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 Die  wenigen  hier  wohnenden  Indier  machen  den  ganzen  Ueberrest  
 der  alten,  zahlreichen  Bevölkerung  dieser  Gegend  aus;  doch  ist  diese  
 nicht  eigentlich  ihre  Heimath.  Ursprünglich  war  Rio  und  die  umliegende  
 Gegend  von  dem  kriegerischen  Stamme  der  Tamoyos  bewohnt.  Diese,  
 von  den  Tapin-lmba  (die  Portugiesen  nennen  sie  Tapinamhas)  zum  Theil  
 verdrängt,  verbanden  sich  nachher  mit  jenen  gegen  die  Portugiesen,  
 und  schlössen  sich  mit  ihnen  an  die  Franzosen  an,  bis  sie  endlich  auch  
 bey  der  Vertreibung  der  letztern  im  Jahr  1667  aus  dieser  Gegend,  von  
 den  Portugiesen  und  den  mit  diesen  vereinten  Indiern  zum  Theil  ausgerott 
 e t ,  zum  Theil  in  die  Wälder  weiter  zurückgedrängt  wurden.  Diese  
 Tupinamhas  sollen,  wie  eine,  jedoch  kaum  glaubwürdige  Sage  behauptet, 
   quer  durch  die  Urwälder  bis  zum  Amazonenstrome  gezogen  seyn  
 und  sich  dort  niedergelassen  haben.  So  viel  ist  aber  gewifs,  dafs  man  
 heut  zu Tage  an  jenem  grofsen  Strome  auf  einer  Insel  am  Ausflusse  des  
 Madeira,  in  dem  Flecken  Tupinambara,  aus  welchem  später  der  Ort  
 Topayos  entstanden  ist,  einen  Ueberrest  dieses  Stammes  findet.  Man  
 kann  hieraus  auf  die  weite  Verbreitung  dieses  Volkes  schliefsen  (-)•  
 Ueber  den  Zustand,  die Lebensart  und  Gebräuche  der  Tupinamhas  finden  
 wir  die  interessantesten  Nachrichten  in  L E R Y  und  H A N S  STADEN^S  wahren  
 und  treffenden  Schilderungen.  Diese  Nachrichten  bleiben  um  so  
 lehrreicher,  da  sie  zugleich  ein  Gemähide  aller  dieser  nun  civilisirten  
 Stämme  derKüsten-Indier,  die  von  den  Portugiesen  heut  zu Tage  gezähmte  
 (*)  Nach  der  Beschreibung  des  Pater  D'ACUWIXA  bey  DE  LA  CONDAÎWINE  pag.  137.  DIE  
 Stamme  der  Tupinamhas  und  der  andern  mit  ihnen  verwandten  Küsten-Indier  waren  weit  
 verbreitet.  Dieses  beweisen  aus  ihrer  Sprache  hergenommene  Benennungen  an  der  ganzen  
 Ostküste,  am  Amazonenstrome  und  selbst  in  Pca^aguay,  wo  sie  AZARA  mit  dem  Nahmen  der  
 Guaranis  belegt.  Vol.  II.  p.  —  Zwar  findet  sich  in  den  Wörtern,  welche  dieser  Schriftsteller  
 aus  der  Guarani-Sin-ache  hernahm,  manche  Abweichung  von  denen  der  Lingoa  geral,  jedoch  
 auch  viel  Uebereinstimmung,  so  dafs  bcyde  Völker  einander  wenigstens  sehr  nahe  verwandt  
 scheinen.  
 Indier  oder  Indios  mansos  genannt  werden,  darstellen.  SOUTHEY  in  seiner  
 gehaltreichen,  und  BEAUCHAMP  in  seiner  romanartigen  Geschichte  
 vonBrasilien,  haben  diese  Çuellen  benutzt.  VASCONCELLOS(")  theilt,  in  
 semen  Noticias  curiosas  do  Brazil^  alle  Stämme  der  Ui'völker  des  östlichen  
 Brasiliens  in  zwey  Klassen,  nehmlich  in  gezähmte  oder  civilisirte  
 indier,  Indios  mansos^  und  in  Tapuyas  ^  oder  wilde  Horden.  Die  erstem  
 bewohnten,  als  die  Europäer  dies  Land  zuerst  besuchten,  blos  die  Seeküste; 
   sie  waren  in  viele  Stämme  getheilt,  aber  durch  Sprache,  Sitten  
 und  Gebräuche  sehr  wenig  von  einander  verschieden.  Bey  ihnen  herrschte  
 der Gebrauch,  die  Gefangenen  zu  mästen,  an  einem  festlichen  Tage  sie  mit  
 der  Keule  Tacapé  oder  Iinera  Pemme^  die  mit  bunten  Federn  geschmückt  
 war,  zu  erschlagen,  und  sie  alsdann  aufzufressen.  Unter  ihnen  nennt  man  
 die  Stämme  der  Tamoyos,  Tupinamhas,  Tupinaquins,  Tohayaras,  Tapis,  
 Tupigodes,  Tumiminos,  Amoigpyras,  Arahoyaras,  Rariguaras,  Potigoares, 
   Carijos  u.a.  m.  Von  ihrer  Sprache,  die  man,  weil  sie  allen  
 Küstenstämmen  gemein  war ,  die  allgemeine  Sprache  Lingoa  geral  odev  
 matriz  nannte,  haben  uns  die  Jesuiten,  besonders  Pater  JOS É  DE  ANCHIETA() 
   eine  sehr  vollständige  Grammatik  hinterlassen.  Ob  nun  gleich  alle  
 diese  Indier  heut  zu  Tage  civilisirt  sind,  und  portugiesisch  reden,  so  verstehen  
 sie  doch,  mehr  oder  weniger,  noch  immer  einige Wo r t e  derselben,  
 und  manche  Alte  unter  ihnen  sprechen  sie  selbst  noch  ziemlich  vollständig;  
 allein  mit  jedem  Tage  verliert  sich  die  Gewohnheit,  sie  zu  reden,  mehr  
 und  mehr.  Aus  dieser  Sprache  sind  alle  in  den  Reisebeschreibung^en  von  
 Brasilien  vorkommende  Benennungen  der  Thiere,  Pflanzen,  Flüsse  u.  s.  w.  
 übrig  geblieben.  Da  dieselbe  von  Paulo  bis  Parä  längs  der  Küste  
 geredet  wird,  so  finden  wir  die  darin  üblichen  Benennungen,  hauptsäch- 
 (*)  Noticias  antccedentes,  curiosas,  e  necessarias  das  Cousas  do  Brasil  in  Padi-e  SIMAO  
 DE  VAscoHClfiLLos  Ciironica  da  Companliia  de  Jesu  do  Estado  do  Brasil  etc.  
 Pater  JosErn  DE  AHCUIETA  arte  da  Lingoa  Brasilica.  Lisboa  etc.