12 R e i s e nach Rio de Janeiro
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durch die milde Beleuchtung- der freundlich untergehenden Sonne. Unser
Schiff, von der stark bewegten See bald hoch gehoben, bald in die
Tiefe zu stürzen scheinend, eilte nun dem Ocean entgegen. Als der
folgende Morgen erschien, erblickten wir Fort Pendennis, unweit Falmouth,
in der Ferne, und verliefsen den Canal bey Cape Lizzard, das
sich durch seine beyden weifsen Leuchthäuser {Lighthouses) auszeichnet.
Die Küsten von Devonshire tmd Cornwall haben nicht die weifse Farbe
derer von North und South Foreland, sondern sind mehr rothgefärbt.
Falmouth in Cornmall ist ein kleiner aber wichtiger Hafen, indem von
hier alle Pakete nach den verschiedenen Gegenden der Welt abgehen ;
in den ersten Tagen eines jeden Monats findet man hier Schiffe, welche
nach Lisboa, Brasihen, Westindien, Nordamerika, Indien und so weiter
bestimmt sind. So befanden wir uns denn nun in dem unermefsHchen
Ocean. Alles Land verschwand aus unsern Augen. Auch die letzte
Spitze von England, Cape Landsend, entzog sich am 2 2ten May gegen
Mittag unserm BHcke. Von diesem Augenblick an hören Unterhaltung in
den Umgebungen auf: Meer und Himmel sind nun die einzigen sichtbaren
Gegenstände, die man bald ziemlich genau kennen lernt; jetzt sucht
man Beschäftigung am Schreibtische und ist glücklich, wenn man sich
hinlänghch mit guten Büchern versehen hat. Unsere Reise gieng ohne
Zufälle mit abwechselnd gutem Wetter in zehen Tagen bis Madeira.
Wir unterhielten uns auf dieser Fahrt häufig durch das Auswerfen der
Angeln und anderer Fischergeräthschaften; allein nur die Trigla Gurnardus,
ein guter efsbarer Fisch, ward gefangen. Schaaren von Braunfischen
{Delphinus Phoeaena, LINN.) begleiteten oft weit unser Schiff,
besonders bey etwas unruhiger See; wir feuerten nach ihnen, hatten
aber nicht das Glück einen zu erlegen. Zu den häufigen Begleitern der
Schiffe gehört auch besonders der kleine schwarze Sturmvogel {Procellaria
pelagica), der von den Portugiesen ^Ima de Wiesire genannt
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wird. Die Seeleute halten es für ein Zeichen eines nahe bevorstehenden
Sturms, wenn diese Vögel sich in bedeutender Anzahl um die Schiffe
versammeln , und sehen sie darum höchst ungern. Ein Kriegskutter
überbrachte uns die Nachricht von der Kriegserklärung Englands an
Frankreich; man rief unsere Matrosen auf, ohne jedoch einen davon
für den königlichen Dienst zu nehmen. Die erhaltene Nachricht war
Ursache, dafs wir bald nachher in grofse Unruhe versetzt wurden, als
wir von der spanischen Küste herüber ein Schiff geradezu auf das unsrige
seine Richtung nehmen sahen ; doch dauerte unsere Besorgnifs nicht
lange; man erkannte es sehr bald für ein englisches. Es übernahm
unsere Briefe nach Europa zur Besorgung. Am i ten Juny gegen Mittag
zeigte sich südlich ein hohes Land und hohe Gebürge in trüber Ferne;
es war die schöne grofse Insel Madeira, Abends sechs Uhr befanden
wir uns an ihrer Westspitze, Ponta Pargo^ und umschifften dieselbe mit
frischem Winde. Eine grofse Menge von Sturmvögeln , Möven und
andern Wasservögeln belebten das Meer. Die Ansicht von Madeira ist
schön; die Insel zeigte sich uns als einfaches Felsenland, dessen Rücken
heute in Wolken verhüUt war. Von allen Seiten erhebt sie sich steil,
schwärzHch gefärbt, mit tiefen Schluchten und Rissen; überall aber
breitet der Weinstock seine gTÜnen Ranken aus, und zwischen ihnen
schimmern die weifsen Wohnungen und Landhäuser der Bewohner
durch. Auf den Rücken jener Höhen, die nicht durch Wolken verschleyert
waren, zeigten sich grüne Weiden, gleich Alpen, und hohe dunkle
Baumgruppen beschatteten die kleinen Wohnunge n. Diese schöne Insel
hat ein vorzüglich glückliches Clima, in welchem die Gewächse der
heifsen wie der gemäfsigten Zone gedeihen; grofse Wärme ist hier mit
vieler Feuchtigkeit verbunden, und Regen mufs häufig fallen; denn an
den steilen Felswänden haben die von Zeit zu Zeit herabstürzenden
Regenbäche tiefe Rinnen und Einschnitte ausgewaschen. Achtzig tausend