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 36:  A u f e n t h a l t  am  Rio  Grande  de  Belmonte  
 mit  welcher  diese  Thiere  schwimmen,  kommt  ihnen  bey  den  auf  sie  
 gemachten Jag den  sehr  zu  statten.  Obgleich  der^nia,  dies  grofse  schwerfällige  
 Thier,  von  6  bis  7  Fufs  Länge,  durch  eine  sehr  dicke  Haut  geschützt  
 ist,  so  wird  er  von  den  Portugiesen  dennoch  immer  nur  mit  Schrot  und  
 nicht  mit  Kugeln  erlegt;  hiezu  gehören  aber  durchaus  scharfschiefsende  
 lange  Gewehre,  und  eine  sehr  starke  Ladung  von  grobem  Bley;  auch  
 thun  diese  Jäger  Heber  auf  ein  Thier  12  bis  .16  Schüsse  mit  Schrot,  als  
 dafs  sie  Kugeln  laden  sollten.  Um  auf  den  Jagdzügen  alle  Arten  von  Thieren  
 erlegen  zu  können,  laden  die  Brasilianer  ihre  Gewehre  immer  mit  
 Schrot,  und  tödten  damit  eben  so  gut  eine  Jacutlnga  {Penelope)  ^  als  
 ein  wildes  Schwein  oder  einen  Den  letztern  verfolgt  man  übrigens  
 ebenfalls  seines  Fleisches  wegen,  und  Hunde  erleichtern  diese  Jagd  gar  
 sehr.  Gewöhnlich  trifft  man  den  Tapir  oder  Anta  Morgens  und  Abends  
 in  den  Flüssen  an,  wo  er,  um  sich  abzukühlen,  gern  badet.  Ist  dies  Thier  
 stark  angeschossen  und  schon  etwas  abgemattet,  so  greifen  es  die  Brasilianer  
 oft  schwimmend  mit  dem  Messer  in  der  Hand  an  und  suchen  ihm  
 ein  Paar  Stiche  beyzubringen.  Auch  so  benutzen  sie  die  Sitte  ihrer  Nation,  
 beständig  ein  Stilet  oder  Messer  im  Gürtel  zu  tragen,  wovon  oft  selbst  
 die  Geistlichen  keine  Ausnahme  machen,  —  ein  Gebrauch,  der  zu  vielen  
 Mordthaten  Anlafs  giebt.  
 Durch  die  unglückliche  Jagd  aufgehalten,  erreichte  ich  erst  spät  in  
 der  Nacht  dio^s  Destacament  ^ und  früh  am  folgenden  Morgen  wurde  ich  
 schon  von  den  neu  angekommenen  Botocuden  geweckt,  welche  ungeduldig  
 waren,  den  Fremdling  kennen  zu  lernen.  Sie  klopften  heftig  an  die  
 verschlossene  Thür  bis  ich  sie  öffnete,  und  überhäuften  mich  sogleich  
 mit  einer  Menge  von  Freundschaftsbezeigungen.  Capitam  G I P A K E I U  war  
 sehr  für  mich  eingenommen,  weil  man  ihm  gesagt  hatte,  ich  sey  ein  
 grofser  Verehrer  der  Botocudos  und  brenne  vor  Ungeduld  ihn,  den  
 grofsen  Anführer,  kennen  zu  lernen.  Er  war  nur  von  mittlerer  Gröfse,  
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 aber  stark  und  kräftig  gebaut,  in  den  Ohren  und  Unterlippe  trug  er  grofse  
 Holztafeln;  bis  zum  Munde  herab  war  sein  Gesicht  glühend  roth  bemahlt,  
 dabey  aber  hatte  er  eine  schwarze  Linie  von  einem  Ohr  zum  andern  
 unter  der  Nase  hingezogen,  den  Körper  liefs  er  übrigens  in  seiner  natürlichen  
 Farbe.  Gegen  die  Portugiesen  zeigte  er  sich  aufrichtig  und  gut  
 gesinnt,  und  man  hatte  noch  nie  über  ihn  zu  klagen  gehabt.  Obgleich  
 im  Aeufserlichen  von  den  übrigen  Gliedern  seiner  Horde  durch  nichts  ausgezeichnet, 
   stand  er  doch  bey  seinen  Landsleuten  in  grofsem  Ansehen,  
 wodurch  er  selbst  den  Portugiesen  zuweilen  nützlich  wurde.  Als  zum  
 Beyspiel  die  letztern  zuerst  friedlich  mit  den  Botocuden  zusammen  kamen,  
 erschien  ein  anderer  Anführer  derselben  auf  dem  Qaartel.^  und  forderte  mit  
 Ungestüm  eine Menge  Eisengeräthe.  Da  diO^sDestacament  damals  schwach  
 besetzt,  und  von  vielen  W^ilden  umgeben  war,  so  sah  man  sich  genöthigt  
 ihm  seinen  Willen  zu  thun.  Bald  nachher  erschien  Capitam  GIPAKEIU,  
 man  klagte  ihm  den  Vorfall,  worauf  er  in  den  Wald  gieng  und  den  
 Besitzer  nöthigte  einen  grofsen  Theil  der  Instrumente  wieder  heraus  zu  
 geben.  Ich  wurde  mehreremale  von  ihm,  nach  portugiesischer  Sitte,  an  
 die  Brust  gedrückt,  doch  war  unsere  Unterredung  höchst  sonderbar,  da  
 er  mich  und  ich  ihn  nicht  verstehen  konnte;  indessen  machte  mir  der  
 Herr  Capitam  bald  begreiflich,  dafs  er  sehr  grofsen  Hunger  habe,  und  
 von  mir  eine  Befriedigung  desselben  erwarte:  ihren  heftigen  gränzenlosen  
 Appetit  zu  stillen,  ist  immer  das  dringendste  Anliegen  dieser  Wilden.  
 Als  ich  ihn  mit  Farinha  befriedigt  und  mir  noch  geneigter  gemacht  hatte,  
 sandte  er  nach  seiner  Hütte  in  den  W^ald,  um  einige  Gegenstände  zum  
 Tauschhandel  herbey  holen  zu  lassen;  unter  diesen  zeichnete  sich  ein  
 kurzes  Sprachrohr  Cantschun  Cocannaus,  welches  aus  der  Schwanz- 
 (*)  Anstatt  des  Ta tu-Schwanz es  bedienen  sich  zu  diesem  Entzwecke  die  sclion  mehr  
 civilisirten  Coroados  in  Mincts  Geracs  eines  Ochsenhorns.  S.  v.  ESCIIWEGE'S  Journal  von  
 Brasilien  lieft  I.  
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