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 o5o  A u f e n t h a l t  am  Piio  Grande  de  Belmente  
 in  der  dämmernden  Abendiuft umher.  Selbst  als  die  Nacht  uns  schon  die  
 Gegend  verhüllte  ,  Hefsen  sich  noch  sonderbare  unbekannte  Stimmen  von  
 Eulen  und  Nachtschvvalben  hören.  Der  folgende  Morgen  war  wieder  in  
 dichten  Nebel  gehüllt  —  der  indessen  nicht  kalt,  sondern  nur  sehr  feucht  
 war  —  allein  die  kräftige  tropische  Sonne  durchbrach  bald  den  dichten  
 Schleyer  des  Thaies  und  trocknete  uns  wieder.  Wir  schifften nun  bis  zu  
 der  bedeutendsten  Cachoeira,  die  wir  auf  dieser  Reise  zu  überwinden  hatten; 
   hier  mufste  man  das  Canoe  an  einer  Felsen-Insel  ausladen,  und  jedermann  
 leg^te Hand  an,  um  dasselbe  über  eine  3  Fufs  hohe  Felsenstufe  hinauf  
 zu  heben,  weiches  das  herabströmende  Wasser  noch  sehr  erschwerte.  
 Man  hatte  das  ganze  Gepäck  über  das  Land  hinweg,  an  das  andere  Ende  
 derlnsel  getragen,  allein  es währte  lange,  bis  das  Canoe  durch  unsägliche  
 Mühe  dahin  gebracht  wurde,  und  ausgeschöpft,  wieder  beladen  und  flott  
 gemacht  werden  konnte.  Während  meine  Leute  mit  dem  Canoe  beschäftigt  
 waren,  blickte  ich  zufällig  an  das  jenseitige  Ufer,  und  nicht  gering  
 war  meine  Ueberraschung,  als  ich  dort  einen  grofsen  starken  Botocuden  
 mit  untergeschlagenen  Beinen  ruhig  sitzen  sah.  Sein  Nähme  war  JUCAKEMET, 
   er  war  meinen  Leuten  wohl  bekannt,  jetzt  aber  von  ihnen  nicht  
 bemerkt  worden;  er  hatte  unserer  Arbeit  zugesehen,  ohne  ein  Lebenszeichen  
 von  sich  zu  geben.  In  den  grauen  Felsen  war  das  graubraune  
 nakte  Wesen  kaum  zu  sehen;  darum  können  diese  Wilden  sehr  leicht  
 unbemerkt  sich  nähern,  und  die  mit  ihnen,  in  andern  Gegenden  im  Krieg  
 stehenden  Soldaten  müssen  deshalb  äufserst  vorsichtig  seyn.  Wir  forderten  
 den  einsam  da  Sitzenden  auf,  zu  uns  herüber  zu  schwimmen,  allein  
 er  gab  zu  verstehen,  der  Flufs  sey  zu  reifsend,  er  wolle  nach  dem  Quartei  
 do  Salto,  welches  nicht  mehr  weit  entfernt  war,  zurückkehren  und  dort  
 uns  erwarten.  Auch  auf dem  nördlichen  Ufer  erblickten  wir  einige  Botocuden, 
   welche  mit  einem  Soldaten  des  Qaartels  auf  die  Jagd  giengen,  diese  
 wollten  ebenfalls  nicht  zu  uns  herab  kommen.  Wir  umschifften  nun  eine  
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 hohe  schwärzliche  mit  gelben  Ouarz-Adern  durchzogene  Felswand,  und  
 gelangten  alsdann  zu  dem  Landimgsplatz  {Portó)  des  Qaartels  do  Salto.  
 Da  in  der  Gegend  dieses  Militärpostens  der  Flufs  durch  einen  bedeutenden  
 Fall  völlig  unfahrbar  w^ird,  so  mufs  man  vor  dieser  Stelle  landen,  und  
 zu  Lande  den  We g  über  einen  Berg  machen;  jenseits  des  Qaartels  schifft  
 man  sich  alsdann  in  andern  Canoen  wieder  ein.  Ich  liefs  mein  Gepäcke  
 ausladen  und  nach  dem  Destacament  hinüber  tragen.  Der  We g  dorthin  
 führt  an  einer  steilen  Bergwand  hinauf,  wo  man  einen  kleinen  Schoppen  
 für  die  auszuladenden W^aaren  erbauet  hat,  welche  nach  Minas  bestimmt  
 sind.  Auf  der  Höhe  tritt  man  in  den  hohen  Wald  ein,  wo  Bromelia- 
 Pflanzen  an  der  Erde  ein  undurchdringliches  Dickicht  bilden,  und  5  bis  
 6  Fufs  hohe  ^e^onza-Stauden  mit  ihren  grofsen  Blättern  ('••)  in  Menge  
 wachsen.  Hier  stand  in  colossalem  Umfange  der  Bomhake  ventricosa  des  
 A r  RUDA,  mit  unten  an  der Erde,  und  oben  unter  der  Krone  verdünntem,  
 in  der  Mitte  aber  bauchicht  ausgedehntem  Stamme,  weshalb  ihm  die  Portugiesen  
 den  Nahmen  Barrigudo  beygelegt  haben.  Es  giebt  mehrere  
 Arten  dieser  bauchichten  ^omö^rior-Stämme,  die  eine  hat  eine  glatte,  nur  
 etwas  gereifte  Rinde,  bey  einer  andern  ist  der  Stamm  mit  kurzen,  starken, 
   abgestumpften  Stacheln  versehen;  die  einzeln  stehenden  Blätter  in  
 der  dünnen,  wenig  ästigen  Krone  sind  bandförmig,  und  bey  einigen  
 Arten  zvvey-  oder  dreylappig,  bey  andern  ungetheilt.  Die  Blumen  sind  
 grofs  und  schön  von  weifslicher  Farbe  ;  sobald  sie  welken,  fallen  sie  ab  
 und  bedecken  den  Boden  unter  den  Bäumen.  Der  weite  Stamm  dieser  
 Baumart  ist  mit  einem  sehr  saftigen  weichen  Mark  angefüllt,  worin  man  
 mehrere  grofse  Insektenlarven  findet,  w^elche  'die  Botocudos  aufsuchen,  
 an  einem  hölzernen  Spies  braten  und  begierig  verzehren.  Verwundet  
 man  den  Baum,  so  fliefst  sehr  viel  klebriger  Saft  oder  Harz  aus.  In  dieser  
 (•*)  Das  Genus  Begonia  ist  in  Brasilien  sehr  zahlreich  an  Arten,  -wovon  chiige  zu  einer  
 bedeulondon  Höhe  und  Stari^e  herauAvachseu.  
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