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 54.0  A u f e n t h a l t  am  Rio  Grande  de  Belmonte  
 Hier  fand  ich  die  Wasserfläche  des  Fkisses  zwischen  ansehnliche  Berge  
 eing^eengt,  die  der  finstere  Hochwald  ununterbrochen  bedeckte.  Diese  
 Wälder  erschienen  jetzt  mit  der  Farbe  des  Frühlings  geschmückt  im  
 gröfsten  Reize:  theils  mit  jungem  Laube,  aschgrau,  dunkel  -  oder  hellgrün, 
   gelbgrün,  röthlichbraun  oder  rosenroth,  theils  mit  Blüthen,  weifs,  
 hochgelb,  violet  oder  rosenroth  prangend:  am  Fufse  dieser Berge,  unmittelbar  
 am  Flusse,  machen  Felsstücke,  zum  Theil  sehr  grofs  und  sonderbar  
 geformt,  die Vorboten  jener  Gebirgsnatur  von  Mi'nas,  die  hier  wohl  erst  
 ihren  Anfang  nimmt;  denn  weiter  unten  am  Flusse  erscheinen  die  Felsblöcke  
 noch  nicht.  
 Ein  Inselchen  am  Ufer,  ganz  aus  Felsstücken  bestehend,  ist  merkwürdig  
 wegen  der Menge  von Vogelnestern,  womit  einige  kurze  krumme  
 Bäume  wirklich  überladen  waren.  Der Vogel,  der  diese  beuteiförmigen  
 Nester  aus  den  Fasern  der  Tillandsia  zusammenfitzt,  ist  der  schwarz  und  
 gelb  gefiederte,  und  mit  den  Pirolen  verwdindte  Japui[Cassicus  oder  Orio- 
 ¿as pérsicas);  südlicher  ah  Belmonte  habe  ich  ihn  nicht  mehr  gefunden.  
 Diese  Vögel  sind  sehr  gesellig:  sie  bauen,  wie  alle  Cassiken,  beutelförmige  
 Nester,  die  sie  an  einem  dünnen  Zweige  aufhängen,  und  legen  
 zweyEyer  hinein;  jetzt  waren  diese  Nester  unbewohnt,  denn  die  Brütezeit  
 ist  im  November,  December  und  Januar.  Die  Fischer  pflegen  die  
 jungen  Vögel  auszunehmen,  um  sie  als  Köder  an  die  Angeln  zu  gebrauchen. 
   Schwarze  Pirole  flogen  auf  den  Felsen  am  Flusse  in  kleinen  
 Flügen  umher,  und  der  schöne  blutrothe  Tijé-Piranga  {Tanagra  brasilia, 
   LINN.)  war  auch  hier,  wie  an  allen  Flufsufern  im  dunkeln  Gebüsche,  
 sehr  häufig.  Man  gelangt  auf  dieser  Fahrt  an  eine  Wendung  des  eingeengten  
 Flusses,  wo  das  ganze  Strombette  mit  Felsblöcken  so  ausgefüllt  ist,  
 dafs  nur  in  der  Mitte  ein  schmaler  Canal  für  die  Canoe's  übrig  bleibt;  der  
 Strom  schiefst  reifsend  hindurch,  und  fällt  nachher  über  die  Felstafeln  sanft  
 hinab;  diese  Stelle  ists,  welche  Cachoeirinha  oder  der  kleine  Fall  genannt  
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 wird.  Der  Stöfs  der  anprallenden  Strommasse  hat  in  den  Felsstücken  auf  
 die  sondei^barste  Art  runde  kesseiförmige,  zum  Theil  auffallend  regelmäfsige  
 Oeffnungen  ausgehöhlt.  Ich  hatte  ein  grofses  Canoe  ,  welches  
 zwey  Botocuden,  JUKERÄCKE,  AHÖ,  und  einer  meiner Leute  regierten;  der  
 Strom  war  aber  hier  so  reifsend,  dafs  die  drey  Personen  nicht  im  Stande  
 waren,  das  Canoe  so  nahe  als  ich  es  wünschte  an  den Wasserfall  hin  zu  
 schieben.  Aufwärts  werden  über  diese  und  ähnliche  Stellen  die  Canoe^s  
 gezogen,  hinabwärts  aber  beschifft man  sie  mit  den  dieser  Gegend  kundigen  
 Soldaten  der  Qaartelle.  In  der  Zeit  des  hohen Wasserstandes  gleitet  
 man  beynahe  ohne  Gefahr  und  sehr  schnell  über  die  Hindernisse  hinweg,  
 die  bey  niederm  Wasser  selbst  geübten  Canoeiros  oft  gefährlich  werden.  
 In  solcher  Zeit,  wo,  wie  jetzt,  die  Felsklippen  hervorragen,  erinnert  
 die  hiesige  Gegend  an  ähnliche  mahlerische  Scenen  unserer  Schweiz.  
 Es  wachsen  hier  mancherley  interessante  Gewächse  ,  unter  andern  ein  
 weidenartiger  Strauch,  von  den  Einwohnern  Qiriba  genannt,  wahrscheinlich  
 ein  Croton\  er  hat  sehr  zähe  ruthenförmige  Zweige,  welche  dem  
 Schiffer,  wenn  sein  Canoe  von  einem  mäfsigen  Strom  ergriffen  wird,  
 am  sichersten  dienen,  um  sich  daran  fest  zu  halten.  Diese  Qiriba  scheint  
 der  einzige  Steilvertreter  des  Genus  Salix  (Weide)  an  der  Ostküste  von  
 Brasilien  zu  seyn,  da  ich  wenigstens  in  dem  von  mir  bereisten  Theile  
 derselben  keine  einzige  Art  jener  Familie  angetroffen  habe.  Ferner  
 wächst  hier  ein  Strauch  mit  weifsen Blumenbüscheln,  welche  einen  sehr  
 angenehmen  Nelkengeruch  aushauchen,  und  eine  andere  sehr  niedliche  
 Pflanze,  welche  mit  dem  Genus  Scabiosa  verwandt  zu  seyn  scheint,  und  
 deren  rosenrothe  Blumen  das  nakte  graue  Urgestein  zieren.  Mehrere  
 Bignonla-Stämme  neigten  ihre  Kronen  über  den  Flufs  hinaus,  sie  waren  
 mit  jetzt  ausbrechenden,  schön  violetten  großen  Blumen  überladen,  welche  
 früher  als  das  Laub  erscheinen.  Hier  sieht  man  keine  Thiere,  auch  keine  
 andern  Vögel,  als  mehrere  Arten  von  Schwalben,  welche  in  der  Kühlung  
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