iii;
i
J
76 R e i s e von S. Salvador zum Flusse Espirito-Santo
über der P^illa und gewährt besonders von dem an der Nordseite befindlichen
Balkon aus eine herrliche Aussicht. Die Sonne tauchte eben in
den dunkelblauen Ocean, dek- vor uns lag, unter, und verwandelte den
weiten Spiegel desselben in ein Feuermeer. Die Klosterglocke läutete
zum Ax>e Moria^ und alles, was in der Nähe war, zog die Hüte ab zum
Abendgebeth ; Stille herrschte in der weiten Ebene , und nur die über
den Flufs hcrüberschallenden Stimmen der Tinamu's und anderer wilden
Thiei-e unterbrachen dieses feyerliche nächtliche Schweigen. Mehrere
niedliche kleine Brigs lagen im Hafen von P^illa Nova vor Anker, und
verleiteten uns zu dem Fehlschlüsse, dafs hier ein nicht unbedeutender
Handel getrieben werde; allein man belehrte uns bald eines bessern. Es
ist hier sehr wenig Verkehr, und diese SchiiTe hatten blos vor dem ungünstigen
Winde hier Schutz gesucht. Die Jesuiten hatten hier anfangs 6 0 0 0
Indianer versammelt und die beträchtlichste Aldea an dieser Küste gestift
e t ; allein durch die schweren königlichen Dienste und durch sclavische
Behandlung vertrieb man die meisten derselben wieder; diese zerstreuten
sich in andere Gegenden, so dafs jetzt der ganze Distrikt von f^illaNova^
die portugiesischen Ansiedler mitgerechnet, nicht mehr als 800 Seelen
zählt, worunter etwa 600 Indier sind. Obgleich nun die Anzahl der Bewohner
sehr abgenommen hat, so hob sich dennoch seitdem der Handel;
denn noch vor etwa 20 Jahren betrug hier die Ausfuhr nicht mehr als
1 0 0 , 0 0 0 Reis (etwa 3i3 Gulden), da sie jetzt schon auf 2000 Gruzados
gestiegen ist, den Betrag des ausgeführten Zuckers nicht einmahl mit in
Anschlag gebracht. Die freyen wilden indier bedrängten ehemals diese
Colonie am Iritiha sehr, besonders die Goaytacases und die Stämme
di^v Tapuyas ^ worunter man besonders Paris und Maracas begreift;
allein der Geistliche versicherte uns , dafs sich diese wilden Horden nicht
mehr gezeigt hätten, seitdem man alljährlich auf einen gewissen Tag im
ganzen Distrikt dem heiligen Geist ein grofses Fest mit Pracession^n und
R e i s e von S. S a l v a d o r zxim F lus s e Espi r i t o - S a n t o I77
Andachtsübungen feyre. J^illa Nova selbst ist ein kleiner Ort mit einigen
gut gebauten Häusern, der aber am Sonntage lebhafter wurde, da alle
• B ewohner der umliegenden Gegend zur Messe herein kamen. Der in
diesem Distrikte commandirende Capitam (Hauptmann) von der Landmiliz
gehört zu dem Regimente von Espirito-Santo, dessen Chef der Oberst
F a l c a o zu Capitania ist. Er kam am Sonntage uns zu besuchen und
hatte die Gefälligkeit, auf unsere Nachft-age nach guten Jägern, uns einige
der Gegend kundige Leute zu senden; wir fanden Gelegenheit aufser
ihnen noch einen Indier anzunehmen, der ein guter Jäger war. Diese
verschaiften uns manche interessante Thiere, unter andern auch mehrere
Saüassú-Añen, die hier an den Ufern des Flusses häufig ihre laute Stimme
hören lassen. Zwey unserer Jäger fanden im Walde eine grofse Giftschlange.
Sie lag ruhig in einer Vertiefung, wo ihr nicht gut beyzukommen
war; daher stieg einer von ihnen auf einen niedern Baum und
erlegte von dort herab das Thier. Diese schöne Schlange wird im Lande
Qarucucú genannt, erreicht eine Länge von 8 bis 9 Fufs, und eine beträchthche
Dicke, und hat eine fahl gelbröthliche Farbe, mit einer Reihe
schwarzbrauner Rautenflecken auf dem Rücken. Die Bildung der Schilder,
Schuppen und des Schwanzes zeigt, dafs sie die von D a u d i n unter dem
Nahmen iLa cW^, wiewohl etwas unrichtig beschriebene grofse Viper
der Wälder von Cayenne und 5«rmam ist (=^0. Ihr Bifs wird sehr gefürcht
e t , und Menschen, die von ihr verwundet werden, sollen in weniger
als 6 Stunden sterben.
Vom Iritiha gelangt man zunächst zu dem Flusse Goaraparim,
Sumpfige Wiesen und Moräste dehnen sich unweit der See aus, Gebüsche
(*) Schon Ma r c g b a f erwähnt dieser Schlange unter dem Nahmen ^^aracuc«; allein
auch in neueren Zeiten hat Herr Hofrath Ms r h e h , einer unserer ausgezeichnetsten Reptiliologen,
in dem Uen Bande der Ännalcn der Wetterauischen Gesellschaft für Naturgeschichte,
eine unvollständige Haut dieses Thieres beschrieben und abgebildet.
25