuckerrohr soll ursprünglich besonders in der Gegend von Rio
wild gefunden worden seyn. Eben so reich sind die Märkte an Fischen
verschiedener Art, von den sonderbarsten Gestalten und den schönsten
Farben; Geflügel, so wie mancherley vom Jäger verkauftes Wildpret,
vermehren den Ueberilufs. Von den Hühnern hat man hier eine Race
mit gelben Füfsen und Schnäbeln, die aus Afrika gekommen seyn soll.
Ein jetzt bedeutend zahlreiches Militär ernährt ebenfalls viele Menschen.
Der Unterschied zwischen den von Portugal herüber geschifften Truppen,
die unter W E L L I N G T O N in Spanien gefochten hatten, und jenen, welche
in Brasilien errichtet worden sind, ist sehr auffallend. Ein militärischer
Anstand zeichnet die erstem aus ; die letztern sind durch das warme
Clima weichlicher und gemächlicher, und lassen sich vom Exercierplatz
ihre Gewehre durch Negersclaven nach Hause tragen.
Von einem Reisenden, der sich nur eine kurze Zeit in dieser Stadt
aufgehalten hat, wird man keine vollendete Schilderung derselben und
ihrer Bewohner verlangen; denn hierzu ist eine längere Beobachtung