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 gänge  in  mannigfaltigen  Richtungen  darstellen,  sah  man  weifse  Reiher  
 unbeweglich  sitzen.  An  der  Rinde  dieser  Bäume  sitzt  eine  kleine  Art  von  
 Austern  in  Menge,  und  die  bunte  Krabbe,  Aratú  (=•=),  lebt  ebenfalls  in  
 grofser  Anzahl  auf  demselben.  
 Ein  heftiges  Gewitter,  von  einem  Platzregen  begleitet,  überfiel  uns  
 h i e r ,  und  hielt  an  bis  zu  unserer  Ankunft  in  Carav>ellas  ^  wo  wir  in  der  
 Dunkelheit  eintrafen  und  im  Hause  der  Camara^  der  Wohnung  des  Ouvidors^ 
   unsern  Aufenthalt  fanden.  Caravellas  ist  die  bedeutendste  f^illa  
 der  Comarca  von  Porto  Seguro.  Sie  hat  gerade  und  in  rechten  Winkeln  
 sich  durchschneidende  Strafsen,  darunter  fünf  bis  sechs  Hauptstrafsen  und  
 mehrere  Nebengassen;  alle  aber  imgepflastert  und  mit  Gras  bewachsen.  
 Die  ansehnlichste  Kirche  liegt  nahe  bey  dem  Casa  da  Camara  auf  einem  
 freyen  Platze;  die  Häuser  der  P^üla  sind  nett  gebaut,  jedoch  meist  nur  
 ein  Stockwerk  hoch.  Carax)elLas  treibt  einen  beträchtlichen  Handel  mit  
 den  Produkten  der  Gegend,  besonders  mit  Mandioccamehl,  etwas  Baumwolle  
 u.  s.  w.  Man  führt  zuweilen  in  einem  Jahre  5/4,800  Alqueiren  Farinha  
 aus,  welches,  die  Alqueire  in  mäfsigem  Preise  zu  5  Patacken  oder  
 Gulden  gerechnet,  einen  Ertrag  von  etwa  272,500  Gulden  giebt.  Dieser  
 Handel  führt  eine  ziemliche  Anzahl  von  Schiffen,  aus  Pernambucco^  Bahía^ 
   Rio  de  Janeiro^  Capitanía  und  den  andern  Häfen  der  Ostküste  
 h i e r h e r ;  dreyfsig  bis  vierzig  kleinere  Fahrzeuge  liegen  zuweilen  hier  vereint, 
   auch  hat  man  oft Gelegenheit  mit  dem  Casqueiro  nach  Rio  zu  reisen  
 oder  Briefe  zu  senden.  Besonders  geschäftig  sind  die  Schiffe  von  Pernambucco  
 für  den  Transport  des  Mandioccamehls,  da  jene  Gegend  an  diesem  
 wichtigen  Produkte  Mangel  leidet;  trockene  Jahre  bringen  zuweilen  dort  
 eine  vollkommene  Hungersnoth  hervor,  wie  das  auch  K Ö S T E R  in  seiner  
 Reisebeschreibung  bemerkt  
 (*)  Der  in  Brasilien  Aratu  genannten  Krabbe  erwähnt  MARCGRAF  p.  iö5.  
 (**)  S.  KÖSTERS  travcls  etc.  p.  128  u.  a.  a.  O.  
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 Da  wir  die Absicht  halten,  nach  der  Reise  an  denMacuri,  wo  wir  
 einige  Zeit  zu  verweilen  gedachten,  noch  einmal  hierher  zurück  zu  
 kehren,  so  hielten  wir  uns  jetzt  nur  drey  Tage  auf,  und  reisten  dann  
 nach  dem  Alcohaga  ab,  der  nördlich  vom  Caravelias  durch  die  Urwälder  
 herab  kommt.  An  demselben  liegt  eine  Fazenda  des  Ministers  Conde  DA  
 B A R C A ,  Ponte  da  Geniio  (die  Brücke  der  Wi lden)  genannt,  welche  wir  
 m  Augenschein  zu  nehmen  wünschten.  Wir  fuhren  erst  einige  Stunden  
 in  einem  Canoe  den  Caravelias  aufwärts,  und  setzten  dann  die  Reise  zu  
 Lande  fort.  Gegen  Abend  erreichten  wi r  die  kleine  Fazenda  de  Pindoha,  
 deren  Eigenthümer  Herr  CARDOSO,  uns  für  die  Nacht  recht  gastfreundschaftlich  
 beherbergte.  Die  Gegend  hier  ist  wild  und  voll  von  noch  undurchforschten  
 Wa ldungen,  wo  nur  hie  und  da  eine  Wo h n u n g  oder  Pflanzung  
 zu  finden  ist.  Da  das  Gespräch  mit  Herrn  CARDOSO  sich  auf  diese  
 Gegend  und  ihre  Nalur-Merkwürdigkeiten  lenkte,  liefs  er  einen  Stein  herbeyholen, 
   den  man  unter  der  Oberfläche  der  Erde  gefunden  hatte  ;  es  war  
 ein  grober,  in  Figur  einer  kleinen  Axt  geschliffener  Sandstein.  Unser  
 Hauswirth  erklärte  ihn  aber  für  einen Donnerkeil  [Corisco\  der  bey  einem  
 Gewitter  in  die  Erde  herabgefahren  sey,  und  war  eben  so  wie  die  übrigen  
 Anwesenden  mit  unserer  Erklärung:  dafs  es  ohne  Zweifei  ein  von  den  
 Wilden  verfertigtes  und  verlornes  Instrument  sey,  höchst  unzufrieden.  Das  
 Wunderbare  hat  für  den  ungebildeten  Menschen  immer  den  meisten  Reiz.  
 Bey  Pindoba  setzten  wir  über  einen  kleinen  Waldbach,  bestiegen  
 dann  die  von  den  Besitzern  der  benachbarten  Fazendds  geliehenen  
 Pferde,  und  ritten  durch  öde  Wildnisse,  in  welchen  Wald,  Gebüsche  
 und  Heiden  voll  von  hohem  Rohrgras  mit  einander  abwechselten.  Auf  
 den  zerstreut  liegenden  Fazendds  oder  Rossen  findet  man  grofse  Schoppen, 
   in  denen  man  das  Mandioccamehl,  das  Hauptprodukt  dieser  Gegend,  
 in  Menge  bereitet.  Diese  Gebäude  sind  von  allen  Seiten  offen,  und  bestehen  
 nur  aus  einem  von  starken  Pfeilern  getragenen  P^ohr-  oder  Palm- 
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