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 Die  Lage  der  Fazenda  an  dem  schönen  Paralha^  der  hier  an  manchen  
 Stellen  die  Breite  unsers  Rheins  hat,  war  sehr  angenehm.  Dichte  
 finstere  hohe Urwälder  wechseln  mit  freundlich  grünen  Hüg-eln  ab,  welche  
 die Ufer  einfassen,  und  auf  denen  man  y\e\e  Fazenda's  erblicht;  an  einigen  
 Stellen  sind  diese  wild-romantischen  Urwaldungen  selbst  am  Ufer  
 weit  ausgedehnt  und  erstrecken  sich  überall  ununterbrochen  ins  Land  
 hinein5  von  den  höhern  Bergketten  herab  sieht  man  finster  schauerliche  
 Thäler  die  Wildnifs  durchschneiden,  die  dunkel  und  dicht  mit  hohen  
 Riesenstämmen  angefüllt  sind,  und  deren  Ruhe  nur  selten  durch  den  
 Tritt  des  einsam  schleichenden  Pari  unterbrochen  wird.  Hinter  der  
 Fazenda  erstiegen  wir  einen  felsigen  Hügel  und  hatten  dort  eine  himmlisch  
 schöne,  obgleich  schauerliche  Aussicht  in  die  grofse  ernste Wildnifs,  
 Kaum  hatten  wir  den  übrigen  Theil  der  versammelten  zahlreichen  Gesellschaft  
 unten  am  Fufse  der  Höhe  wieder  erreicht,  als  wir  aus  einem  
 kleinen  Seitenthale  die  Wilden  hervortreten  und  auf  uns  zukommen  
 sahen.  Es  waren  die  ersten  dieser  Menschen,  die  wir  erblickten^  unsere  
 Freude  über  ihre  Erscheinung  war  grofs  wie  unsere  Neugierde.  
 Wi r  eilten  ihnen  entgegen  und  (Überrascht  von  der  Neuheit  des  Anblicks  
 standen  wir  vor  ihnen.  Fünf  Männer  und  drey  bis  vier  We ibe r  mit  
 ihren  Kindern  hatten  die  Einladung,  uns  zu  sehen,  angenommen.  Sie  
 waren  alle  klein,  nicht  über  5  Fufs  5  Zoll  hoch,  die  meisten  unter  
 ihnen waren  breit  und  untersetzt,  so  auch  die Weiber  Mit  Ausnahme  
 einiger  wenigen,  welche  Tücher  um  die  Hüften  gebunden  hatten,  oder  
 kurze  Beinkleider  trugen,  die  sie  von  den  Portugiesen  erhalten  hatten,  
 ( * )  Unter  allen  Stämmen  der  OstKüste,  welche  ich  sah,  mufs  ich  die  Paris  für  die  
 kleinsten  halten.  Nach  Herrn  FREYHEISS  sollen  in  der  Capitania  von  Minas  Geraes  diese  
 Menschen  viel  starker  gebaut  seyn  als  die  Coroados.  Diese  Beobaclitung  fand  ich  zu  S.  Fidelis  
 nicht  bestätigt,  denn  die  letztern  waren  dort  in  der  Mehrzahl  gröfser  und  stärker  von  Köi'perbau. 
   S.  V.  ESCH WEGE  Journal,  Heft  I.  S.  2o5.  
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 waren  sie  alle  völlig  nackt.  Einige  hatten  den  ganzen  Kopf  geschoren,  
 den  andern  hieng  ihr  natürlich  starkes  rabenschwarzes,  nur  über  den  
 Augen  und  im  Genicke  abgeschnittenes  Haar  gerade  bis  in  den  Nacken  
 herunter.  Bart  und  Augenbraunen  hatte  ein  Theil  von  ihnen  abgeschor 
 en;  im  Allgemeinen  haben  sie  wenig  Ba r t ;  bey  den  meisten  bildet  er  
 nur  einen  dünnen  Kranz  um  den  Mund  herum  und  hängt  unter  dem  
 Kinne  etwa  drey  Zoll  lang  nieder C^O-  Einige  hatten  sich  auf  Stirne  und  
 Backen  runde,  rothe  Flecken  mit  U r u c ü  (Bioca  Orellana,\.m^.)  gemahlt,  
 auf  der  Brust  und  an  den  Armen  dagegen  hatten  alle  blauschwarze  Streifen  
 ,  mit  dem  Safte  der  Genipaba-Fruohl  {Genipa  americana,  L INN. )  gemacht 
 :  dies  sind  die  beyden  F a r ben,  welcher  alle  Tapuyas  sich  bedienen. 
   Um  den  Hals  oder  über  die  Brust  und  eine  Schulter  hatten  sie  
 Schnüre  von  aufgereihten  harten  schwarzen  Beeren,  in  deren Mitte  vorn  
 Eckzähne  von Affen,  Unzen,  Katzen  oder  andern  Raubthieren,  angereiht  
 wa r en,  auch  trugen  manche  unter  ihnen  diese  Schnüre  ohne  Zähne;  
 Figur  5  auf  der  i 2 t e n  Tafel  stellt  ein  solches  Halsband  v o r ,  und  Figur  6  
 eine  andere  Art  dieses  Putzes,  welche  von  der  abgezogenen  Rinde  gewisser  
 Pflanzen-Auswüchse,  wahrscheinlich  den  Dornen  eines  Strauches, 
   zusammen  gesetzt  ist  I»^  ^^^^  ii^hren  die  Männer  ihre  
 langen  Bogen  und  Pfeile,  die  sie  auf Verlangen  sogleich,  so  wie  alle  ihre  
 Habseligkeiten,  gegen  Kleinigkeiten  vertauschten.  Wi r  empfiengen  diese  
 ( * )  Viele  Schriftsteller  haben  sehr  geirrt,  -wenn  sie  die  Amerikaner  barllos  nannten,  
 obgleich  ihr  Bart  gewölinlich  dünn  und  schwach  ist.  Am  Sypotuba  soll  ein  durch  stärkern  
 Bart  sich  auszeichnender  Slamm  der  Urbewolmer  gelebt  Jiaben,  welche  die  Portugiesen  daher  
 Barbados  nannten.  
 ( * * )  Der  hier  erwähnte  Tnlz  besteht  aus  dunkelbraunen,  hohlen,  länglichen  Körpern,  
 welche  in  ihrer  Gestalt  vollkommen  einem  Dentalium  gleichen,  und  die  man  daher  für  animalischen  
 Ursprunges  hielt,  bis  die  genauere  Untersuchung  zeigte,  dais  sie  aus  Eindensubstanz  
 gebildet,  und  daher  ohne  Zweifel  der  Ucberzug  gewisser  Dornen  sind.  Sie  sollen  an  den  
 Caxoeiras  des  Paraiba  vorkommen.  
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