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 Wind  bewegte  stark  das  Meer,  welches  hier,  wie  an  den  Küsten  von  
 Europa  schon  die  hellgrüne  Küstenfarbe  angenommen  hatte.  Die  Berge  
 von  Brasilien,  von  den  schönsten  abwechselndsten  Formen,  alle  grün  
 mit  jetzt  eben  mannigfaltig  beleuchteten  schönen  Waldungen  bedeckt,  
 die  sich  in  ununterbrochener  Reihe  längs  der  Küste  hinziehen,  versetzten  
 uns  sämmtlich  in  eine  ungemein  fröhliche  Stimmung;  wir  mahlten  uns  
 im  Geiste  schon  jene  neuen  noch  nie  gesehenen  Scenen  aus,  und  
 erwarteten  mit  Sehnsucht  den  AugenbUck  der  Ankunft.  Die  Urgebürge,  
 an  denen  wir  hinsegelten,  haben  die  mannigfaltigsten  Bildungen;  oft  
 sind  sie  kegel  -  oder  pyramidenförmig;  Wolken  waren  auf  ihnen  gelagert  
 und  ein  leichter  Nebel  oder  Dunst  gab  ihnen  eine  angenehme  sanfte  
 Färbung.  Am  Mittage  hatten  wir  im  Schatten  bey  sehr  schwachem  
 Winde  19°  Reaumur  (y/jV4  Fahrenheit)  Wärme.  Bey  einer  bald  darauf  
 eingetretenen  Windstille,  die  uns  bis  zum  Abend  aufhielt,  stand  um  
 9  Uhr  das  Thermometer  auf  17  °  Fieaumur;  etwas  später  erhob  sich  der  
 Wind  hinlänglich  stark,  das  Schiif  segelte  schnell,  und  am  folgenden  
 Morgen  befanden  wir  uns  vor  dem  Eingange  in  das  gi^ofse  Binnenwasser  
 von  Hio  de  Janeiro.  
 Bey  einer  von  neuem  eingetretenen  Windstille  lagen  wir  eine  Zeit  
 lang  auf  ein  und  derselben  Stelle,  wurden  aber  von  der  bewegten  See  stark  
 geschaukelt.  Nahe  vor  uns  hatten  wir  die  Oeffnung  in  der  Küste,  die  
 nach  der-Königsstadt  Rio  de  Janeiro  führt;  eine  Menge  kleiner  Fels-Inseln  
 liegt  darin  zerstreut,  von  denen  einige  durch  sehr  ausgezeichnete  Formen  
 auffallen,  und  mit  den  entfernteren  Gebürgsmassen  der  Küste  eine  höchst  
 mahlerische  Ansicht  gewähren.  Die  dem  zweyten  Abschnitte  beygefügte  
 Vignette  liefert  davon  ein  treues  Bild,  die  Sonne  geht  auf  und  beleuchtet  
 mit  ihren  kräftigen  Strahlen  den  glänzenden  Spiegel  des  bey  der  
 Windstille  glatten  ruhigen  Meeres,  so  wie  die  sich  zu  beyden  Selten  in  
 mahlerische  Perspektive  verlierenden  Gebürge.  Unter  ihnen  zeichnet  sich  
 zur  Linken  der  sogenannte  Zuckerhut  {Päo  d'assucar)  durch  seine  kegelförmige  
 Gestalt  besonders  aus,  und  zur  Rechten  gewahrt  man  ihm  gegenüber  
 in  der  Ferne  die  Landspitze,  auf  welcher  zum  Schutze  der  Hauptstadt  
 das  Fort  Cruz,  eine  kleine  aber  starke  und  mit  vielen  Kanonen  
 versehene  Festung,  erbauet  ist.  
 Da  sich  der  Wind  gegen  11  Uhr  äufserst  leise  erhoben  hatte,  so  rückte  
 das  Schiff  kaum  bemerl^ar  vorwärts,  wiewohl  man  ihm  durch  alle  Segel  
 zu  helfen  suchte.  Diese  Zeit  der  Unthätigkeit  beschlossen  wir  zu  benutzen,  
 um  durch  die  Untersuchung  einer  jener  Fels-Inseln  die  erste  nähere  
 Bekanntschaft  des  brasilianischen  Bodens  zu  machen.  Der  Capitain  liefs  
 das  Boot  in  See  setzen,  nahm  einige  Matrosen  mit,  und  drey  der  Passagiere, 
   xvorunter  auch  ich  mich  befand,  begleiteten  ihn.  Man  ruderte  
 vorwärts,  ohne  zu  bemerken,  dafs  unser  Boot  sehr  stark  Wasser  zog,  
 indem  es  immer  am  Hintertheile  des  Schiffes  aufgehangen,  durch  die  Hitze  
 der  Sonnenstrahlen  stark  ausgetrocknet  war.  Als  wir  eine  halbe  Stunde  
 heftig  gegen  die  hochschwellende  See  gearbeitet  hatten,  sahen  wir  uns  
 genöthigt,  das  eingedrungene  Wasser  auszuschöpfen;  da  es  uns  aber  an  
 Schöpf-Instrumenten  fehlte,  so  blieb  nichts  übrig  als  die  Schuhe  auszuziehen  
 und  mit  ihnen  dies  Geschäft  zu  verrichten.  Das  hohe  Anschwellen  
 der  See  hatte  das  Schiff  unsern  Augen  entzogen;  wir  erreichten  indefs  
 naah  zweymaligem  Ausschöpfen  des  Bootes  mit  unsern  Nothschaufeln  
 glücklich  die  Ilha  raza  (die  flache  fnsel  zum  Unterschied  von  der  hohen,  
 ILha  rotunda  so  genannt),  wo  wir  zu  landen  wünschten.  Leider  zeigte  
 sich  aber  bey  unserer  Ankunft  an  dieser  vyüsten  Insel  die  Unmöglichkeit,  
 das  Ufer  zu  ersteigen;  denn  rings  umher  waren  steile,  gebrochene^  
 bunte  Felsen,  woran  eine  Menge  Fleischgewächse  ein  wahres  Wurzelund  
 Zweignetz  verbreiteten;  die  ungestüme  mit  weifsem  Schaum  hoch  
 aufspritzende  Brandung  tobte  so  heftig,  dafs  wir  voll  Ehrfurcht  uns  
 begnügen  mufsten,  die  schönen  Baumformen  in  dem  auf  der  Fläche  der