5 4 R e i s e von Rio de Janeiro nach Cabo Frio
M Am Abende erreichten wir das Kirchdorf (Fre^we^z«, Kirchspiel)
Marica am See gleiches Nahmens. Etwa 800 Seelen sind hier eing^cpfarrt.
Die Bewohner eines etwas abgesondert gelegenen Hauses, an
welchem wir anhielten, verschlossen sorgfältig Ihre Thüre. Es versammelten
sich sogleich alle Nachbarn, um uns anzustaunen; als wir aber
anfiengen, die heute erlegten Thiere abzustreifen und zu präpariren, da
schüttelte Alt und Jung den Kopf und Alle lachten laut auf über die
albernen Fremden. Unsere Doppelflinten, die ihnen eine völlig neue
Erscheinung waren, interessirten sie indessen mehr als wir selbst. Der
See Marica^ an dem wi r hier einen Ruhetag hielten, um seine sandigen
Umgebungen kennen zu lernen, ist grofs und soll etwa sechs Stunden
im Umfange halten, er hat niedrige sumpfige Ufer \md ist sehr fischreich.
Ich sah hier eine kleine Art Wels {Süaras) häufig fangen; dieses Genus
scheint in den Gewässern der Ostküste von Brasilien zahlreich an Arten
zu seyn. An den Ufern des See-'s fanden wir einige Muscheln, aber nur
von einer sehr bekannten Art, und in den benachbarten Sümpfen eine
Land - oder Sumpfschnecke, wovon ich an einer andern Stelle mehr zu
sagen Gelegenheit finden werde. Von Vögeln fanden wir hier am Ufer
eine Art Möven, unserer Earas ridibandus sehr ähnlich, mit aschgrauem
Kopfe, rothem Schnabel und rothen Füfsen; eine schöne Art Meerschwalben
{Sterna), Kibitze, eine Art Regenpfeifer {Charadrius) u. a. m.,
und über den Gebüschen und Sümpfen schwebten die Urubas in der
Luft Mir ward zuerst die Freude, den bis jetzt nur von A Z A R A richtig
unterschiedenen Acabiray {J^altar Aura, LINN.) ZU erlegen (-). Auf den
Km
( * ) Die besten, dennoch zum Theil unrichtigen Abbildungen dieser beyden Geyer befinden
sich in VIEILLOT Mstoire naturelle des oiseausc de l'yimerique septentrionale T. I. pl. 2 und 2
bis. Die letztere ist die richtigere, obgleich hier die Färbung des Kopies auch niciit der
Natur geti-eu dargestellt ist. Valtar Urabu des Verfassers hat wenigstens in lirasilien nicht
einen rothen, sondern einen aschgrau gefärbten Kopf und Hals.
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èul.
R e i s e von Rio de Janeiro nach Cabo Frio K,
ersten Anblick gleicht er zwar sehr dem grauköpfigen ürubu {Iribu, AZARA),
dennoch aber läfst er sich bey näherer Reobachtung selbst im Fluge hoch
in der Luft, schon von jenem unterscheiden. Diese Geyer sind eine
Wohlthat der Natur für alle heifse Länder, denn sie reinigen die Erde
von dem, was die Atmosphäre mit faulenden animalischen Dünsten
erfüllen würde. Ihr Geruch ist so scharf, dafs man sie selbst da , wo
man vorher in welter Ferne keinen erblickte, haufenweis herbey eilen
sieht, sobald ein Thier krepirt ist; daher wird Ihnen auch nicht nachgestellt,
und sie sind in offenen und beholzten Gegenden gleich häufig
anzutreffen. Wegen des sandigen und sumpfigen Erdreichs erscheinen
die nähern Umgebungen des See's nicht besonders fruchtbar. Alle trockne
Stellen sind entweder Triften mit kurzem Grase, wo Vieh weidet, oder
Berge mit Wald und Felsen. Es scheint, dafs man hier viele Pferde
zieht; sie sind aber schlecht, und meistens von kleinem Schlage. Auch
Ziegen sahen wir hier mit sehr kurzem, glänzendem, gelbrothem Haar
und schwarzen Abzeichen. Von den Ufern des See's nicht sehr weit entfernt,
erreicht man auf sandigem Wege durch Gebüsche die kleine f^üla
de Stet. Maria de Marica, den Hauptort der Freguesia, aus niedrigen,
einstöckigen Häusern und einer Kirche bestehend, mit regelmäfsigen aber
ungepflasterten Strafsen. Die Gebäude haben keine Glasfenster, sondern
blofse Oeffnungen, welche, wie in ganz Brasilien, mit hölzernen Gitterläden
verschlossen werden. In der Nähe des Ortes zieht man Mandiocca,
Bohnen, Mays, etwas Kaffee und besonders Zuckerrohr, das an fruchtbaren
Stellen hoch werden soll, im Sandboden aber die Höhe von sechs
Palmen (Spannen) nicht übersteigt.
Immer abwechselnde, schöne Gebüsche unterhielten uns auf unserm
weitern We g e ; im Gesträuche rankten die Trompetenblumen {Bignonici)
mit den herrlichsten Blüthen ; auch einige sehr sonderbar gebildete
Früchte zeigten sich uns. Der Botaniker macht hier die Bemerkung, dafs
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