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 6:  R e i s e  von  Rio  de  Janeiro  nach  Cabo  Frio  
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 Weigerung-  nöthigte  uns,  früher  von  hier  aufzubrechen,  als  wir  es  
 sonst  gethan  haben  würden,  da  uns  diese  Gegend,  bey  so  manchen  andern  
 Begünstigungen  5  so  viele  frohe  Genüsse  und  so  reichen  Stoff  für  
 unsere  Wifsbegierde  darbot.  Wir  nahmen  Abschied  von  unserm  Wirth  
 und  traten  die  Reise  nach  Ponta  Negra  an.  
 Die  Wege  waren  oft  so  grundlos,  dafs  unsere  Thiere  Gefahr  Hefen,  
 mit  den  schweren  Lasten  einzusinken.  Wir  durchritten  dichte  Gebüsche  
 von  hohem,  rohrartigem  Grase,  Canna,  Rhexia  und  niedrigen  Palmen;  
 auf  einigen  Höhen  fanden  wir  Neger,  die,  um  das  Land  urbar  zu  
 machen,  mit  einem,  an  einer  Stange  befestigten,  sichelförmigen  Eisen  
 {Fou^e),  das  niedrige  Gesträuch  wegschafften,  und bey  einigen  Fazendds,  
 an  denen  wir  vorbey  ritten,  bewunderten  wir  dichte  Hecken  oder  
 Einzäunungen  von  Orangenbäumen.  Mit  schwer  gefüllten  Jagd  -  und  
 Rocktaschen,  die  von  Vögeln  und  mancherley  jetzt  reifen  Sämereyen  
 strotzten,  erreichten  wir  endlich  die  Lagoa  da  Ponta  Negra,  Der  
 schöne  See  ernährt  an  seinen  sumpfigen,  mit  Rohr  bewachsenen  Ufern,  
 Schaaren  von  Jassanas  {Parra  Jacana,  LINN.)  und  weifsen  Reihern,  
 von  welchen  einer  durch  unsere  Jäger  erlegt  wurde;  das  milchweifse  
 Gefieder  dieser  Vögel  erhält  sich  wegen  ihrer  langen  Füfse  selbst  im  
 Sumpfe  stets  in  der  blendendsten  Reinheit.  Nicht  fern  davon  erreichten  
 wir  eine  isolirte  P^enda,  wo  sich  die  Reisenden  in  der  grofsen  Hitze  
 durch  eine  Limonade,  oder  besser  durch  einen  kalten  Punsch  zu  erfrischen  
 pflegen.  Hier  vernahmen  wir,  dafs  die  Nachricht  von  unserer  
 bevorstehenden  Ankunft  uns  schon  vorangegangen  sey,  und  machten  
 die  unangenehme  Erfahrung,  dafs  die Wi r the  schon  im  voraus  Speculation  
 auf  unsern  Beutel  gemacht  hatten.  Nahe  bey  diesem  Hause  wurden  
 wir  auf  einer  Anhöhe  durch  die  heiTlichste  Aussicht  auf  das  Meer,  
 den  Landsee  und  die  hinter  uns  liegende  Gegend  von  Rio  de  Janeiro  
 überrascht.  Weiterhin  in  den  dichten  Gebüschen,  die  unser  We g  durch- 
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 schnitt,  fanden  wir  einen  uns  noch  neuen  Vogel,  den  grofsen  Annü  
 {Crotophaga  major,  LINN.)  sehr  häufig.  Sein  Gefieder  ist  schwarz,  
 schillernd  in  Kupfergrün  und  Stahlblau.  Hier  hörten  wir  die  Brandung  
 des Meeres  und  kamen  bald  darauf  zu  den  Sanddünen,  wo  wir  die  mit  
 weifsem  Schaum  bedeckten  Wogen  ungestüm  an  den  Waldbergen  der  
 Küste  sich  brechen  sahen.  Zunächst  hinter  dem  weifsen  Sande  der  
 Praya  (Seeküste)  erhebt  sich  ein  dicht  verflochtenes  Gesträuch  von  
 den  verschiedensten  Baumarten,  das  von  den  Seewinden  und  Stürmen  
 niedergehalten  wird,  und  daher  nur  allmählig  sich  erhebt.  
 In  diesem  20  bis  3o  Fufs  hohen  Dickicht  längs  der  See,  worin  wir  
 unsere  Reise  fortsetzten,  wachsen  hohe  Fackeldisteln  {Cactus),  und  besonders  
 zahlreich  sieht  man  die  oft  mit  wunderschönen  Blumen  geschmückten  
 Bromelien.  Kleine  Eidechsen  rauschten  in  dem  dürren  Laube  
 unter  den  Gesträuchen,  während  der  grofse  Annü  und  der  Tije  {Tanagra  
 hrasilia,  LINN.)  mit  seinem  blutrothen  Gefieder,  das Dickicht  beleben. 
   Dieses  schöne  Thier  ist  in  Brasilien  sehr  gemein,  besonders  an  
 den  Seeküsten  und  Flufsufern.  
 Gegen  Abend  befanden  wir  uns  zwischen  der  Seeküste  und  einem  
 grofsen  Rohrsumpfe,  in  welchem  Schaaren  von  Vögeln  sich  zur  Ruhe  
 begaben;  der  Tije  war  besonders  häufig  und  die  rostbauchige  Drossel  
 {Turdus  rufiv>entris,  des  BerUner  Museums),  hier  Sabiah  genannt,  safs  
 auf  den  Spitzen  der  Gesträuche  und  liefs  ihren  angenehm  flötenden  
 Abendgesang  hören.  In  der  Dämmerung  flog  der  Caprimulgus  nahe  
 vor  unsern  Pferden  umher,  so  wie  ein  grofser Abendfalter  von  schieferblaulichter  
 Farbe  {Papilio  Idomeneus,  FABR.),  von  welchem  wir  eine  
 Menge  Exemplare  hätten  fangen  können,  wenn  uns  nicht  gerade  in  
 diesem  Augenblicke  das  dazu  erforderliche  Netz  gefehlt  hätte.  An  einem  
 Aste  fand  ich  eine  todte  Fledermaus  aufgehängt,  welche  in  dieser  Stellung  
 gestorben  seyn  mufste.  Sie  gehörte  zu  dem  Genus  Phyllostoma